PROGRESSIVES CHRISTENTUM

Nichtchristen sind willkommen, wir bitten aber darum, in diesem Forum keine Bibel- und Glaubenskritik zu üben.
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Andreas
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#1 PROGRESSIVES CHRISTENTUM

Beitrag von Andreas » Mi 7. Feb 2018, 13:14

In letzter Zeit entdecke ich interessante Dinge, die sich unter dem Oberbegriff "Progressives Christentum" zusammenfassen lassen. Einiges davon möchte ich hier mit Christen teilen und darüber diskutieren. Kennt ihr da im Internet noch weitere Anlaufstellen?

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Andreas
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#2 TIEFSEHTAUCHEN

Beitrag von Andreas » Mi 7. Feb 2018, 13:15

TIEFSEHTAUCHEN

FOLGE 1
JENS BÖTTCHER TRIFFT JENS BÖTTCHER


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Andreas
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#3 HOSSA TALK

Beitrag von Andreas » Mi 7. Feb 2018, 13:34

Hossa Talk ist ein Podcast der anfänglich alle zwei Wochen erschien. Mittlerweile kommt jede Woche eine neue Folge raus. Kommt ziemlich frech rüber, hat aber Tiefgang.

Was ist Hossa Talk?

Folge 1: Rettet facebook die Welt?

Alle Folgen auf einen Blick

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Opa Klaus
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#4 Re: PROGRESSIVES CHRISTENTUM

Beitrag von Opa Klaus » Mi 7. Feb 2018, 13:35

https://lotharlorraine.wordpress.com/20 ... ristentum/
Auszug:
Meiner Meinung nach beginnen sowohl das progressive als auch das liberale Christentum mit der Erkenntnis, dass es weder epistemologisch noch moralisch erlaubt ist, alles in unseren heiligen Lieblingsbüchern zu glauben, ohne sich zuerst einem Realitätscheck zu unterziehen.
Unser Glaube sollte immer neue Tatsachen aus der äußeren Welt und unseren unbestreitbaren moralischen Intuitionen mit offenen Armen empfangen, um unsere theologischen Lehren zu korrigieren und vielleicht sogar aufzugeben.
Wenn wir es nicht tun, können wir keine schlüssige Antwort auf Sam Harris Behauptung aufbringen, dass religiöse Menschen systematisch den Hals jedes rothaarigen Mädels abschneiden würden, falls Gott es in ihren heiligen Schriften befehlen würde.
Wohltätig ist des Geistes macht, wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht. Wer die Vernunft ausschaltet, findet im Dunkeln den Schalter zum Wiedereinschalten nicht mehr. http://www.prueter.eu

Novas
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#5 Re: PROGRESSIVES CHRISTENTUM

Beitrag von Novas » Mi 7. Feb 2018, 14:30

Sehr schön :) Jens Böttcher kenne ich. Er ist ein begabter Musiker und Dichter. Meiner Denkweise nach gehöre ich wohl selbst zum progressiven Christentum, aber ich lege keinen Wert auf solche Bezeichnungen. Eine Anlaufstelle kann ich Dir empfehlen: das Center for Action and Contemplation dort findest Du viele kostenlose Vorträge und Texte. Von Richard Rohr, Cynthia Bourgeault, James Finley, Thomas Merton und vielen weiteren relevanten Personen.

Provokant formuliert: in gewisser Weise müssen wir das Christentum hinter uns lassen, um mit Christus auf dem Weg zu sein. Er sagte nicht ganz grundlos: „Ich bin der Weg ... “ ein authentisches spirituelles Leben ist immer progressiv, weil sich auf dem Weg Inspiration ereignet. Etwas Neues wird aus der Konfrontation mit der lebendigen Wirklichkeit geboren.


