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Wer den Begriff muhammad anhand seiner Genese, Geschichte und Bedeutung untersuchen will, kann hierfür zunächst nicht den Koran, der ihn nur an vier Stellen erwähnt zur Grundlage nehmen. Zwar ist dieser nach muslimischer Tradition, seit dem 9. Jahrhundert, und auch nach Meinung der Mehrheit der Islamforscher schon zwischen 650 und 656 unter dem dritten Kalifen Osman zur heutigen Ganzschrift zusammengestellt worden; alle anderen Versionen wurden verboten.
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Der Begriff muhammad kommt in der zweiten Hälfte des 7. und in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts als Hoheitstitel Jesu auf Münzprägungen arabischer Herrscher und in Inschriften vor. Der christologische Würdename muhammad, nach späterem arabischem Verständnis „der zu Lobende/Preisende“ oder „der Gelobte/Gepriesene“, hat eine Vorgeschichte. Etwas später als der Begriff „Knecht Gottes“ (‚abdallah) findet sich zuerst, in persischer/syrischer Schrift, seit rund dem Jahr 40 H. (661 n.Chr.), MHMT auf Münzen im ostiranischen Raum.
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Wenn in diesem Raum (auch) syrisch gesprochen (und nicht nur geschrieben) wurde, könnte MHMT als syrisches Wort mhmt (MHMT, mehmat) aufgefasst werden. Das auslautende „t“ bei MHMT – statt „d“ (MHMD) – wäre dann auf eine Lautschreibung zurückzuführen8 und müsste mehmad („der Gepriesene“, „der Gelobte“) gelesen werden, in arabischer Aussprache des Syrischen mahmed (Machmed).
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Die arabische Bezeichnung muhammad setzt sich seit ‚Abd al-Malik im Gefolge der zunehmenden Arabisierung durch. Worauf schon die anfänglich eindeutige christliche Symbolik der Münzprägungen hinweist, die ein „islamisches“ Verständnis von machmed/muhammad verbietet, wird zur Gewissheit durch die Inschrift im Felsendom aus dem Jahr 72 (693) und die entsprechenden koranischen Materialien.13 Hier ist der Messias Jesus (Isa), der Sohn der Maria, muhammad, Knecht Gottes, Prophet, Gesandter, Logos und Geist Gottes. Zumindest bis in diese Zeit hinein, um 700, wahrscheinlich bis mindestens 750, ist vom muhammad Jesus die Rede.
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Somit entspricht muhammad der Würde Jesu, wie sie in der syrischen und syro-arabischen (vornizenischen) Christologie auf Münzprägungen, in der Inschrift des Felsendoms und im koranischen Material umschrieben wird: Jesus ist der Erwählte/Gepriesene (muhammad), der Messias (massiah), der Knecht Gottes (‚abdallah), der Prophet (nabi), der Gesandte (rasul), der Sachwalter Gottes (wali Allah), Logos und Geist Gottes.
Wie aber kam es dazu, dass im Lauf der Zeit aus dem muhammad Jesus der Prophet der Araber wurde?
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Auch in der judenchristlichen und in der syrisch-araÂbischen Christologie konnten die Hoheitstitel so faszinieren, dass die Gestalt Jesu zurücktrat. Dieser Prozess einer Interesseverlagerung auf die Würdenamen und ihre allmähliche LosÂlösung von ihrem geschichtlichen Katalysator Jesus, dem ursprünglichen Subjekt aller PrädiÂkaÂtionen, lässt sich historisch verifizieren und nachweisen.
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Danach aber treten diese leicht erkennbaren – wenn auch in der islamwissenÂschaftlichen Numismatik auf seltsame Weise fehlinterpretierten – christlichen Symbole bald zuÂrück zu Gunsten eines neuen Zeichens: Steinpyramiden, die nach Art nabatäischer und syrischer Stelen stufenförmig aufgeschichtet sind.
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Die Ersetzung der Kreuzesdarstellungen und vergleichbarer Symbole kann aber bei ‚Abd al-Malik keine Abwendung vom Christentum sein. Es bleibt nur, dass ein anderes christliches Programm – anders als das syrische, jakobitische und erst recht byzantinische Christentum – die Begründung der araÂbischen Kirche und ihres Reichs demonstrieren soll.
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Beide Symbolbereiche – Stein und Tempelgeräte – zeigen aber keine Rückkehr zum JudenÂtum an, sondern sind für ‚Abd al-Malik Charakteristika seines arabischen Christentums.
