Pluto hat geschrieben: ↑Sa 22. Dez 2018, 11:05
Die HKM geht nicht von einer Nicht-Existenz Gottes aus, sondern sie versucht möglichst unbeeinflusst, also agnostisch an die Bibel heran zu gehen.
Ich gebe zu, das funktioniert nicht immer.
Damit geht sie aber von der Unwirksamkeit Gottes in der Schrift und in der Welt aus - das ist das faktische Postulat seiner Nichtexistenz.
Pluto hat geschrieben: ↑Sa 22. Dez 2018, 11:05
Meiner Meinung nach sollten wir die Auslegung der Bibel den Agnostikern überlassen.
Meiner Meinung nach können wir die historische Deutung der Bibel den Agnostikern überlassen. Aber die Auslegung...?
Ich bin sehr interessiert an einer historischen Deutung von Goethes Faust. Aber die literarische Auslegung möchte ich dann doch lieber den Literaturwissenschaften überlassen.
Vielleicht gilt meine Kritik nicht so sehr der HKM per se als vielmehr einer hier in der Diskussion bevorzugten dogmatischen HKM, die im Wesentlichen darum kreist, ihre eigenen Voraussage zu bestätigen und eine Falsifizierung vorn vornherein kategorisch ablehnt. Wenn du als Physiker eine Untersuchung vornimmst, hats du immer zwei Optionen: deine Vorhersage stimmt oder sie stimmt nicht. Eine HKM, die das nicht ebenso handhabt, ist unwissenschaftlich.
Zudem halte ich es für fragwürdig, wenn die HKM aufgrund von Minimalbelegen von der Maximalannahme ausgeht.
Beispiele:
die HKM geht davon aus, dass es keine prophetischen Voraussagen geben kann. Daraus resultiert, dass wegen der Jesus-Voraussage über die Tempelzerstörung davon ausgegangen wird, dass diese Voraussage erst nach 70 - nach der Tempelzerstörung - nachträglich eingefügt wurde. Diese Prämisse zieht einen Rattenschwanz an Konsequenzen nach sich; sie bedeutet, dass die Evangelien in ihrem bekannten Bestand erst nach 70 auf uns gekommen seien. Damit hat man sich einen langen Zeitraum von 40 Jahren für mündliche Überlieferung geschaffen. Aus diesem vermuteten Umstand lässt sich dann auch jede weitere Darstellung in den Evangelien als nachträglich eingefügt postulieren. Überprüfbar ist das nicht - es folgt der Grundprämisse der angenommenen Spätdatierung.
Aber selbst wenn ich agnostisch argumentiere und Prophetie ausschließe, gäbe es mehrere andere Deutungsmöglichkeiten der Jesus-Voraussage von der Tempelzerstörung. Beispielsweise: Glückstreffer oder weise Voraussicht in Kenntnis der Vorgehensweise der Römer bei renitenten unterworfenen Völkern.
Zieht man solche Möglichkeiten in Erwägung, gibt es keinen Grund mehr für die Spätdatierung der Evangelien (zumal außerbiblische Quellen diese verneinen); damit gäbe es keinen Grund mehr für die Annahme einer längeren mündlichen Überlieferung und späterer Hinzufügungen. Damit bräche die Theorie in sich zusammen.
Die dogmatische HKM geht aber einen anderen Weg: sie wählt mit der Spätdatierung die Maximalprämisse aus. Wenn außerbiblische Quellen dem widersprechen, werden diese Quellen als unzutreffend bewertet. Damit folgt aber die Quellenkritik nicht einer internen und externen Evidenz, sondern einer Grundannahme bezüglich des zu erwartenden Ergebnisses. Das ist unwissenschaftlich und eigentlich unzulässig.