Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

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Andreas
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#121 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Andreas » Mo 4. Mär 2019, 15:44

Hier hab ich mir mal eine Exceltabelle gemacht, in der ich zusammenstellte, wie ganz unterschiedliche christliche Quellen die Abfassungszeiten der NT-Schriften datieren.
Die ersten sieben Spalten sind Quellen, die sich offiziell auf die Wissenschaft berufen. Du siehst, dass ich auch hier bei dieser Fragestellung kritisch (= vergleichend, unterscheidend) an die Sache herangehe und mir selbst einen Überblick "quer Beet" verschaffe.
Abfassung NT.PNG

PeB
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#122 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von PeB » Di 5. Mär 2019, 09:19

Andreas hat geschrieben:
Mo 4. Mär 2019, 15:29
PeB hat geschrieben:
Mo 4. Mär 2019, 06:54
Andreas hat geschrieben:
So 3. Mär 2019, 13:45
Ich frage mich nur, warum du dasselbe Phänomen nicht auch innerhalb des Urchristentums bzw. der "Alten Kirche" sehen willst.

Will ich das nicht sehen?? ;)
Okay, du siehst es also, aber ich habe den Eindruck, dass wir das unterschiedlich bewerten.
Vermutlich. Und das könnte mit der Datierungsfrage zusammenhängen.
Ich datiere die normierte Kirchenhierarchie spät. Insofern sehe ich keine "alte Kirche" (im Sinne einer machterhaltenden Amtskirche) bis - sagen wir - zur Mitte des 2. Jahrhunderts. Die Mechanismen, die du beschreibst, greifen nach meiner Auffassung noch nicht im 1. und im frühen 2. Jahrhundert.

Andreas hat geschrieben:
Mo 4. Mär 2019, 15:29
PeB hat geschrieben:
Fr 1. Mär 2019, 09:14
Kurz: ich plädiere lediglich dafür, wissenschaftliche Aussagen mindestens ebenso kritisch zu hinterfragen, wie man die schriftlichen Zeugnisse hinterfragt, die man mittels dieser wissenschaftlichen Aussagen in Zweifel ziehen will.

Da rennst du offene Türen bei mir ein. Denn ich betrachte die wissenschaftlichen Aussagen kritisch (im Sinne von vergleichen und unterscheiden). Der zweite Teil deines Satzes ist immer noch dieselbe ungerechtfertigte Unterstellung, dass wissenschaftliche Aussagen zum Ziel hätten, schriftliche Zeugnisse (des Glaubens der Bibelautoren) in Zweifel ziehen zu wollen.
Nun, wenn die Aussagen von Papias als Quelle in Zweifel gezogen werden, um einer wissenschaftlichen Meinung den Vorzug zu geben, ist das ein Willensakt zur Bezweiflung des Zeugnisses dieser Person (und derer die sich auf ihn beziehen):
Papias hat geschrieben: „Wenn aber irgendwo jemand, der den Presbytern [Aposteln] nachgefolgt war, kam, erkundigte ich [Papias] mich nach den Berichten der Presbyter: Was hat Andreas oder was hat Petrus gesagt, oder was Philippus oder was Thomas oder Jakobus oder was Johannes oder was Matthäus oder irgendein anderer der Jünger des Herrn; was Aristion und der Presbyter Johannes, (beide) des Herrn Jünger, sagen. Denn ich war der Ansicht, dass die aus Büchern (stammenden Berichte) mir nicht soviel nützen würden wie die (Berichte) von der lebendigen und bleibenden Stimme.“...
„Auch dies lehrte der Presbyter: Markus hat die Worte und Taten des Herrn, an die er sich als Dolmetscher des Petrus erinnerte, genau, allerdings nicht ordnungsgemäß, aufgeschrieben. Denn nicht hatte er den Herrn gehört und begleitet; wohl aber folgte er später, wie gesagt, dem Petrus, welcher seine Lehrvorträge nach den Bedürfnissen einrichtete, nicht aber so, dass er eine zusammenhängende Darstellung der Reden des Herrn gegeben hätte. Es ist daher keineswegs ein Fehler des Markus, wenn er einiges so aufzeichnete, wie es ihm das Gedächtnis eingab. Denn für eines trug er Sorge: nichts von dem, was er gehört hatte, auszulassen oder sich im Berichte keiner Lüge schuldig zu machen.“...
„Matthäus hat in hebräischer Sprache die Reden zusammengestellt; ein jeder aber übersetzte dieselben so gut er konnte.“
etc.

Akzeptierst du beispielsweise die Aussage, dass Markus als Dolmetscher von Petrus dessen Reden (in Form des Markus-Evangeliums) niedergeschrieben hat? Ich sehe jedenfalls keinen Grund, diese Quelle zu bezweifeln, um einer historischen Meinug den Vorzug zu geben.

Andreas hat geschrieben:
Mo 4. Mär 2019, 15:29
Die meisten Christenverfolgungen gingen von streng Bibelgläubigen aus.
Das ist nun auch eine Unterstellung, die Konsequenzen nach sich zieht, denn sie bedeutet: streng bebelfest=böse.
Ich glaube nicht, dass etwa die Medici-Päpste streng bibelfest waren. Die Verfolgungen gingen nach meiner Auffassung von streng egomanen Personen aus. :!:

Andreas hat geschrieben:
Mo 4. Mär 2019, 15:29
PeB hat geschrieben:
Mo 4. Mär 2019, 06:54
Eine konkrete Frage dazu könnte beispielsweise lauten: wird die Spätdatierung von der Wissenschaft wegen "hierarchischer Zwänge" in der Ur-Kirche präferiert oder wegen "hierarchischer Zwänge" in der eigenen Wissenschaft? :thumbup:
Die Wissenschaft präferiert keine Spätdatierung. Das ist wieder nur dein Vorurteil. Das eine Beispiel hat dich also nicht überzeugt. Ich bringe dir so viele, die das Gegenteil belegen, bis du "Halt" sagst:
Halt! ;)
Daran ist mir nicht gelegen.
Also einigen wir uns hier auf eine Frühdatierung?
Das ist ja schön! :)

Andreas hat geschrieben:
Mo 4. Mär 2019, 15:29
In der Forschung ist man sich heute relativ einig, dass das MkEv gegen 70 n. Chr. entstanden sein muss. Mk 13 (die markinische Apokalypse) wird meist als Indiz für die bereits erfolgte (bzw. kurz bevorstehende) Zerstörung des Tempels gelesen.
...vielleicht auch ein Indiz für die Voraussicht der Zerstörung des Tempels? ;)

