Sollen wir uns die Erde UNTERTAN machen?

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Halman
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#1 Sollen wir uns die Erde UNTERTAN machen?

Beitrag von Halman » Mo 22. Jun 2015, 20:30

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ich erinnere mich, dass du gesagt hattest es sei falsch übersetzt, aber eine Alternative hast du nicht angeboten.
Doch, hatte ich.
Ich erinnere mich nicht daran. Kann sein, dass ich es übersehen habe.
Würdest du sie für mich bitte wiederholen!
Bitte entschuldige, dass es etwas länger gedauert hat. Ich habe mich entschlossen, diesen "Streitpunkt" ausführlicher auszuarbeiten und habe die Gelegenheit ergriffen, hier ein neues Thema zu starten.

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Außerdem gehen alle Exegeten die ich kenne, davon aus, dass diese Übersetzung richtig ist.
Welche denn?
Luther, Barth, Bonhoeffer, Jaspers, Rahner...
Zu Luther komme ich noch. Doch inwiefern stimmen die anderen genannten Theologen mit Dir überein? (Quellen?)

Also, es geht um folgende Bibelverse in Genesis 1. die ich hier bewusst nach der alten Lutherübersetzung von 1545 wiedergebe:
26 Und GOtt sprach: Laßt uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kreucht. 27 Und GOtt schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie ein Männlein und Fräulein. 28 Und GOtt segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und macht sie euch untertan, und herrschet über Fische im Meer und über Vögel unter dem Himmel und über alles Tier, das auf Erden kreucht.
Das schöne am obigen Link ist, dass ihr hier ganz leicht viele Bibelübersetzungen vergleichen könnt, welche aber m. E. alle Luthers Übersetzung stützen. Ich habe euch mal über die Elberfelder die Elberfelder Concordance (1905) zum Wort רדה (Radah) rausgesucht.
In der Elberfelder Bibel von 1908 wird das hebräische Verb râdâh 14 mal mit "herrschen" übersetzt (s. Bibelwissen).

Die katholischen Kirchengemeinden der Stadt Wolfsburg und der Landkreise Gifhorn und Helmsted setzen sich in ihrem Artikel Was lehrt uns der Segen Gottesl mit dem Thema auseinander und verweisen dabei auf einge andere Bibelstellen, um so das Verhältnis des Menschen zu den Tieren aus biblischer Sicht beleuchten (Stichwort: Gesamtkontaxt). Zu den oben in Luthers Übersetzung rot markierten Worten heißt es dort:
Übersetzt man nämlich das Wort „untertan machen“ (kabas) und „herrschen“ (radah), so wird deutlich, dass beide die Rolle des Menschen als Treuhänder Gottes, sorgsamer Gärtner und schützend- fürsorglicher Hirte definieren.
Ich denke, dass das Dominium terrae in diesem Sinne zu verstehen ist. Wenn dem so ist, wie kommt es dann, dass alle obigen Übersetzungen dem [zumindest scheinbar] widersprechen? In Wikipedia wird erklärt:
„Die hebräische Exegese findet erst in den letzten Jahren angemessenere Übersetzungen. Das hebräische Verb kabasch (bisher übersetzt als ‚untertan machen‘) hat auch die Bedeutung: ‚als Kulturland in Besitz nehmen", ‚dienstbar / urbar machen‘, wie Vergleiche mit Verbübersetzungen in anderen biblischen Büchern (Num 32 EU und Jos 18 EU) zeigen. Das Verb radah (bisher übersetzt als ‚königlich bzw. herrschaftlich auftreten‘) wird in Mari-Texten für den Umgang eines Hirten mit seiner Kleinviehherde verwendet und müsste die verantwortungsvolle, fürsorgliche Konnotation zum Ausdruck bringen.“
Die Ideengeschichte zum dominium terrae wurde schon in der Spätantike tradiert, angefangen beim Apologeten und Kirchenvater Lucius Caecilius Firmianus (* um 250; † um 320):
Als Gott den Menschen schuf, gleichsam als Abbild Gottes und Krone des göttlichen Schöpfungswerkes, da hauchte er ihm allein die Weisheit ein, damit er alles seiner Herrschaft und Botmäßigkeit unterwerfe (ut omnia imperio ac ditioni suae subiugaret) und alle Annehmlichkeiten der Welt genieße.
Einige Zeit später übersetzte der Kirchenvater S. E. Hieronymus den Tanach (AT), etwa im Zeitraum von 390 - 405 n. Chr, ins Lateinische und schuf so die berühmte und sehr einflussreiche Vulgata. Dort wird Gen 1:26-28 folgendermaßen wiedergegeben:
26 et ait : Faciamus hominem ad imaginem et similitudinem nostram : et præsit piscibus maris, et volatilibus cæli, et bestiis, universæque terræ, omnique reptili, quod movetur in terra. 27 Et creavit Deus hominem ad imaginem suam : ad imaginem Dei creavit illum, masculum et feminam creavit eos. 28 Benedixitque illis Deus, et ait : Crescite et multiplicamini, et replete terram, et subjicite eam, et dominamini piscibus maris, et volatilibus cæli, et universis animantibus, quæ moventur super terram.
Kann mir jemand die rot markierten Worte übersetzen?
Dominamini ist m. W. verwandt mit dominieren und bedeutet herrschen. Terræ heißt m. W. Land oder Erde.