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Die im „Jahr der Araber“ 86/87 (707/708) erbaute „Omaiyadenmoschee“ in Damaskus war sicherlich ein christliches Bauwerk. Für den Neubau wurde die vorher dort befindliche Kirche ganz oder teilweise abgerissen. An der „Moschee“ ließ al-Walid eine programmatische Inschrift anbringen.
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Obwohl die wenigen Hoheitstitel (rasul und muhammad), wie die Ablehnung einer Teilhaberschaft für Allah und der „zitierte“ Segenswunsch zeigen, auf Jesus bezogen sind, wird „der Messias Jesus, der Sohn der Maria“, nicht wie im Felsendom ausdrücklich erwähnt. Ganz im Vordergrund steht die Titulatur, vergleichbar einem religiösen herrscherlichen Protokoll. Al-Walid nennt sich, wie auch schon sein Vater auf einem Meilenstein bei Tiberias und auf Münzen, „Knecht Gottes“.
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So wie muhammad und andere Begriffe dem Gedanken einer Teilhaberschaft Gottes oder einer Gottessohnschaft gegenüber gestellt werden, handelt es sich bei ihnen um ein theologisches und christologisches Programm, um die „richtige“ Gottesauffassung und Christologie. Welche Notwendigkeit hätte denn, wenn nicht Jesus gemeint gewesen wäre, bestanden, das Bekenntnis zum arabischen Propheten Mohammed der Teilhaberschaft für Gott oder der Gottessohnschaft, beides Beeinträchtigungen eines undifferenzierten Monotheismus (Monarchianismus), zu kontrastieren?
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Vielleicht bietet die Inschrift in Medina zum letzten Mal muhammad als (christologisches) Prädikat. Aber der konkrete Bezug zu Jesus scheint beinahe gänzlich hinter den Titulaturen zurückÂgetreten zu sein. Die Verknüpfung von muhammad mit den neuen Vorstellungen eines araÂbischen Propheten war dadurch möglich geworden.
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Kurz: Schon A. Sprenger war der Meinung, muhammad sei ein Prädikat, nicht der EigenÂnamen.
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Je mehr die aus der vornizenischen Christologie gebräuchlichen und zunehmend unverstandeÂnen Titel „Messias“, „Knecht Gottes“, Träger von „Wort“ und „Geist“ zurücktraten, rückten neben muhammad die beiden Titel „Prophet“ und „Gesandter“ in den Vordergrund. Muhammad ist der Gesandte Gottes und der Prophet, der am Anfang der neuen arabischen religiösen Bewegung stand: Mohammed, der Sohn des Abdallah.
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Die Ausbildung der Vorstellung von einem arabischen Propheten, auf den die koranischen Sprüche zurückgehen, kann durchaus noch in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts erfolgt sein, als offiziell noch Jesus das Subjekt der christologischen Prädikate in den Inschriften und auf Münzen war; ja, sie muss schon dann erfolgt sein, wie der Bericht des Johannes von Damaskus zeigt, der von Ma(ch)med wie von einer historischen Gestalt spricht und einige Suren (grafé) auf ihn zurückführt.
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Von daher wird wohl Mohammed, in einer ersten Phase – bis rund 750 -, zwar gelegentlich als historische Figur am Anfang der Bewegung gesehen, aber doch noch in einem Kontext mit dem ChristenÂtum.
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Im Verlauf der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts an aber gab es wohl, bis hin zu Johannes Damascenus, Hinweise auf ein Verständnis von muhammad als arabischer Prophet mit Namen Mohammed – die frühesten Zeugnisse einer Historisierung von muhammad.
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Erst relativ spät im 8. oder erst im frühen 9. Jahrhundert kommt die Vorstellung auf, die arabische Religion sei eine neue, nicht mehr christliche Religion (noch nicht als Islam bezeichnet). Im Zuge dieser Entwicklung wird dann aus muhammad, dem arabischen Propheten, der eigenständige VerÂkündiger einer neuen Religion, der die fälschliche Lehre von Juden und Christen in einer neuen Offenbarung zuÂrechtrückt und überbietet.
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Diese frühen Versuche aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts sind uns nicht mehr zugänglich. Die Mohammedbiographien sind alle im 9. und 10. Jahrhundert niedergeschrieben worden, die Sammlungen der Sunna im 9. Jahrhundert; aber sie dürften durchaus Quellen aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts benutzt haben, die sie – in ihrem Sinne konsequent – in die frühe Zeit „des Islam“, zu Gefährten, Verwandten und Frauen Mohammeds, zurückdatierten.