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Andreas
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#123 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Andreas » Di 5. Mär 2019, 16:48

PeB hat geschrieben:
Di 5. Mär 2019, 09:19
Andreas hat geschrieben:
Mo 4. Mär 2019, 15:29
PeB hat geschrieben:
Mo 4. Mär 2019, 06:54


Will ich das nicht sehen?? ;)
Okay, du siehst es also, aber ich habe den Eindruck, dass wir das unterschiedlich bewerten.
Vermutlich. Und das könnte mit der Datierungsfrage zusammenhängen.
Ich datiere die normierte Kirchenhierarchie spät. Insofern sehe ich keine "alte Kirche" (im Sinne einer machterhaltenden Amtskirche) bis - sagen wir - zur Mitte des 2. Jahrhunderts. Die Mechanismen, die du beschreibst, greifen nach meiner Auffassung noch nicht im 1. und im frühen 2. Jahrhundert.
Der Begriff "Alte Kirche" hängt nicht von der Datierungsfrage ab. Für dich hier die Definition dieses Fachbegriffes, extra nicht aus einer von Antichristen unterwanderten Quelle, sondern aus einer reinen, pietistisch-evangelikal-bibeltreuen:
Burkhardt Helmut, Swarat Uwe: Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde, Wuppertal 1994 hat geschrieben:Alte Kirche

1. Überblick
Am Anfang der Geschichte der Alten Kirche steht die Verkündigung der Osterbotschaft durch die Jünger Jesu, an ihrem Ende im 6. Jh. konfessionell unterschiedliche Kirchen im zerfallenden Römerreich und seinen Nachfolgestaaten (vgl. Ägypten, Byzanz). Damit ergeben sich als Themen der Alten Kirche: die Ausbreitung des Evangeliums im röm. Reich und unter seiner Bevölkerung, die geistig-kulturelle Zusammenfassung der Welt in einem antiken Großreich mit einer bestimmten Einheitskultur (Verhältnis von Antike und Christentum), die »Christianisierung« dieses Reiches und seiner Gesellschaft, die Entwicklung von Institutionen, Frömmigkeit (in der Begegnung mit den vorgegebenen Religionen und Frömmigkeitsformen) und Theologie (vor allem in der Begegnung mit den phil. Strömungen, -›Patristik), schließlich die Frage nach der unterscheidenden Nicht-Identifizierung, die dem Christentum ein Weiterleben nach dem Fall des röm. Reiches gestattete und die zugleich die Frage nach der Identität der Jesus-Bewegung mit den unterschiedlichen Christentümern des 6. Jh.s stellt.
In diesem Sinne gebrauche ich diesen, auch in der gesamten angeblich "bibeluntreuen" Theologie verwendeten Fachbegriff.

PeB hat geschrieben:
Di 5. Mär 2019, 09:19
Andreas hat geschrieben:
Mo 4. Mär 2019, 15:29
PeB hat geschrieben:
Fr 1. Mär 2019, 09:14
Kurz: ich plädiere lediglich dafür, wissenschaftliche Aussagen mindestens ebenso kritisch zu hinterfragen, wie man die schriftlichen Zeugnisse hinterfragt, die man mittels dieser wissenschaftlichen Aussagen in Zweifel ziehen will.

Da rennst du offene Türen bei mir ein. Denn ich betrachte die wissenschaftlichen Aussagen kritisch (im Sinne von vergleichen und unterscheiden). Der zweite Teil deines Satzes ist immer noch dieselbe ungerechtfertigte Unterstellung, dass wissenschaftliche Aussagen zum Ziel hätten, schriftliche Zeugnisse (des Glaubens der Bibelautoren) in Zweifel ziehen zu wollen.
Nun, wenn die Aussagen von Papias als Quelle in Zweifel gezogen werden, um einer wissenschaftlichen Meinung den Vorzug zu geben, ist das ein Willensakt zur Bezweiflung des Zeugnisses dieser Person (und derer die sich auf ihn beziehen):
Papias hat geschrieben: „Wenn aber irgendwo jemand, der den Presbytern [Aposteln] nachgefolgt war, kam, erkundigte ich [Papias] mich nach den Berichten der Presbyter: Was hat Andreas oder was hat Petrus gesagt, oder was Philippus oder was Thomas oder Jakobus oder was Johannes oder was Matthäus oder irgendein anderer der Jünger des Herrn; was Aristion und der Presbyter Johannes, (beide) des Herrn Jünger, sagen. Denn ich war der Ansicht, dass die aus Büchern (stammenden Berichte) mir nicht soviel nützen würden wie die (Berichte) von der lebendigen und bleibenden Stimme.“...
„Auch dies lehrte der Presbyter: Markus hat die Worte und Taten des Herrn, an die er sich als Dolmetscher des Petrus erinnerte, genau, allerdings nicht ordnungsgemäß, aufgeschrieben. Denn nicht hatte er den Herrn gehört und begleitet; wohl aber folgte er später, wie gesagt, dem Petrus, welcher seine Lehrvorträge nach den Bedürfnissen einrichtete, nicht aber so, dass er eine zusammenhängende Darstellung der Reden des Herrn gegeben hätte. Es ist daher keineswegs ein Fehler des Markus, wenn er einiges so aufzeichnete, wie es ihm das Gedächtnis eingab. Denn für eines trug er Sorge: nichts von dem, was er gehört hatte, auszulassen oder sich im Berichte keiner Lüge schuldig zu machen.“...
„Matthäus hat in hebräischer Sprache die Reden zusammengestellt; ein jeder aber übersetzte dieselben so gut er konnte.“
etc.
Es gibt keine überlieferten Handschriften von Papias. Du zitierst hier also nicht Papias sondern das, was Euseb v. Cäsarea, in HE III 39 über Papias schreibt.