Bei der Übersetzung des AT in der Lutherbibel lagen wohl sowohl der altgriechische Septuagintatext wie auch der lateinische Vulgatatext zugrunde:
Zitat aus Übersetzung des Alten Testaments:
Der Zeitzeuge Johannes Mathesius entwarf um 1564 in einer Predigt folgendes Bild von dem Übersetzungsprojekt: Melanchthon habe den Septuagintatext präpariert, Cruciger die Rabbinerbibel des Jakob Ben Chajim. Bugenhagen habe den Vulgatatext vorbereitet. „Darauf proponieret dieser Präsident (Luther) einen Text und ließ die Stimmen herumgehen und höret, was ein jeder dazu zu reden hätte …“ In jahrelanger Arbeit wurde ein Buch des Alten Testaments nach dem anderen übersetzt. Dabei wirkten sicher mehr Fachleute mit als Mathesius beschreibt, z. B. auch Caspar Aquila.

In der altgriechischen Septuanginga stehen die Worte
- αρχετωσαν (Inv. ἄρχω, Transl. archō), „der Erste sein“) bezeichnet die Tätigkeit eines Amtsträgers.
und
- κατακυριευσατε (Inv. κατακυριεύω, Transl. katakurieuō), was, soweit ich in Erfahrung birngen konnte „herrschen über sie“ überdeutet (s. PDF-Datei, Seite 6; s. bitte auch altgrichisches Wörterbuch)
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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Halman
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#2 Re: Sollen wir uns die Erde UNTERTAN machen?

Beitrag von Halman » Mo 22. Jun 2015, 20:39

Soweit zum Lateinischen und Altgriechischem. Doch der Grundtext der Genesis ist Hebräisch. Diesbezüglich habe ich in der Guten Nachricht folgende Erklärung gefunden:
Fussnote zu Gen 1:26-28 (GNB):
nehmt sie in Besitz: Die herkömmliche Übersetzung macht sie euch untertan hat oft Anlass gegeben zu dem Missverständnis, die Schöpfung sei der Willkür des Menschen ausgeliefert. Nach hebräischem Verständnis gehören Herrschaft und Fürsorge zusammen; die Könige und Fürsten im Alten Orient galten als »Hirten« des Volkes. Deshalb wird die Fortsetzung, die wörtlich lautet Herrscht über (die Fische usw.), wiedergegeben durch Ich setze euch über ... und vertraue sie eurer Fürsorge an.