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Andreas
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#6 Re: PROGRESSIVES CHRISTENTUM

Beitrag von Andreas » Mi 7. Feb 2018, 16:37

Meiner Meinung nach beginnen sowohl das progressive als auch das liberale Christentum mit der Erkenntnis, dass es weder epistemologisch noch moralisch erlaubt ist, alles in unseren heiligen Lieblingsbüchern zu glauben, ohne sich zuerst einem Realitätscheck zu unterziehen.
Unser Glaube sollte immer neue Tatsachen aus der äußeren Welt und unseren unbestreitbaren moralischen Intuitionen mit offenen Armen empfangen, um unsere theologischen Lehren zu korrigieren und vielleicht sogar aufzugeben.
Das ist eines, dass mir am progressiven Christentum gefällt: den Dialog wieder aufzunehmen, noch einmal nachzudenken und gegebenenfalls umzudenken. Ich kann aber auch verstehen, dass eher konservative Christen das nicht so gerne sehen, und diese Strömung vielleicht sogar als Bedrohung empfinden.

Mir scheint es so, als käme das Christentum durch diese neue Strömung langsam in die Pubertät um seine Exoduserfahrung zu machen, welche ja nicht ohne Konflikte mit den traditionellen Autoritäten zu bewältigen ist. Ich habe aber das Gefühl, dass diese Jugendlichen sich wirklich darum bemühen, die Plagen gering zu halten und vielleicht haben ihre Eltern mittlerweile auch die Größe dazu. Welche Eltern wollen denn nicht, dass ihr Nachwuchs irgendwann selbständig wird? Gehorsam ist anfänglich sicherlich notwendig, aber das Ziel ist letztendlich doch ein Leben in Freiheit - dazu gehört auch die Freiheit Vater und Mutter nicht aus Gehorsam sondern aus Liebe zu ehren.

Rilke
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#7 Re: PROGRESSIVES CHRISTENTUM

Beitrag von Rilke » Mi 7. Feb 2018, 17:05

Ist das progressive Christentum das gleiche wie ein liberales Christentum? Ich kann mir darunter nichts vorstellen und finde auch keine guten Quellen im Internet. Könnte mir jemand kurz erklären worum es hierbei geht?
Danke!
Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir, und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren in Ewigkeit, und niemand wird sie aus meiner Hand rauben. - Joh 10, 27-28

ThomasM
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#8 Re: PROGRESSIVES CHRISTENTUM

Beitrag von ThomasM » Mi 7. Feb 2018, 17:08

Andreas hat geschrieben: Das ist eines, dass mir am progressiven Christentum gefällt: den Dialog wieder aufzunehmen, noch einmal nachzudenken und gegebenenfalls umzudenken. Ich kann aber auch verstehen, dass eher konservative Christen das nicht so gerne sehen, und diese Strömung vielleicht sogar als Bedrohung empfinden.
Ich finde den Begriff "progressiv" ehrlich gesagt schlecht. Der Grund ist, dass dieser Begriff ein sozialistisch/kommunistischer Kampfbegriff ist, mit dem alle, die anders denken als rückständig und unmodern dargestellt werden. Es hängen so viele negative Emotionen und Assoziationen daran, dass ich ihn nicht verwenden will.

Dabei ist er auch unnötig.
Denn das Christentum erfindet sich in jeder Generation neu. Wir glauben heute anders als dies noch vor 30 Jahren der Fall war und die wiederum anders als vor 60, 100, 150 usw. Jahren. Durch die Änderung unserer Umwelt - politisch, technisch, kulturell - ändern sich ganz automatisch auch die Ansichten und Denkweisen der Mehrheit der Christen.

Das einzige Problem ist, dass das kaum jemand zugeben will.

Das Problem hat zwei Seiten. Da sind einmal die konservativ eingestellten Christen, die meinen, sie glauben so "wie früher und die Apostel es getan haben", weil sie sich vor der Verführung durch den Zeitgeist fürchten. Sie wollen nicht zugeben, dass der Zeitgeist einen viel höheren Einfluss auch auf sie ausübt, als sie eigentlich wollen, weil sich damit ihre Legitimation "wie die Apostel" in Luft auflöst.