Warum zitierst du nicht auch, was Apollinaris von Laodicea über Papias geschrieben hat, um die Glaubwürdigkeit des Papias zu "untermauern"?
Apollinaris von Laodicea hat geschrieben:"Als ein abschreckendes Beispiel wandelte Judas in dieser Welt, dessen Leib so sehr anschwoll, daß er dort, wo ein Wagen [spielend] leicht hindurchgeht, nicht mehr durchkommen konnte, selbst nicht einmal die Masse seines Kopfe. Seine Augenlider schwollen, wie man sagt, so sehr an, daß er selbst einerseits das Licht überhaupt nicht mehr sah und daß man andererseits seine Augen selbst durch den Augenspiegel des Arztes nicht mehr sehen konnte; so tief lagen sie unter der Oberfläche. Sein Schamglied erschien widerwärtiger und größer als alle Schamteile [sonst auf der Welt]. Er trug Eiterströme an sich, die aus dem ganzen Körper flossen, und Würmer, die ihn schon wegen der [natürlichen] Bedürfnisse quälten. Als er, wie man sagt, nach vielen Qualen und Strafen auf seinem Grundstück elend zugrunde gegangen war, blieb das Stück Land wegen des Gestanks bis heute öde und unbewohnt, und bis heute kann sogar niemand an diesem Ort vorübergehen, ohne daß er sich mit den Händen die Nase zuhält. Soweit breitete sich das Ausströmen des Gestanks von seinem Körper auf der Erde aus."
Oder die legendarischen Wundergeschichten über die Papias "berichtete", wie Philippus Sidetes in Hist. eccl., Fragment in Cod. Baroccianus 142 über Papias schreibt?
Philippus Sidetes hat geschrieben:Papias erzählte im zweiten Buch, daß Johannes der Theologe und sein Bruder Jakobus von den Juden getötet worden seien. Der genannte Papias erzählt [ferner], daß er von den Töchtern des Philippus habe, daß Barsabas, der auch Justus heißt, unversehrt blieb, als er, von den Ungläubigen auf die Probe gestellt, im Namen des Christus Schlangengift trank. Er berichtet aber auch noch andere Wunder, ganz besonders von der Mutter des Manaimos, die von den Toten auferstanden sei, und von den Toten, die durch Christus von den Toten auferstanden, daß sie bis in die Zeit Hadrians lebten.
Und was jetzt? Wie sagtest du doch eben noch so schön? "Nun, wenn die Aussagen von Papias als Quelle in Zweifel gezogen werden, um einer wissenschaftlichen Meinung den Vorzug zu geben, ist das ein Willensakt zur Bezweiflung des Zeugnisses dieser Person (und derer die sich auf ihn beziehen)."
Hast du jetzt möglicherweise Lust auf einen Willensakt zur Bezweiflung bekommen, was das Zeugnis dieser Person (und derer die sich auf ihn beziehen) angeht? Falls nein? Warum nicht?

PeB hat geschrieben:
Di 5. Mär 2019, 09:19
Akzeptierst du beispielsweise die Aussage, dass Markus als Dolmetscher von Petrus dessen Reden (in Form des Markus-Evangeliums) niedergeschrieben hat? Ich sehe jedenfalls keinen Grund, diese Quelle zu bezweifeln, um einer historischen Meinug den Vorzug zu geben.
Na vielleicht siehst du ja jetzt selbst Gründe dafür, nicht alles, was "der Papias" "bezeugt" einfach mal so zu glauben - oder das von mir und anderen zu erwarten?

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Andreas
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#124 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Andreas » Di 5. Mär 2019, 19:06

PeB hat geschrieben:
Di 5. Mär 2019, 09:19
Andreas hat geschrieben:
Mo 4. Mär 2019, 15:29
PeB hat geschrieben:
Mo 4. Mär 2019, 06:54
Eine konkrete Frage dazu könnte beispielsweise lauten: wird die Spätdatierung von der Wissenschaft wegen "hierarchischer Zwänge" in der Ur-Kirche präferiert oder wegen "hierarchischer Zwänge" in der eigenen Wissenschaft? :thumbup:
Die Wissenschaft präferiert keine Spätdatierung. Das ist wieder nur dein Vorurteil. Das eine Beispiel hat dich also nicht überzeugt. Ich bringe dir so viele, die das Gegenteil belegen, bis du "Halt" sagst:
Halt! ;)
Daran ist mir nicht gelegen.
Du möchtest dein Vorurteil also behalten. Okay, das kann ich aushalten.
PeB hat geschrieben:
Di 5. Mär 2019, 09:19
Also einigen wir uns hier auf eine Frühdatierung?
Das ist ja schön! :)
Nö. Ich weiß das doch nicht, und wie ich schon sagte: Für meinen Glauben spielt es keine Rolle, ob das MkEv vor oder nach 70 geschrieben wurde. Ich kann mit beiden Ansichten leben.

Wozu soll das gut sein, dass wir uns beide auf eine Frühdatierung einigen? Was bringt es denn, jemandem einzubläuen, das er alles in "der Bibel" glauben müsse, bevor er sie liest? Glaubt er dann der Bibel oder dem Eingebläuten? Ich finde es sogar dem Glauben abträglich andere so unter Druck zu setzen und sie permanent zur Abgabe gelogener Zeugnisse zu nötigen: "Glaubst du das so, wie es in der Bibel steht - ODER ETWA NICHT?".

Was soll der Quatsch? Derjenige weiß doch bei vielem gar nicht, wie er es selbst versteht, oder versteht es tatsächlich nicht. Warum soll er etwas glauben müssen, was er nicht versteht? Wer bitte hat denn alles verstanden, was in der Bibel steht? Du etwa? Ich jedenfalls nicht.

Das erinnert mich an Finanzderivate die man andrehen will, die der andere beim Kauf mit seiner Unterschrift "bezeugen" soll, obwohl weder er noch man selbst verstanden hat, was da drin steht. Die Kirche ist doch kein Bazar.

PeB hat geschrieben:
Di 5. Mär 2019, 09:19
Andreas hat geschrieben:
Mo 4. Mär 2019, 15:29
In der Forschung ist man sich heute relativ einig, dass das MkEv gegen 70 n. Chr. entstanden sein muss. Mk 13 (die markinische Apokalypse) wird meist als Indiz für die bereits erfolgte (bzw. kurz bevorstehende) Zerstörung des Tempels gelesen.
...vielleicht auch ein Indiz für die Voraussicht der Zerstörung des Tempels? ;)
Jain, denn selbst wenn man von der "kurz bevorstehenden" Zerstörung des Tempels ausgeht, muss keine prophetische Gabe im Spiel sein, um mit solch einer Aussage richtig zu liegen. Beispielsweise dann, wenn man sieht, mit wie vielen Truppen die Römer anmarschieren und welche Verwüstungen sie dabei schon angerichtet haben.

Das hier spricht für eine Frühdatierung:
Manchen Autoren sind die Anspielungen auf das Ende Jerusalems zu unspezifisch, um als vaticinium ex eventu gelten zu können. Würde wirklich bereits zurückgeblickt auf die Tempelzerstörung, wäre mit deutilicheren Bezügen zu rechnen.
vaticinium ex eventu (Lat.) Weissagung aus dem schon eingetroffenen Ereignis (die dann zurückdatiert wird).