sven23 hat geschrieben:Das generelle Problem beim Hebräisch ist seine unpräzise Sprache, weil ein Wort ein Dutzend oder mehr Bedeutungen haben kann.
Und die Frage bleibt, warum es Gott nicht schafft, seine Botschaft selbst bei so wichtigen Dingen nicht unmißverständlich zu vermitteln.
Schließlich verwendet er ganze Kapitel der Bibel darauf, festzulegen, was alles gegessen oder nicht gegessen werden oder wohin gekackt werden darf.
Eins ist dennoch mit Sicherheit falsch. Es hat nie Löwen mit einem Pflanzenfressergebiss gegeben.
"Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben."
1.Mose, 1,30
Da kann auch die hebräische Gummi-exegese nicht mehr helfen. ;)
Mehrdeutigkeiten gibt es auch in unserer Sprache, dennoch können wir uns inder Regel problemlos unterhalten. Es ist natürlich problematisch, wenn wir nur einzelne Worte, wie kabasch, betrachten. Doch ich bin davon überzeugt, dass auch die alten Hebräer imstande waren, sich zu verständigen (auch heute wird ja in Israel Hebräisch gesprochen). Die Mehrdeutigkeit einzelner Wörter wird durch den Kontext konkretisiert. Dass wir hier nur einzelne Worte übersetzen, ist im Grunde unzureichend, denn es müssen Sätze übersetzt werden. An diesem Punkt kann uns nur ein Hebraist weiterhelfen. Unser Foren-Hebraistin @2Lena :Herz: wird sich vielleicht zu den Sätzen äußern, in dem die hier diskutierten Wörter stehen. Es geht um die Verse in Genesis 1:26 u. 28.

Die Frage lautet: In welchem Sinne sollten sich die Menschen die Erde untertan machen? Gem. Genesis 2:15 sollte der Mensch den Garten Eden bestellen und behüten. Laut der Elberfelder heißt es dort::
15 Und Gott, der HERR, nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, ihn zu bebauen und ihn zu bewahren.
Der Mensch sollte die Schöpfung also behüten und bewahren und keinen Raubbau an ihr betreiben.

Warum übersehen die Menschen, die sich auf Gen 1:28 berufen, diesen Vers? Warum übersehen sie die Bewahrung der Tiere in der Arche? Die Arche symbolisiert (sofern ich mich nicht sehr täusche) gem. der Exegese die Kirche und so sollte es unser jüdisch-christlicher oder "kirchlicher" Auftrag sein, die Schöpfung zu bewahren und nicht zu zerstören. Was ist das eigentlich für ein Arroganz, wenn sich angeblich Gläubige Menschen auf Mose beziehen und Raubbau an der Schöpfung Gottes betreiben? Da passt m. E. Off 11:18:
... daß du die verdirbst, welche die Erde verderben!
Wenn wir uns nicht am Riemen reißen, wird die Natur dies für Gott erledigen. Gott übertrug denn Menschen die Verantwortung über die irdische Schöpfung, damit diese sie bebauen und bewahren.
Diese Sichtweise bestätigte mir auch die jüdische Religionswissenschaftlerin und Historikerin Prof. Ruth Lapide, wie ich vor einiger Zeit als interessierter Zuschauer in einer Sendung "Die Bibel aus jüdischer Sicht" in Bibel TV von ihr selbst gehört hatte. Folgendes Zitat von Pfr. Heinz Janssen kann ich daher guten Gewissens bestätigen:
Zitat aus einer Predigt von Pfr. Heinz Janssen:
III.
... "pfleglich und weise" soll der Mensch mit der ihm anvertrauten Erde umgehen – so die Übersetzung der jüdischen Theologin Ruth Lapide.
Und nun freue ich mich über eine angeregte Diskussion. Haut in die Tasten ... :)
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

Pluto
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#3 Re: Sollen wir uns die Erde UNTERTAN machen?

Beitrag von Pluto » Mo 22. Jun 2015, 23:49

Halman hat geschrieben:Die Frage lautet: In welchem Sinne sollten sich die Menschen die Erde untertan machen? Gem. Genesis 2:15 sollte der Mensch den Garten Eden bestellen und behüten. Laut der Elberfelder heißt es dort::
15 Und Gott, der HERR, nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, ihn zu bebauen und ihn zu bewahren.
Der Mensch sollte die Schöpfung also behüten und bewahren und keinen Raubbau an ihr betreiben.

Warum übersehen die Menschen, die sich auf Gen 1:28 berufen, diesen Vers?
Weil das eine anderer Mythos ist.
Du zitierst die zweite Schöpfungsgeschichte. Entweder es ist ein Widerspruch oder eine andere Geschichte. Suchs dir aus.

Wolltest du nicht eine andere Übersetzung von 1. Mose 1,28 bringen?

Halman hat geschrieben:Warum übersehen sie die Bewahrung der Tiere in der Arche? Die Arche symbolisiert (sofern ich mich nicht sehr täusche) gem. der Exegese die Kirche und so sollte es unser jüdisch-christlicher oder "kirchlicher" Auftrag sein, die Schöpfung zu bewahren und nicht zu zerstören.
Das ist eine sehr ungewöhnliche Interpretation.
Die Sintflut wird allgemein als Symbol für Gottes Unzufriedenheit angesehen, und nicht als "Auftrag" die Erde zu schonen.