Die zweite Seite sind Gegner des Christentums, die zum Teil längst vergangene Untaten aufführen, ohne zu beachten, dass diese im Lichte der damaligen Gesellschaft ganz anders zu bewerten wären. Aber sie bewerten diese lieber vom heutigen Standpunkt aus, weil damit dieser Glaube als besonders finster dasteht.

Eine Gegenseite zum konservativen Denken ist das allzu fortschrittliche. Schnell wird da das Kind mit dem Bad ausgeschüttet. Man muss sich eben in jeder Generation neu Gedanken darüber machen, was eigentlich die Essenz dessen ist, was man als christlichen Glauben bezeichnet. Sonst kommt es zu Fehlschlüssen, über die man dann später nur noch den Kopf schütteln kann.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

Novas
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#9 Re: PROGRESSIVES CHRISTENTUM

Beitrag von Novas » Mi 7. Feb 2018, 17:42

ThomasM hat geschrieben:
Andreas hat geschrieben: Das ist eines, dass mir am progressiven Christentum gefällt: den Dialog wieder aufzunehmen, noch einmal nachzudenken und gegebenenfalls umzudenken. Ich kann aber auch verstehen, dass eher konservative Christen das nicht so gerne sehen, und diese Strömung vielleicht sogar als Bedrohung empfinden.
Ich finde den Begriff "progressiv" ehrlich gesagt schlecht. Der Grund ist, dass dieser Begriff ein sozialistisch/kommunistischer Kampfbegriff ist, mit dem alle, die anders denken als rückständig und unmodern dargestellt werden. Es hängen so viele negative Emotionen und Assoziationen daran, dass ich ihn nicht verwenden will. Dabei ist er auch unnötig.
Denn das Christentum erfindet sich in jeder Generation neu. Wir glauben heute anders als dies noch vor 30 Jahren der Fall war und die wiederum anders als vor 60, 100, 150 usw. Jahren. Durch die Änderung unserer Umwelt - politisch, technisch, kulturell - ändern sich ganz automatisch auch die Ansichten und Denkweisen der Mehrheit der Christen.Das einzige Problem ist, dass das kaum jemand zugeben will

Ein progressives Christentum ist kein Kampfbegriff, sondern eine Notwendigkeit, welche sich aus dem Leben selbst ergibt. Alles Lebendige ist auf dem Weg; und das ist noch nicht mal gegen die Tradition gerichtet, denn diese kennt das Bild vom wandernden Gottesvolk.

Der Ausdruck wanderndes Gottesvolk geht ursprünglich auf den Kirchenvater Augustinus zurück. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verwendet die Theologie diesen Begriff, um ein konstitutives Moment im Selbstverständnis des biblischen Volkes Israel in wesentlichen Stadien seiner Geschichte zu bezeichnen. Israel erfährt im Alten Testament sich als von Gott erwählt auf dem Weg zu einem verheißenen Ziel. Dieses Ziel findet vielfache Gefährdungen, aber ungeachtet mancher Irrwege, Entbehrungen und Rückschläge erreicht die Wanderung mit Gottes Hilfe ihr Ziel.
Wikiledia

Im Zweiten Vatikanischen Konzil bezeichnete sich die Kirche als „ pilgerndes Gottesvolk“. Letztlich ergibt sich die Progression schon dadurch, dass wir die Reich-Gottes-Verkündigung Jesu ernst nehmen und auf unser Leben beziehen. Im Hinblick auf das Reich Gottes lebt der Mensch in einem Spannungsverhältnis zwischen dem „noch nicht“ und „schon jetzt“, wie es in der Eschatologie gesagt wird. Wenn Christen das Christentum nur reaktionär auslegen, dann verneinen sie damit die Reich-Gottes-Hoffnung, das Prinzip Hoffnung, welches auf die Zukunft hin offen ist.