Das hier spricht gegen eine Frühdatierung:
Andere erkennen diese gerade im Bezug auf die »Zerstörung der großen Gebäude«, da die die Templeplattform selbst nicht zerstört wurde.

Das ist ein anders gelagertes Argument gegen eine Frühdatierung:
Ein Plus für die Zeit kurz nach 70 ergibt sich aus einer gattungskritischen Beobachtung: Die Frage der Jünger nach Zeichen und Zeitpunkt des Endes (Mk 13,4) weist in apokalyptischen Schulgesprächen auf die Sitaution einer enttäuschten Naherwartung (E. Brandenburger). Diese Enttäuschung dürfte im Urchristentum mit dem Ende des Tempels zusammenhängen.
Also unterschiedliche Begründungen die für jeweils unterschiedliche Ansichten stehen. Weder Prof. Dr. Gerd Häfner, noch ich haben ein Problem damit, das auszuhalten. Ob Häfner ein Antichrist ist oder ob sein Glaube an Gott deinen Ansprüchen genügt, kannst du anhand seines Blogs LectioBrevior oder seiner Predigten prüfen.

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Münek
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#125 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Münek » Mi 6. Mär 2019, 01:22

closs hat geschrieben:
Mo 4. Mär 2019, 09:09
Münek hat geschrieben:
So 3. Mär 2019, 23:24
Es war doch gerade die UNWISSENSCHAFTLICHKEIT der von Ratzinger favorisierten "glaubensbasierten kanonischen Exegese", die es verhinderte, dass sie in den theologischen Fakultäten Fuß fassen konnte.
Aber doch nur aus Sicht einer ganz bestimmten SChule, die ihre Pfründe nicht verlieren will.
Diesen Unsinn glaubst Du doch selbst nicht. Deine Ausreden/Ausflüchte werden immer grotesker.

closs hat geschrieben:Wissenschafts-philosophisch kann man Theologie zur Wissenschaft zählen oder auch nicht - je nach Definition.
Eine "Wissenschaft", deren Methodik auf die nicht falsifizierbare Existenz transzendenter Welten und Geistwesen SETZT, ist KEINE Wissenschaft. Die Dogmen der katholischen Kirche gründen nicht auf wissenschaftlichen Untersuchungen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
So 3. Mär 2019, 23:24
Forschungsobjekte waren und sind nach wie vor die biblischen Schriften.
Ähm - ja. - Aber die Forschungs-Gegenstände sind unterschiedlich - der eine untersucht mehr äußere historische Geschehenisse in der Geschichte, der andere mehr innere spirituelle Geschehnisse in der Geschichte.
Das scheinst Du wirklich zu glauben. Deine laienhafte Feststellung bezeugt lediglich Deine Inkompetenz. Die Herren Dunning und Kruger lassen herzlich grüßen. :wave:

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
So 3. Mär 2019, 23:24
Wird sie ja nicht. :)An ihrer klaren Aussage gibt es nichts zu deuteln. Es sei denn, man leidet unter dem Dunning-Kruger-Syndrom.
Dann hatte die Kommission halt ein Dunning-Kruger-Syndrom.
Klar - nicht unser Closs liegt mit seinem Verständnis daneben, sondern die inkompetente "Päpstliche Bibelkommission".

:lol: :lol: :lol:

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
So 3. Mär 2019, 23:24
Du weißt doch genau, dass die "Päpstliche Bibelkommission" eine "spirituelle" Schriftinterpretation" AUSDRÜCKLICH ablehnt.
Mein Gott.
Du darfst "Münek" zu mir sagen.

closs hat geschrieben:das bezieht sich doch nur auf die Basis-Disziplin HKE (Bodenplatte). - Dafür wird sie gebraucht: Als Grundlage für die Deutung im Sinne von "Was hat Jesus geistig gemeint und gedacht".
Davon ist in dem päpstlichen Dokument über die Exegese nicht einmal andeutungsweise die Rede.

Die historisch-kritische Exegese ist auf gar KEINEN Fall eine BASIS-Diziplin. Sie ist die theologische Diziplin, in deren ausschließlichen Zuständigkeits- und Kompetenzbereich die Auslegung biblischer Texte fällt. Danach kommt exegesemäßig NICHTS mehr.


Ich weiß, diese Erkenntnis schmerzt und will partout nicht wahrgenommen werden. Was folgt, ist der psychische Abwehrprozess, den man "Verdrängung" nennt - bei Dir gepaart mit der hartnäckigen Weigerung, Dich endlich mal über die HKE fachkundig zu machen.

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#126 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Münek » Mi 6. Mär 2019, 04:07

closs hat geschrieben:
Mo 4. Mär 2019, 09:09
Münek hat geschrieben:
Mo 4. Mär 2019, 00:16
Auf keinen Fall - dieser Begriff ist Deine persönliche Wortschöpfung.
Es ist eine Konkretisierung dessen, was hier offensichtlich nicht verstanden wird. - Lindemann MUSS "historisch" wissenschaftlich meinen, wenn er als Wissenschaftler spricht.
Du solltest Dir Deine persönlichen Wortschöpfungen wie "historisch-kritischer/methodischer" Jesus verkneifen. Das stiftet nur Verwirrung. Die HKM untersucht den "historischen" Jesus wie sie andere Personen der Zeitgeschichte als "historische" Personen untersucht.

Geschichtswissenschaftler untersuchen nicht den "historisch-kritisch/methodischen" ALEXANDER DEN GROSSEN, sondern die historische Gestalt des berühmten Makedoniers - und zwar anhand antiker Textquellen - unter Anwendung der historisch-kritischen Auslegungsmethode. Seine Ab-
stammung vom Göttervater Zeus (so der Geschichtsschreiber Plutarch) wird als historische Möglichkeit wohl eher nicht in Betracht gezogen. :)

Bei glaubensbasierter Textanalyse der Historiker sähe es freilich anders aus... :)

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
Mo 4. Mär 2019, 00:16
"Historisch-kritisch" IST eine Auslegungsmethode. Eine METHODE der Auslegung.
Und damit Teil dessen, was man im Sinne der Wissenschaft "historisch" nennt.
:roll: Klar hat diese Methode in der Vergangenheit ihren Ursprung genommen - wie jede andere Methode auch... :roll:

Die "historisch-kritische Exegese" ist insofern eine HISTORISCHE Methode, als sie davon ausgeht, dass die zu untersuchende Textgestalt
eine lange, teils mündliche, teils schriftliche Vor-GESCHICHTE hat.