Halman hat geschrieben:Was ist das eigentlich für ein Arroganz, wenn sich angeblich Gläubige Menschen auf Mose beziehen und Raubbau an der Schöpfung Gottes betreiben?
Ja, das ist in der Tat Arroganz und zwar zutiefst christliche Arroganz.
Warst du schon mal in der "Bible Belt" im Mittleren Westen? Dort, und anderswo auf der Erde leben Millionen Christen, die genau das glauben. Und sie halten sich nicht für arrogant, weil sie in der Glaubensgewissheit sind, das Gott ihnen eine neue Erde schaffen wird.

Halman hat geschrieben:Wenn wir uns nicht am Riemen reißen, wird die Natur dies für Gott erledigen. Gott übertrug denn Menschen die Verantwortung über die irdische Schöpfung, damit diese sie bebauen und bewahren.
Ja. Das wird die Natur früher oder später sowieso erledigen, denn auch die Art Homo sapiens wird nicht ewig leben.

Halman hat geschrieben:
... "pfleglich und weise" soll der Mensch mit der ihm anvertrauten Erde umgehen – so die Übersetzung der jüdischen Theologin Ruth Lapide.
Das wäre in der Tat wünschenswert, aber das entspricht NICHT dem Bibeltext in 1.Mose 1,28.

Halman hat geschrieben: Haut in die Tasten ... :)
Du klingst fast wie unser lieber Hemul. :lol:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Magdalena61
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#4 Re: Sollen wir uns die Erde UNTERTAN machen?

Beitrag von Magdalena61 » Di 23. Jun 2015, 00:12

Halman hat geschrieben:Der Mensch sollte die Schöpfung also behüten und bewahren und keinen Raubbau an ihr betreiben.
So sehe ich das auch. Wenn man konsequent ist und nicht Teile des Textes ignoriert oder unterschlägt, kann man den Vers eigentlich nicht als Rechtfertigung für einen selbstbestimmten, rücksichtlosen Umgang mit der Schöpfung auslegen:
1. Mose 1,16 (SLT): Und Gott sprach: Laßt uns Menschen machen nach unserem Bild, uns ähnlich; die sollen herrschen über...
Man kann Teil 2 nicht verantwortlich wahrnehmen ohne den Teil 1: "nach unserem Bild".

Wenn die Menschheit sich global daran halten würde, anstatt in hartnäckiger Ignoranz des göttlichen Willens gewinnorientiert drauflos zu wirtschaften, ginge es der Schöpfung gut oder jedenfalls besser.
LG
God bless you all for what you all have done for me.

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Halman
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#5 Re: Sollen wir uns die Erde UNTERTAN machen?

Beitrag von Halman » Di 23. Jun 2015, 02:01

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Die Frage lautet: In welchem Sinne sollten sich die Menschen die Erde untertan machen? Gem. Genesis 2:15 sollte der Mensch den Garten Eden bestellen und behüten. Laut der Elberfelder heißt es dort::
15 Und Gott, der HERR, nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, ihn zu bebauen und ihn zu bewahren.
Der Mensch sollte die Schöpfung also behüten und bewahren und keinen Raubbau an ihr betreiben.

Warum übersehen die Menschen, die sich auf Gen 1:28 berufen, diesen Vers?
Weil das eine anderer Mythos ist.
Du zitierst die zweite Schöpfungsgeschichte. Entweder es ist ein Widerspruch oder eine andere Geschichte. Suchs dir aus.
Aus meinen Beiträgen ist doch zu erkennen, dass zwischen Gen 1:28 und Gen 2:15 kein Widerspruch besteht. Zumal Christen, die sich lediglich auf Gen 1:28 berufen, Rosinenpickerei betreiben. Aus jüdisch-christlicher Sicht gilt der Gesamtkontext, ganz gleich, ob es nun zwei Schöpfungsmythen sind oder nicht.

