Laodizea hat geschrieben: ↑Sa 14. Sep 2019, 19:28
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dass es darum gehen soll die Unterschiede zum männlichen Geschlecht heraus zu arbeiten auf den Spuren des Schöpfers natürlich.
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Also Freunde, was unterscheidet uns von einander, aus Gottes Sicht, wie er uns gedacht und erschaffen hat
Hallo Laodizea,
Meine Meinung dazu ist diese:
Ja, es gibt Unterschiede zwischen "Männern" und "Frauen". Diese sind zum Teil biologisch und zum Teil sozial (angeboren versus anerzogen), und es ist extrem schwer die eine oder andere Ursache eines bestimmten Merkmals nachzuweisen.
Daher sind alle Diskussionen, die mit Alltagsbeobachtungen zu geschlechtspezifischen Eigenschaften argumentieren, letztlich wertlos, weil niemals klar ist ob die Beobachtung durch einen "natürlichen" Unterschied begründet ist oder durch das Rollenbild erst erzeugt wird.
Beispiel: "Mädchen spielen mit Puppen. Ich zum Beispiel habe gerne mit Puppen gespielt, und meine Freundinnen auch." Das wäre eine Beobachtung.
Aber dann ist die Frage der Begründung. WARUM spielen Mädchen mit Puppen?
Das Klischee dazu besagt, Mädchen würden gerne mit Puppen spielen, da sie so ihre natürlichen mütterlichen Gefühle ausdrücken können. Das ist aber nicht bewiesen - ebenso gut ist es möglich, dass die Mädchen von ihrem sozialen Umfeld mit Puppen versorgt und zum Spiel damit angeregt werden.
Solange man hier nicht auf einem präzisen Fachniveau diskutiert, die Daten vorhandener soziologischer und ethnologischer Studien zugrunde legt und kritisch bewertet, bleibt jede Debatte beliebig und oberflächlich und wird schnell zur reinen Projektionsfläche stupider Vorurteile.
Ich glaube kaum, dass dies im Sinne der weisen und guetigen Gottheit ist, die ja vielmehr jeden und jede von uns als Individuum geschaffen hat und jeden Menschen einzeln ansieht.
Nächster Punkt, es gibt auf der Welt aber nicht nur "Männer" und "Frauen", es gibt auch Menschen die kein eindeutiges biologisches Geschlecht haben, oder bei denen das soziale und das biologische Geschlecht verschieden sind. Auch die sind meiner Meinung nach in eben dieser Art von der Gottheit erschaffen.
In der menschlichen Gesellschaft aber fallen diese Menschen oft durch das Raster und muessen viel erleiden. Müssen sich diese Menschen gewaltsam in die eine oder andere Schubladepressen lassen, weil es unter Menschen leider nur zwei Schubladen gibt?
And die Christinnen und Christen: Stellt euch einmal den Rabbi Jesus vor. Stellt euch vor, da kommt eine besorgte Mutter zu ihm, ein Kind im Schlepptau.
Ihr kleiner Junge sei von einem Dämon besessen, befürchtet sie. Er wolle immer die Kleider seiner Schwester tragen, er helfe beim kochen und prügele sich nicht mit den Nachbarsjungen.
Wie, glaubt ihr, hätte Jesus von Nazareth auf dieses Kind reagiert? Mit Kritik, Anpassungsdruck und Ablehnung? Oder mit Liebe und Akzeptanz?
Uuuund dritter Punkt:
Was ich dagegen durchaus in Ordnung finde ist die Arbeit mit männlichen und weiblichen Archetypen. So etwas kann Halt und Orientierung geben.
Solche Archetypen gibt es in meiner Religion in grosser Zahl, und ich kann gerne von ihnen berichten, aber es sind halt alles heidnische Geschichten
Aber man darf niemals vergessen, dass ein Archetypus nur ein Gedankenkonstrukt ist, in gewissem Sinne eine überzeichnete Karikatur. Ein lebender, individueller Mensch vereinigt doch meistens Eigenschaften mehrerer, auch gegensätzlicher, Archetypen. Das gilt auch und besonders für Eigenschaften und Fähigkeiten, die in unserer Gesellschaft einem bestimmten Geschlecht zugeschrieben werden
Ich zum Beispiel:
- kann nicht gut einparken
- verwechsle nie links und rechts
- rede nicht gerne über meine Gefühle
- bin körperlich klein und eher schwach
- bin gut in Sprachen aber schlecht in Mathematik
- finde zwar manche Männer auch attraktiv, ziehe aber insgesamt Frauen vor (naja, inzwischen nur noch eine Frau. Ich bin verheiratet und wir leben monogam)
- kann mich mit Karte und Kompass sehr gut orientieren
- denke eher analytisch als intuitiv
Und nun? Mann oder Frau?
Ich will mich nicht durch die eine oder andere Rolle einschränken lassen, und ich will dies auch keinem anderen Menschen zumuten.
Zum Abschluss noch eine kleine Fallstudie zum Thema
Nehmen wir folgenden Satz:
"Männer können nicht schwanger werden, Frauen schon."
Klar, oder? Da ist kein Rollenbild, das ist einfach biologischer Fakt, oder?
Sollte man meinen...
Folgern wir daraus:
"Weil ich ein Mann bin kann ich nicht schwanger werden"
Tja, habt ihr schon mal bedacht, dass es trans- oder intersexuelle Personen gibt, die weibliche primäre Geschlechtsorgane besitzen, die aber ihrer eigenen Identität nach und in ihrem sozialen Umfeld als Männer leben? Was ist mit denen? Sind die keine echten Männer? Ab wann ist ein Mann ein echter Mann??
Verschwindend geringe Minderheit, könnte man dagegen halten: Man könne halt nicht jede schräge Ausnahme mit bedenken.
Nun gut. folgern wir aus dem zweiten Teil des Satzes:
"Ich kann schwanger werden, weil ich eine Frau bin"
Heißt das im Umkehrschluss:
"Wenn ich nicht schwanger werden kann bin ich keine Frau"?
Was ist mit denjenigen Frauen, die aus medizinischen Gründen nicht schwanger werden können? Da sind viele Schicksale und viel Leid, da etliche Frauen das Kinder kriegen als einen so wichtigen Teil ihrer Identität verinnerlicht haben: Und nun verzweifelt sind, weil sie sich ohne Kind nicht wie eine "richtige" Frau fühlen.
Und "Frau sein" ist ein so wichtiger Teil ihrer Selbstdefinition, dass das "Mensch sein", oder "Frau ohne Kind sein" sie nicht erfüllen kann.
Oder es mag auch solche Frauen geben, die wollen überhaupt nicht schwanger werden, aber ihr ganzes soziales Umfeld erwartet das und drängt sie dazu. Als ob man als Mensch irgendwie unvollständig oder kaputt wäre, wenn man nicht bestimmte, ans Geschlecht geknüpfte Verhaltensweisen erfüllt.
Meiner Meinung nach sollte man die pauschale Zuschreibung bestimmter geschlechtsspezifischer Stärken, Schwächen und Verhaltensweisen einfach ganz lassen, weil sie mehr Leid als Vorteil bringt, und sich von Anfang an auf den einzelnen Menschen konzentrieren.
liebe Gruesse
Mirjam