AUSSERDEM soll speziell das historische und THEOLOGISCHE Umfeld des Autors zur Zeit des Schreibens erhellt werden, also etwa die im betreffenden biblischen Buch zum Ausdruck kommende THEOLOGIE (Wiki).


closs hat geschrieben:Aber das schließt doch nicht aus, dass meinetwegen die kanonische Exegese bei geistigen Fragestellungen mit Ergebnissen näher an dem ist, was vor 2000 Jahren wirklich geschehen ist.
Mir sind "Ergebnisse" der sog. kanonischen Exegese nicht bekannt. Welche meinst Du?

Nee nee. Bekannt sind Zeugnisse der Evangelisten, die ihren persönlichen Glauben Jahrzehnte nach Jesu Tod zu Papier gebracht haben. Es steht jedermann frei, diese Glaubenszeugnisse historischen Fakten gleichzusetzen.


Wissenschaft will, kann und tut das aus naheliegenden Gründen nicht.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
Mo 4. Mär 2019, 00:16
Wie wenig Du von dieser Auslegungsmethode verstehst, hat Dir Andreas erst kürzlich in mehreren sehr gut begründeten Beiträgen
Punkt für Punkt vor Augen geführt.
Das war ein bißchen anders
Es war überhaupt nicht anders, sondern genau so, wie ich schrieb. Andreas´ recht harsche Kritik war notwendig. Ich habe seine Beiträge sehr sorgfältig gelesen - und musste ihm in allen Punkten recht geben.

Er hat - wie seinerzeit Matthäus - Deine Defizite und Mängel in Sachfragen sowie in Deinem Umgang mit Kritik klar und deutlich aufgezeigt.

closs hat geschrieben:denn SEINE Auffassung ist ziemlich nahe an dem, was ich von früher als "historisch-kritisch" kenne.
Meines Wissens hast Du zu Studienzeiten nie BIBELEXEGESE betrieben. Das wäre Voraussetzung, um hier kompetent mitreden zu können.

Andreas´massive Kritik beinhaltet U.A. Deine fachliche Inkompetenz in HKE-Fragen.

closs hat geschrieben:Das Problem liegt bei "Euch", die ihr die HKE nicht als Basis-Exegese ZUM spirituellen Bibel-Verständnis versteht, sondern meint, mit der HKE wäre die Bibel umfassend interpretiert.
So ist es. Nach der historisch-kritischen Exegese kommt exegesemäßig nichts mehr. Wenn Du Dich spirituell sattessen willst, dann begebe Dich an die reichlich gedeckte Tafel der katholischen Dogmen. Hier kannst Du schlemmen bis zum Abwinken.

Die geistig karge Kost der wissenschaftlichen Bibelforschung ist nichts für Dich. :)

closs
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#127 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von closs » Mi 6. Mär 2019, 08:46

Münek hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 01:22
Diesen Unsinn glaubst Du doch selbst nicht.
Natürlich glaube ich das. "Wissenschaft" ist eine Definitionssache - Janina und Pluto sagen bspw., dass "Wissenschaft" nur dann besteht, wenn Vorannahmen falsifizierbar sind - so ist es in der Tat in den Naturwissenschaften. - Andere sagen, dass Vorannahmen NICHT falsifizierbar sein müssen - das findet man oft in den Geisteswissenschaften. - Wenn man nun Janinas/Plutos Auffassung auf Geisteswissenschaften überträgt, ist die kanonische Exegese in der Tat unwissenschaftlich (die HKE ist es auch, aber nur mit Vorannahmen, die allgemein akzeptiert sind). - Und damit kann man dann sagen "Kanonische Exegese = unwissenschaftlich" - das ist ein Machtspiel.

Münek hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 01:22
Eine "Wissenschaft", deren Methodik auf die nicht falsifizierbare Existenz transzendenter Welten und Geistwesen SETZT, ist KEINE Wissenschaft.
Geisteswissenschaftlich ist sie das, weil es nicht um die Falsifizierbarkeit der Vorannahmen, sondern um die Art der Untersuchung ("Wissenschaftlichkeit") geht.

Münek hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 01:22
Deine laienhafte Feststellung bezeugt lediglich Deine Inkompetenz.
Jetzt bist Du wieder überfordert und scherst aus. - Der Grund ist ein anderer: Wir haben unterschiedliche Vorannahme und interpretieren deshalb unterschiedliche. - Zur Sache: Eine Disziplin (HKE), die selber betont, nicht spirituell denken zu können, kann zwar distanziert Spirituelles analysieren, aber nicht verstehen. - Oder: Meinst Du etwa, dass "Exegese" nur Analyse, nicht aber echtes Verstehen bedeutet?

Münek hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 01:22
nicht unser Closs liegt mit seinem Verständnis daneben, sondern die inkompetente "Päpstliche Bibelkommission".
Weder noch - die Kommission war sehr kompetent, wird aber absichtlich oder aus Unvermögen falsch verstanden.

Münek hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 01:22
Sie ist die theologische Diziplin, in deren ausschließlichen Zuständigkeits- und Kompetenzbereich die Auslegung biblischer Texte fällt. Danach kommt exegesemäßig NICHTS mehr.
Das mag strukturell oder analytisch, also distanziert, so sein, haut aber substantiell ganz sicher nicht hin. - Wenn exegesemäßig nach der HKE nicht mehr kommt, dann steht Exegese nicht für substantielles Verstehen.

Münek hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 01:22
Ich weiß, diese Erkenntnis schmerzt und will partout nicht wahrgenommen werden. Was folgt, ist der psychische Abwehrprozess, den man "Verdrängung" nennt - bei Dir gepaart mit der hartnäckigen Weigerung, Dich endlich mal über die HKE fachkundig zu machen.
Du hockst auf dem falschen Dampfer. - Weder ich noch Leute wie Ratzinger oder wie ein Großteil der großkirchlichen Theologie werden "erkennen", dass Du recht hast - dazu werden sie sich nicht "fachkundig" machen. - Denn unter "fachkundig" verstehst Du die Akzeptanz eines säkularen Verständnisses der Bibel-Substanz. - Das mag historisch-wissenschaftlich, also un-spirituell, funktionieren, aber nicht substantiell.

Münek hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 04:07
Du solltest Dir Deine persönlichen Wortschöpfungen wie "historisch-kritischer/methodischer" Jesus verkneifen. Das stiftet nur Verwirrung.
Soll es auch - denn irgendwie muss es geschafft werden, dass "methodische ERgebnisse" und "was tatsächlich der Fall war" nicht weiterhin verwechselt werden. - Bei echten Profis sage auch ich nur "historisch", weil ich weiß, dass dann die Gesprächspartner wissen, dass dies methodisch gemeint ist.