Es sei darauf hingegwiesen, dass ich unabhängig zum selben Verständnis gelangte, wie Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm in seinem Artikel Macht euch die Erde untertan! Ein Widerspruch zur Nachhaltigkeit. Darin nimmt er auch auf den Theologen Claus Westermann bezug:
Was bedeutet es, dass der Mensch sich die Erde „untertan“ machen und über alles „herrschen“ soll? Im alttestamentlichen Denken wird diese Herrschaft nicht als Willkür und Ausbeutung verstanden. Gemeint ist etwas anderes: „Ein Herrschaftsverhältnis“so Claus Westermann – „in dem der Herrscher nur Nutznießer seiner Untergebenen ist, ist im Alten Testament undenkbar. Es schließt immer in irgendeiner Weise ein Dasein für den Untergebenen ein“
Es geht also um die Frage, was unter „untertan machen“ und „herrschen“ verstanden wurde. Dazu heißt es im Artikel:
Dem Schöpfungsauftrag entspricht also die verantwortliche Sorge um das Gleichgewicht der Schöpfung. Er betrachtet die Natur nicht als Sache, die den Interessen des Menschen beliebig verfügbar gemacht werden könne. „Macht euch die Erde untertan“ aus dem ersten Schöpfungsbericht muss vom „Bebauen und Bewahren“ (Genesis 2, 15) des zweiten Schöpfungsberichtes her gelesen werden.
Auch diese Auffassung von mir wird hier geteilt.

Frei nach Zenger kann ich auch Gen 1:28 und Gen 2:15 in Form eines dramatischen Zusammenhangs in einem innerbiblischen Dialog rezipieren. Beide Verse sind schließlich gleich "heilig".
Zumal die Erde und alles auf ihr laut der Bibel Gottes Schöpfung ist. Wir Menschen sind aus biblischer Sicht folglich lediglich die Verwalter von Gottes Erde. Die Idee, Raubbau an Gottes Schöpfung zu begehen, ist völlig abwegig.

Pluto hat geschrieben:Wolltest du nicht eine andere Übersetzung von 1. Mose 1,28 bringen?
Mit Bezug auf Wikipedia und Prof. Ruth Lapide i.V.m. Pfr. Heinz Janssen führte ich zwei unabhängige Quellen für eine andere Ausdeutung des hebräischen Textes an. Inzwischen habe ich die Stelle gefunden, in der Ruth Lapide auf diese Bibelstelle eingeht.
Ergänzend verweise ich auf die Übersetzung von Prof. E. Zenger, einem der bedeutendsten Exegeten seiner Zeit, den ich sehr empfehlen kann.
Wenn Du magst, gibt doch mal als Suchparamter "Theologie-Examen" und "Zenger" ein.

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Warum übersehen sie die Bewahrung der Tiere in der Arche? Die Arche symbolisiert (sofern ich mich nicht sehr täusche) gem. der Exegese die Kirche und so sollte es unser jüdisch-christlicher oder "kirchlicher" Auftrag sein, die Schöpfung zu bewahren und nicht zu zerstören.
Das ist eine sehr ungewöhnliche Interpretation.
Die Sintflut wird allgemein als Symbol für Gottes Unzufriedenheit angesehen, und nicht als "Auftrag" die Erde zu schonen.
Ich nahm nicht auf die Sintflut bezug, sondern auf die Arche. Naturkatastrophen und göttliche Gerichte sind nicht die Angelegenheit des Menschen. Die Arche war aber ein göttlicher Auftrag für den Menschen. Die Arche kann als Symbol für die εκκλησία (ekklÄ“sía, Versammlung/Gemeinde) gedeutet werden, in der man vor der Finsternis, dem Chaos (in der Sintflut symbolisiert durch die Wasser) gerettet werden kann, wenn man durch die Tür in die Arche geht - man also auf Noah bzw. Jesus hört.
Noah bewahrte die Tierarten, Nimrod hingegen war als "gewaltiger Jäger vor² Jahwe" bekannt (s. Gen 10:9), wobei sich sein Jagen wohl nicht nur auf Tiere beschränkte.

²hebr.: liphnḗ, „zum Trotz“ od. „im Widerstand gegen“, gr.: enantíon, „gegen“

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Was ist das eigentlich für ein Arroganz, wenn sich angeblich Gläubige Menschen auf Mose beziehen und Raubbau an der Schöpfung Gottes betreiben?
Ja, das ist in der Tat Arroganz und zwar zutiefst christliche Arroganz.
Warst du schon mal in der "Bible Belt" im Mittleren Westen? Dort, und anderswo auf der Erde leben Millionen Christen, die genau das glauben. Und sie halten sich nicht für arrogant, weil sie in der Glaubensgewissheit sind, das Gott ihnen eine neue Erde schaffen wird.
Sie kennen ja auch Zenger nicht, noch haben sie anscheinend die hebräische Bibelexegese zur Kenntnis genommen.

