Guten Abend und ein frohes neues Jahr!
So, nachdem ihr hier mein Lieblingsthema einmal wieder ausgegraben habt, will ich auch mal wieder etwas schreiben.
Von mir kriegt ihr die Sichtweise der Archäologen und Historiker, weswegen R.F. eigentlich gleich weg hören kann (dass wir beide aufgrund unterschiedlicher Grundannahmen nicht überein kommen haben wir ja schon hier ausführlich erörtert:
viewtopic.php?f=20&t=5017 )
zum Thema "Wie waren damals Landschaft und Klima"
Nicht so sehr verschieden von der heutigen Situation. Die Umwandlung der Sahara von einer Savanne in eine Wüste war bereits 1000 Jahre früher weitgehend abgeschlossen.
Die klimatischen Verhältnisse lassen sich auch relativ gut nachvollziehen. Man kann z.B. Sedimente und Bodenprofile studieren, die Überreste von Fauna und Flora betrachten und sogar zeitgenössische Textzeugnisse heranziehen - ist also kein allzu großes Mysterium. Ich gehe daher davon aus, dass auch im fraglichen Jahrtausend (1500-500 v.Chr.) das Gebiet zwischen Nildelta und Palästina eine größtenteils karge und sehr trockene Landschaft war.
Im Detail konnten die Landkarten natürlich anders aussehen. Zum Beispiel: Quellen versanden, Flussläufe verlagern sich, die Küstenlinie des Deltas wird durch die Sedimente weiter ins Meer vorgeschoben...
zum Thema "Hätte man da nicht was finden müssen"
Nein. Müssen schon mal gar nicht.
Grundprinzip der Archäologie: Eine Abwesenheit von Beweisen ist kein Beweis der Abwesenheit.
Es kann enorm viele Überreste geben, die entweder durch die Umwelteinflüsse zerstört wurden oder schlicht noch nicht gefunden wurden.
Gut, wenn man von "Millionen von Menschen" ausgeht, dann ist das Fehlen archäologischer Spuren schon seltsam. Aber selbst eine Million Israeliten - Habt ihr mal überlegt, was das angesichts der bronzezeitlichen Bevölkerungsdichte für eine enorme Zahl ist? Was das an Logistik und Ressourcen erfordern würde, mit einer solchen Menge durch die Wüste zu ziehen? Wenn man Nutzvieh und Packtiere mitrechnet würde man ja allein viele Millionen Liter Trinkwasser pro Tag benötigen...
Eine kleinerer Stamm nomadischer Viehhirten dagegen ist archäologisch viel schwerer fassbar.
Welche Funde wären zu erwarten:
Hmm, Wüstennomaden in der Bronzezeit, von Ägypten kommend. Basierend auf meiner Kenntnis der damaligen Technologie und Kultur würde ich hauptsächlich diese annehmen:
Menschliche und tierische Überreste, Tongefäße und deren Scherben, Leder, Leinen und Wolle, geflochtene Matten und Körbe aus Pflanzenfasern, Holz (Griffe und Schäfte von Werkzeugen, Wagenteile, evtl. Möbel.). Kleinere Geräte und Schmuckperlen aus Horn und Tierknochen.
Ich gehe auch absolut konform mit der Überlegung "Wenn die seit langer Zeit in Ägypten ansässig waren, dann sahen die Alltagsgegenstände bestimmt typisch ägyptisch aus". Klingt plausibel, außer, die Israeliten hätten sich bereits damals streng abgegrenzt und eine eigene Handwerkstradition fortgeführt.
Messer und Werkzeuge aus Feuerstein eher weniger. Sie sind durch ihre gezielte Bearbeitung übrigens recht gut von natürlichen Kieseln zu unterscheiden. Die steinzeitliche Kunst der Feuersteinbearbeitung war aber in der Bronzezeit schon recht weitgehend verloren. Wenn wir für den Exodus sehr grob die Epoche um 1500-1000 v.Chr. annehmen, dann wäre Bronze das Hauptmaterial für Waffen und Werkzeuge. Hier und da vielleicht eine Eisenklinge. (je jünger das angesetzte Datum desto mehr Eisen. Die Technologie der Eisenverhüttung breitete sich gerade von Nordosten her in dieser Region aus)
Was davon würde erhalten bleiben?
Auf der Plus-Seite:
Wüstenklima bietet hervorragende Erhaltungsbedingungen, auch für organische Stoffe. Wenn das Material einmal ausgetrocknet ist, dann zersetzt es sich kaum mehr. Alle o.g. Materialien sind aus ägyptischen Funden in beachtlicher Zahl und z.T. hervorragendem Zustand bekannt.
Auf der Minus-Seite:
Metall und Holz waren wertvoll und wurden eher wiederverwendet als weggeworfen.
Funde wären vermehrt an Lagerplätzen zu erwarten, Lagerplätze (inklusive der im Thread erwähnten Latrinen) wären wiederum an Wasserstellen wahrscheinlich - sobald aber Feuchtigkeit im Spiel ist kann man die Erhaltung organischer Stoffe voll vergessen (außer man hat Sauerstoffabschluss).
Erosion zerstört Funde (ein Wüstenwind, der Sand mitführt, ist ein tolles Schmirgelpapier). Sedimentation und moderne Bebauung verdecken Funde.
Kadaver werden von Raubtieren und Insekten gefressen. Verlorene Wertgegenstände werden von folgenden Generation aufgesammelt.
Und im übrigen: der Sinai und die angrenzenden Gebiete bietet verdammt viel Platz und lässt sich nicht so einfach absuchen
Ergo: Das Fehlen eindeutiger archäologischer Befunde beweist nicht, dass der Exodus nicht stattfand. Archäologisch gesehen ist es durchaus möglich, dass einige tausend Leute 40 Jahre lang da herumzogen.
Soweit erst mal dazu.
liebe Grüße
Mirjam