Münek hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 04:07
Geschichtswissenschaftler untersuchen nicht den "historisch-kritisch/methodischen" ALEXANDER DEN GROSSEN, sondern die historische Gestalt des berühmten Makedonier
Natürlich - aber sie tut es auf methodische Weise (was ja überhaupt kein Vorwurf ist). - Das Problem hier im Thread: Wenn man methodisch und wirklich verwechselt, versteht man nicht, warum bspw. die Kerygmatik in Fragen wie "Wie dachte und was meinte Jesus vor 2000 jahren?" näher am wirklichen Jesus vor 2000 Jahren sein kann als die historischen Wissenschaften.

Münek hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 04:07
AUSSERDEM soll speziell das historische und THEOLOGISCHE Umfeld des Autors zur Zeit des Schreibens erhellt werden, also etwa die im betreffenden biblischen Buch zum Ausdruck kommende THEOLOGIE (Wiki).
Schon richtig - aber WOMIT erhellt? Doch mit dem Urteil derer, die es erhellen (hermeneutische Vorannahmen). - Konkret: Wie soll jemand, der persönlich glaubt, dass "Einhorn" und "Gott" kategorial dasselbe sind, etwas Substantielles in der Bibel erhellen? - Was er kann: Er kann analysieren, dass Paulus an Einhörner - tschuldigung: Gott - glaubte und damit dieses oder jenes gemeint hat.

Nun ist Theißen Christ, für den Einhorn und Gott NICHT dieselbe Kategorie ist - privat. - Aber methodisch ist es so, wenn es "wissenschaftlich" sein soll (methodischer Atheismus). - Nichts dagegen einzuwenden, aber halt nur bedingt einsetzbar, wenn es um die Substanz der Bibel geht.

Münek hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 04:07
Nee nee. Bekannt sind Zeugnisse der Evangelisten, die ihren persönlichen Glauben Jahrzehnte nach Jesu Tod zu Papier gebracht haben.
Absolut ok - und solche Zeugnisse beschreibt man wissenschaftlich distanziert - aber INTERPRETIEREN kann man sie nur sehr beschränkt, weil diese Zeugnisse spiritueller Natur sind.

Münek hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 04:07
Andreas´ recht harsche Kritik war notwendig.
Andreas ist da - da brauchen wir nicht ohne ihn zu reden.

Münek hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 04:07
Meines Wissens hast Du zu Studienzeiten nie BIBELEXEGESE betrieben. Das wäre Voraussetzung, um hier kompetent mitreden zu können.
Literatur-Exegese ist dasselbe in grün. Richtig ist, dass man da nicht "Exegese" sagt, sondern unterscheidet zwischen "Werkinterpretation" (= Substanz) und "Rumedum" (Biografisches, Historisches, Quellen, etc.). Das war bei uns Alltag. - Deshalb gehöre ich zu den wenigen, die hier kompetent mitreden können. :lol:

Zum Mitschreiben: Das, was Du "Exegese" nennst, war bei uns "Rumedum" - einerseits unverzichtbar für das Gesamt-Verständnis, andererseits selber ohne Substanz.

Münek hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 04:07
Die geistig karge Kost der wissenschaftlichen Bibelforschung ist nichts für Dich.
Doch - sie ist unverzichtbare Grundlage. - Sie ist wie Reis in der Paella: Man braucht ihn als Grundlage, aber den eigentlichen Geschmack machen Fisch, Hähnchen und Gewürze. - Und Reis und sonst nix ist in der tat "karge Kost".

PeB
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#128 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von PeB » Mi 6. Mär 2019, 09:20

Andreas hat geschrieben:
Di 5. Mär 2019, 16:48
Der Begriff "Alte Kirche" hängt nicht von der Datierungsfrage ab. Für dich hier die Definition dieses Fachbegriffes, extra nicht aus einer von Antichristen unterwanderten Quelle, sondern aus einer reinen, pietistisch-evangelikal-bibeltreuen:
Burkhardt Helmut, Swarat Uwe: Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde, Wuppertal 1994 hat geschrieben:
In diesem Sinne gebrauche ich diesen, auch in der gesamten angeblich "bibeluntreuen" Theologie verwendeten Fachbegriff.
Nein, das tust du nicht. Du hast die "alte Kirche" in der folgenden Konnotation gesehen und definiert:
Andreas hat geschrieben:
So 3. Mär 2019, 13:45
Du beschreibst hier völlig richtig, das Problem von hierarchischen Strukturen innerhalb der Wissenschaft, und wie es darin zu Moden verschiedener Schulen kommt.
Ich frage mich nur, warum du dasselbe Phänomen nicht auch innerhalb des Urchristentums bzw. der "Alten Kirche" sehen willst.
Und diese Form der "manipulativen Kirche", der man gerne und unter Applaus alles in die Schuhe schieben will, sehe ich im 1. und 2. Jahrhundert nicht. Das ist meine Aussage. Im 1. und 2. Jahrhundert ist die Gemeinde geprägt von Personen, die sich um eine authentische Überlieferung bemühen. Meine Überzeugung. Nenne es von mir aus ein Vorurteil.

Andreas hat geschrieben:
Di 5. Mär 2019, 16:48
Es gibt keine überlieferten Handschriften von Papias. Du zitierst hier also nicht Papias sondern das, was Euseb v. Cäsarea, in HE III 39 über Papias schreibt.
Das ist richtig. Und nun? Wer hat also gelogen: Papias oder Eusebius?
Das ist ein gutes Argument - wenn man es darauf anlegt, Papias als Einzelquelle zu diskreditieren.
Es ist ein schlechtes Argument, wenn man daraus eine allgemeingültige Regel für die kritische Geschichtsforschung machen will. Denn was du hier als vermeintlichen "Ausnahmefehler" zur Diskreditierung des Papias anführst, ist in Wirklichkeit die Regel bei antiken Quellen: ich lehne mich wohl nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass KEINE antike Quelle uns im Original vorliegt, sondern sie alle nur in Abschriften, oder wie hier: in Einzelzitaten, zugänglich sind. Mit diesem Argument muss im Grunde die gesamte Antike aus den Geschichtsbüchern herausgerissen werden. Der gallische Krieg hat wohl nie stattgefunden, denn die ältesten Abschriften von Caesars Werk stammen aus dem Mittelalter.

Zudem: als Eusebius den Papias zitierte, musste dieser noch als überprüfbare Quelle vorgelegen haben (sonst hätte er ihn nicht zitieren können). Unwahrscheinlich, dass Eusebius den überprüfbaren Papias falsch zitiert und sich damit dem offenkundigen Vorwurf der Lüge aussetzt.