Nichts alles ist Gold was glänzt. Ebenso ist es mit dem sog. Christlichem.

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Wenn wir uns nicht am Riemen reißen, wird die Natur dies für Gott erledigen. Gott übertrug denn Menschen die Verantwortung über die irdische Schöpfung, damit diese sie bebauen und bewahren.
Ja. Das wird die Natur früher oder später sowieso erledigen, denn auch die Art Homo sapiens wird nicht ewig leben.
Aus biolgischer Sicht spricht die Erdgeschichte dafür. Dies zeigt, dass wir Menschen Gott brauchen, um zu bestehen.

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
... "pfleglich und weise" soll der Mensch mit der ihm anvertrauten Erde umgehen – so die Übersetzung der jüdischen Theologin Ruth Lapide.
Das wäre in der Tat wünschenswert, aber das entspricht NICHT dem Bibeltext in 1.Mose 1,28.
Bist Du immer noch dieser Meinung?

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: Haut in die Tasten ... :)
Du klingst fast wie unser lieber Hemul. :lol:
Dies war eine Art Verbeugung vor unserem alten Fuhrmann. :)
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

Martinus
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#6 Re: Sollen wir uns die Erde UNTERTAN machen?

Beitrag von Martinus » Di 23. Jun 2015, 05:42

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Warum übersehen sie die Bewahrung der Tiere in der Arche? Die Arche symbolisiert (sofern ich mich nicht sehr täusche) gem. der Exegese die Kirche und so sollte es unser jüdisch-christlicher oder "kirchlicher" Auftrag sein, die Schöpfung zu bewahren und nicht zu zerstören.
Das ist eine sehr ungewöhnliche Interpretation.
Die Sintflut wird allgemein als Symbol für Gottes Unzufriedenheit angesehen, und nicht als "Auftrag" die Erde zu schonen.


Er schrieb "die Schöpfung bewahren", genau das war der Auftrag Noahs. Ungewöhnlich das du daraus "Auftrag die Erde zu schonen" lesen kannst.
Angelas Zeugen wissen was!

ThomasM
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#7 Re: Sollen wir uns die Erde UNTERTAN machen?

Beitrag von ThomasM » Di 23. Jun 2015, 10:03

Hallo Halman

Deine Anstrengungen in Ehre, aber ich sehe sie als zeitgeschichtlich bedingte Auslegung. Übersetzung bedeutet eben auch immer, Dinge so zu übersetzen, was man in dem alten Text lesen WILL.

In dem Zeitalter des 19. Jahrhunderts, in dem der Zeitgeist von den Möglichkeiten der modernen Technik fasziniert war und die Idee vorherrschte, dass der Mensch all das Unheil, was die Natur über Menschen bringt, besiegen kann, hat man in den Texten problemlos "Untertan machen" gelesen. Das wurde sehr wohl auch im Sinne von "umgestalten", "natürliche Kreisläufe verändern" usw. verstanden. Die Menschen hatten nicht nur kein Problem damit, sie waren regelrecht begeistert davon, mit Gottes Zustimmung die Natur zu verändern.

Der heutige Zeitgeist ist anders. Die Technik hat in den letzten Jahrzehnten ein paar Rückschläge erlitten, die Menschen haben gemerkt, dass menschliche Aktionen gegen die Natur sehr oft auch ihre Schattenseiten haben. Also steht der Zeitgeist heute auf grün. Es gilt, nicht mehr gegen die Natur zu arbeiten, sondern mit ihr. Die natürlichen Kreisläufe sind besser als die menschlichen.
Also tritt an die Stelle von "untertan machen" das Wort "bewahren".

Ich bin ein Kind dieser Zeit. Ich finde das "bewahren" auch besser. Insofern gibt es von mir kein Gegenargument.