Eine Gegenseite zum konservativen Denken ist das allzu fortschrittliche. Schnell wird da das Kind mit dem Bad ausgeschüttet. Man muss sich eben in jeder Generation neu Gedanken darüber machen, was eigentlich die Essenz dessen ist, was man als christlichen Glauben bezeichnet. Sonst kommt es zu Fehlschlüssen, über die man dann später nur noch den Kopf schütteln kann.

Ich persönlich würde das konservative und sogenannte fortschrittliche Denken nicht gegeneinander ausspielen. Sie ergänzen sich. Ob jemand das Eine oder das Andere bevorzugt ist auch abhängig von der Veranlagung des Einzelnen. Manche Menschen sind von Natur aus eher „konservativ“ oder „progressiv“; und man kann ihnem schwer einen Vorwurf machen, wenn sie im Einklang mit ihrer inneren Natur leben. In meinem Falle ist es offensichtlich: ich bin eher „progressiv“ und auch sehr glücklich und zufrieden damit :)
Zuletzt geändert von Novas am Mi 7. Feb 2018, 21:49, insgesamt 1-mal geändert.

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#10 Re: PROGRESSIVES CHRISTENTUM

Beitrag von Andreas » Mi 7. Feb 2018, 18:26

ThomasM hat geschrieben:Ich finde den Begriff "progressiv" ehrlich gesagt schlecht. Der Grund ist, dass dieser Begriff ein sozialistisch/kommunistischer Kampfbegriff ist, mit dem alle, die anders denken als rückständig und unmodern dargestellt werden. Es hängen so viele negative Emotionen und Assoziationen daran, dass ich ihn nicht verwenden will.
Ich habe diesen Begriff nie als politischen Kampfbegriff wahrgenommen - eher wertneutral, in die Zukunft ziehend oder drängend verstanden. Progressive Rock beispielsweise war in erster Linie innovativ, experimentell.
ThomasM hat geschrieben:Dabei ist er auch unnötig.
Irgendeinen Namen sollte das Kind schon haben, damit man es ansprechen kann. Was schlägst du alternativ vor - wie hätte ich dieses Christentum im Threadtitel von anderen abhebend denn nennen sollen?
ThomasM hat geschrieben:Denn das Christentum erfindet sich in jeder Generation neu. Wir glauben heute anders als dies noch vor 30 Jahren der Fall war und die wiederum anders als vor 60, 100, 150 usw. Jahren. Durch die Änderung unserer Umwelt - politisch, technisch, kulturell - ändern sich ganz automatisch auch die Ansichten und Denkweisen der Mehrheit der Christen.

Das einzige Problem ist, dass das kaum jemand zugeben will.
Ja, da gab es immer eine Bewegung, die teils von innen teils von außen angestoßen wurde. "Ecclesia semper reformanda est." (Kirche muss ständig reformiert werden.) Nun scheint mir das "progressive Christentum" aber keine kirchliche - auch keine "überkonfessionelle" (= evangelikale) sondern eher eine unkonventionelle bzw. "außerkonfessionelle" Glaubensveranstaltung - ohne Anstalt zu sein. Sind es nicht gerade die progressiven Christen, die den Mut haben, das zuzugeben und offen anzusprechen?

ThomasM hat geschrieben:Eine Gegenseite zum konservativen Denken ist das allzu fortschrittliche. Schnell wird da das Kind mit dem Bad ausgeschüttet. Man muss sich eben in jeder Generation neu Gedanken darüber machen, was eigentlich die Essenz dessen ist, was man als christlichen Glauben bezeichnet. Sonst kommt es zu Fehlschlüssen, über die man dann später nur noch den Kopf schütteln kann.
Dieses Spannungsfeld von Tradition und Fortschritt gibt es doch in allen Bereichen, seit es Menschen gibt. Statt da eine unversöhnliche Front aufzubauen, wäre ein christlicher (= liebevoller) Dialog eine Alternative. Die Progressiven machen auf mich keinen aggressiven oder gar "militanten" Eindruck. Sie riechen nicht nach Revolution, sondern eher nach einer sanften Reformationsbewegung.

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