Andreas hat geschrieben:
Di 5. Mär 2019, 16:48
Warum zitierst du nicht auch,[...]Falls nein? Warum nicht?
Zurück zu "de bello gallico"; warum zitieren wir nicht zur Untermauerung der Unglaubwürdigkeit Caesars folgendes:
Iulius Caesar - de bello gallico hat geschrieben:Es gibt noch ein anderes Tier, das man Elch nennt. Seiner Gestalt nach ist es wenig von einem Reh verschieden, ebenso buntscheckig, nur etwas größer und mit abgestumpften Hörnern; seine Beine sind ohne Knöchel und Gelenke. Dieses Tier legt sich deshalb beim Schlafen nicht nieder und kann, wenn es durch einen Zufall umgeworfen wird, sich auch nicht wieder aufhelfen und auf die Beine kommen. Die Bäume dienen ihm als Ruheplätze; an diese stützt es sich, und so, nur ein wenig angelehnt, schläft es. Merken nun die Jäger aus der Spur, wo ein solches Tier gewöhnlich ruht, so untergraben sie an dieser Steile entweder alle Bäume an den Wurzeln oder hauen den untersten Stamm so weit aus, daß es ganz so aussieht, als ständen sie noch fest. Wenn nun das Tier seiner Gewohnheit nach sich anlehnt, so wirft es durch seine Schwere den angehauenen oder untergrabenen Baum um und stürzt selbst mit ihm zu Boden.
Wenn du die Glaubwürdigkeit von Caesar untergraben möchtest, dann zitiere genau das! Beim Papias machst du das doch auch.

Andreas hat geschrieben:
Di 5. Mär 2019, 16:48
PeB hat geschrieben:
Di 5. Mär 2019, 09:19
Akzeptierst du beispielsweise die Aussage, dass Markus als Dolmetscher von Petrus dessen Reden (in Form des Markus-Evangeliums) niedergeschrieben hat? Ich sehe jedenfalls keinen Grund, diese Quelle zu bezweifeln, um einer historischen Meinug den Vorzug zu geben.
Na vielleicht siehst du ja jetzt selbst Gründe dafür, nicht alles, was "der Papias" "bezeugt" einfach mal so zu glauben - oder das von mir und anderen zu erwarten?
Ja nun? Was jetzt? Bezeugt Papias hier nun etwas oder wird er von anderen falsch zitiert? Entscheide dich!

Mein lieber Andreas, du bezichtigst mich, Vorurteile zu pflegen:
Andreas hat geschrieben:
Di 5. Mär 2019, 19:06
Du möchtest dein Vorurteil also behalten. Okay, das kann ich aushalten.
Dabei halte ich mich nach guter alter Historikersitte zunächst einmal an die Schriftquellen, die du nach alter Kritikersitte zunächst einmal verwirfst.
Sind es nicht in Wirklichkeit deine Vorurteile, von denen wir sprechen und die ich bei der HKM genauso kritisiere?
Wenn du z.B. Papias Aussage zur Autorenschaft der Evangelien verwirfst, weil Papias nicht im Original, sondern nur in Zitaten erhalten ist, warum greifst du dann mit dem gleichen Argument nicht auch Caesar, Arrian, Livius, Tacitus etc. an?

Schau mal hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_der_Gro%C3%9Fe
Ein Riesenartikel über Alexander den Großen. Erinnerst du dich noch an deinen Geschichtsunterricht in der Schule? Wie viele Wochen waren wir da mit Alexander beschäftigt? Und was es da alles zu berichten gab! 333 - bei Issos Keilerei, der gordische Knoten etc.; alles Dinge, die ins Allgemeinwissen übergegangen sind.
Wann hat Alexander gelebt?
356-323 VOR Christus.
Und wann wurde er niedergeschrieben?
im 2. Jahrhundert NACH Christus - unter Berfufung auf Quellen, die nicht erhalten sind!!!

Also: nach deiner Prämisse aus den Geschichtsbüchern herausreißen?

Pluto
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#129 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Pluto » Mi 6. Mär 2019, 09:29

closs hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 08:46
"Wissenschaft" ist eine Definitionssache - Janina und Pluto sagen bspw., dass "Wissenschaft" nur dann besteht, wenn Vorannahmen falsifizierbar sind - so ist es in der Tat in den Naturwissenschaften. - Andere sagen, dass Vorannahmen NICHT falsifizierbar sein müssen - das findet man oft in den Geisteswissenschaften. - Wenn man nun Janinas/Plutos Auffassung auf Geisteswissenschaften überträgt, ist die kanonische Exegese in der Tat unwissenschaftlich (die HKE ist es auch, aber nur mit Vorannahmen, die allgemein akzeptiert sind). - Und damit kann man dann sagen "Kanonische Exegese = unwissenschaftlich" - das ist ein Machtspiel.
Nein. Wissenschaft ist wenn ganz ohne Vrannahmen (ergebnisoffen) das real Beobachtete bestätigt wird oder nicht (falsifiziert).
Das hat mit Machtspiel nichts zu tun, sondern mit beobachten Vorgängen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 01:22
Eine "Wissenschaft", deren Methodik auf die nicht falsifizierbare Existenz transzendenter Welten und Geistwesen SETZT, ist KEINE Wissenschaft.
Geisteswissenschaftlich ist sie das, weil es nicht um die Falsifizierbarkeit der Vorannahmen, sondern um die Art der Untersuchung ("Wissenschaftlichkeit") geht.
Es gibt in der "Geisteswissenschaft" viele Dinge und Vorgänge die nicht hinterfragt werden dürfen. Man nennt diese Dinge Dogmen. Das macht die "Geisteswissenschaft" unwissenschaftlich.

closs hat geschrieben:Meinst Du etwa, dass "Exegese" nur Analyse, nicht aber echtes Verstehen bedeutet?
Analyse bedeutet immer auch Verstehen und Schlüsse ziehen.

closs hat geschrieben:Weder ich noch Leute wie Ratzinger oder wie ein Großteil der großkirchlichen Theologie werden "erkennen", dass Du recht hast - dazu werden sie sich nicht "fachkundig" machen. - Denn unter "fachkundig" verstehst Du die Akzeptanz eines säkularen Verständnisses der Bibel-Substanz. - Das mag historisch-wissenschaftlich, also un-spirituell, funktionieren, aber nicht substantiell.
"Subsantiell" und "Spirituell" sind in diesem Kontext Unwörter. Entweder man versteht etwas, oder nicht. Die agnostische HKE is die einzig zielführende Methode zur Untersuchung von Texten. Damit will ich sagen: Man muss immer ergebnisoffen an Texte herangehen, und nicht spirituell. Nur so kann der wahre Sinn eines Textes erkundet werden.