Aber auch Bewahrung hat seinen Preis. Und wenn Christen in ihrem Eifer, die Bewahrung zu propagieren mit Kommunisten gemeinsame Sache machen, dann ist für mich die Grenze erreicht. Auch wenn die Versorgung der Menschen leidet (z.B. weil man Genfood ablehnt), dann ist zu fragen, was Vorrang hat: hungernden Menschen helfen oder der Natur ihren Lauf lassen.

Wie immer hat jede Münze zwei Seiten. Wir sollten uns bewusst machen, dass wir bei allem Wunsch, Gottes Reich bereits heute und hier sichtbar zu machen, daran scheitern werden, Gottes Reich heute und hier aufzurichten.

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

Pluto
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#8 Re: Sollen wir uns die Erde UNTERTAN machen?

Beitrag von Pluto » Di 23. Jun 2015, 10:06

Martinus hat geschrieben:Er schrieb "die Schöpfung bewahren", genau das war der Auftrag Noahs. Ungewöhnlich das du daraus "Auftrag die Erde zu schonen" lesen kannst.
Hilf mir auf die Sprünge... Deutsch ist nicht meine Muttersprache.
Worin besteht der Unterschied, zwischen "bewahren" und (für nachfolgende Generationen) zu "schonen"?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#9 Re: Sollen wir uns die Erde UNTERTAN machen?

Beitrag von Yusuke » Di 23. Jun 2015, 11:31

Guten Morgen zusammen,

Pluto hat geschrieben:Worin besteht der Unterschied, zwischen "bewahren" und (für nachfolgende Generationen) zu "schonen"?

Ich bin zwar nicht Martinus, aber das kann ich auch übernehmen. Im Grunde hast du Recht beide Wörter können grob betrachtet dasselbe bedeuten, nämlich ein Subjekt vor etwas zu schützen (schonen oder bewahren). Allerdings gibt es bei dem Wort "schonen" noch eine andere Bedeutung, nämlich das Subjekt für einen Gründ oder Zeitraum in Ruhe zu lassen (Bsp. "Dich werde ich verschonen"). Diese Bedeutung hat das Verb "bewahren" nicht, sondern steht meiner Meinung nach nur Synonym für "schützen".

Vermutlich ist es diese Ambivalenz des Wortes "schonen" die Martinus oder andere meinen?

Martinus hat geschrieben:Er schrieb "die Schöpfung bewahren", genau das war der Auftrag Noahs. Ungewöhnlich das du daraus "Auftrag die Erde zu schonen" lesen kannst.
Es ist ja nicht Plutos Sicht auf die Welt, sondern er hat ja nur auf die traditionelle Praxis der Kirchen verwiesen.

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#10 Re: Sollen wir uns die Erde UNTERTAN machen?

Beitrag von Pluto » Di 23. Jun 2015, 13:31

Yusuke hat geschrieben:Ich bin zwar nicht Martinus, aber das kann ich auch übernehmen. Im Grunde hast du Recht beide Wörter können grob betrachtet dasselbe bedeuten, nämlich ein Subjekt vor etwas zu schützen (schonen oder bewahren). Allerdings gibt es bei dem Wort "schonen" noch eine andere Bedeutung, nämlich das Subjekt für einen Gründ oder Zeitraum in Ruhe zu lassen (Bsp. "Dich werde ich verschonen"). Diese Bedeutung hat das Verb "bewahren" nicht, sondern steht meiner Meinung nach nur Synonym für "schützen".
Hi Artur,
Ich denke wir verstehen Beide was damit gemeint ist. Allerdings möchte ich auf den Text in 1.Mose 1,28 zurückkommen. Dort steht natürlich nichts von schonen, bewahren oder schützen.
Oft wird dieser Vers so ausgelegt, dass man ruhig die Erde ausbeuten darf und soll, denn der Herr Jesus wird nach seiner Wiederkunft eine neue erschaffen (Offenbarung 21.1).
Dies glauben viele (die Meisten?) fundamentalen Christen auf der ganzen Welt, also spielt es, so ihre Meinung, keine Rolle wie die alte Erde hinterlassen wird.

Dieser Glaube, über die Erde nach Gutdünken verfügen zu dürfen zieht sich durch alle abrahamitischen Religionen. Bei den fernöstlichen Religionen ist dies ganz anders: dort sieht sich der Mensch als Teil einer Schöpfung. Deshalb betreiben die Gläubigen in Fernost auch viel weniger Raubbau an der Erde als wir "Wessies".
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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