closs hat geschrieben:Soll es auch - denn irgendwie muss es geschafft werden, dass "methodische ERgebnisse" und "was tatsächlich der Fall war" nicht weiterhin verwechselt werden.
Wenn die Methode richtig gewählt wird, dann ist das Ergebnis auch der Fall.

closs hat geschrieben:Das Problem hier im Thread: Wenn man methodisch und wirklich verwechselt, versteht man nicht, warum bspw. die Kerygmatik in Fragen wie "Wie dachte und was meinte Jesus vor 2000 jahren?" näher am wirklichen Jesus vor 2000 Jahren sein kann als die historischen Wissenschaften.
Das glaube ich weniger.
Was Jesus wirklich vor 2000 Jahren meinte, kann NUR durch die historische Methode erforscht werden. Alles andere ist Wunschdenken.

closs hat geschrieben:und solche Zeugnisse beschreibt man wissenschaftlich distanziert - aber INTERPRETIEREN kann man sie nur sehr beschränkt, weil diese Zeugnisse spiritueller Natur sind.
Ich bezweifle, dass man dazu annehmen muss, Jesus sei göttlich.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#130 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von closs » Mi 6. Mär 2019, 10:11

Pluto hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 09:29
Wissenschaft ist wenn ganz ohne Vrannahmen (ergebnisoffen) das real Beobachtete bestätigt wird oder nicht (falsifiziert).
Du hast doch selber eingeräumt, dass Bedingungen einer Untersuchung deren Ergebnisoffenheit NICHT beeinträchtigen (Bsp: Man nimmt Blut ab und misst nur Entzündungswerte)

Pluto hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 09:29
Es gibt in der "Geisteswissenschaft" viele Dinge und Vorgänge, die nicht hinterfragt werden dürfen.
"Hinterfragt" schon, aber nicht "falsifiziert" werden KÖNNEN.

Pluto hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 09:29
Man nennt diese Dinge Dogmen.
Nein - Du verwendest hier die Proll-Bedeutung von "Dogma" - zumal es in der Literaturwissenschaft (um die es ja AUCH geht, wenn man von "Geisteswissenschaft" spricht) eh keine "Dogmen" gibt.

Pluto hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 09:29
Das macht die "Geisteswissenschaft" unwissenschaftlich.
Das ist dann der Fall, wenn man Geisteswissenschaft nach dem Maß der Naturwissenschaft misst. - Aber das macht kaum einer - stelle Dir vor: Die Hälfte der Unis müsste dann ausgeräumt werden.

Pluto hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 09:29
Analyse bedeutet immer auch Verstehen und Schlüsse ziehen.
Ja - aber doch nur auf Ebene ihrer Bedingungen. - Siehe Bsp. oben: Wenn Du Blut nur auf die Entzündungswerte untersuchst, kannst Du nichts über monozyten aussagen.

Pluto hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 09:29
"Subsantiell" und "Spirituell" sind in diesem Kontext Unwörter. Entweder man versteht etwas, oder nicht.
Nee - so einfach ist es nicht. - "Verstehen" tut man bestenfalls das, was man nach seinen Bedingungen untersucht - im obigen Bild: Die HKE macht kein großes Blutbild, sondern identifiziert lediglich die Entzündungswerte.

Pluto hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 09:29
Die agnostische HKE is die einzig zielführende Methode zur Untersuchung von Texten.
Was das Rumedum angeht, ganz sicher richtig - was die Substanz der Texte selbst angeht, nur sehr bedingt.

Pluto hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 09:29
Man muss immer ergebnisoffen an Texte herangehen, und nicht spirituell.
Die Gegenüberstellung ist falsch. - Man könnte genau so fälschlicherweise sagen: "Man muss immer ergebnisoffen an Texte herangehen, und nicht historisch-kritisch".

Pluto hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 09:29
Wenn die Methode richtig gewählt wird, dann ist das Ergebnis auch der Fall.
Nein - wenn Du nur Entzündungswerte untersuchst, hast Du kein großes Blutbild.

Pluto hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 09:29
Was Jesus wirklich vor 2000 Jahren meinte, kann NUR durch die historische Methode erforscht werden.
Das ist definitiv mega-falsch. - Denn die HKE untersucht, was die JÜNGER gemeint haben - also auch fälschlich gemeint haben. Die HKE kann also nur dafür stehen, was die Wirklichkeit der Jünger vor 2000 jahren war.

Auch die Analyse, welche Jesus-Aussagen authentisch seien und welche nicht, nützt nichts, weil man diese Aussagen je nach EIGENER Hermeneutik vollkommen unterschiedlich interpretieren kann. - Nimm den satz: "Das himmlische Königreich wird sehr bald kommen, sage ich, Jesus".

Die HKE wird vermutlich damit die Meinungen der Jünger korrelieren, zeitgenössische Glaubensbilder miteinbeziehen, usw. und dann sagen: "Da diese Aussage als authentisch nachgewiesen ist, meint Jesus damit, dass das himmlische Reich haptisch auf Erden sinken wird und meinetwegen die Römer vertreiben wird". - Pluto würde hinzufügen "Wenn die Methode richtig gewählt wird, dann ist das Ergebnis auch der Fall".

Der spirituelle Mensch wird sagen können: "Klar ist diese Aussage authentisch (das wissen wir von der HKE und dafür brauchen wir sie auch) - aber das ist gesamt-kanonisch ganz anders gemeint. Hier geht es um die Nähe des Gottesreiches durch den Kreuzestod Jesu - diese tritt selbstverständlich sehr schnell ein, nämlich 33 n.Chr (dem Todesjahr Jesu)". - Der spirituelle Mensch wird hinzufügen: "Natürlich gilt das nur, wenn Jesus auch göttlich war - wenn nicht, hat die HKE recht".

Umgekehrt müsste die HKE sagen: "Natürlich gilt UNSER Ergebnis nur, wenn Jesus nur menschlich war - wenn wir uns täuschen, haben andere Exegesen recht und nicht wir. - Es ist eigentlich ganz einfach.

Pluto hat geschrieben:
Mi 6. Mär 2019, 09:29
Ich bezweifle, dass man dazu annehmen muss, Jesus sei göttlich.
Mindestens muss man annehmen, dass Gott eine entität unabhängig von unseren Vorstellungen ist.

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