Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

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closs
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#661 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von closs » Fr 5. Apr 2019, 19:41

sven23 hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 17:47
Es ist aber naheliegend, dass man mit wissenschaftlicher Methodik näher an die historische Wahrheit kommt als mit Glaubensideologie.
Klar - aber darum geht's ja nicht.

sven23 hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 17:47
closs hat geschrieben: ↑
Fr 5. Apr 2019, 17:06
Zumindestens ist es nicht so sehr der Fall, dass auch nur EIN Dogma der RKK aufgrund HKE-Erkenntnissen gestrichen werden müsste.

Wenn man alle Forschungsergebnisse ignoriert und sich in die eigene Tasche lügt, ist das wohl so.
Sachlich falsch.

sven23 hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 17:47
Die Forschung geht ergibnisoffen an die Texte heran.
Das macht JEGLICHE Forschung. - Auch eine andere Exegese tut das, nur unter anderen Vorannahmen als die HKE. - Jeder kann nur Output im Rahmen seines Inputs bekommen. - Du bist hier auf einem irrweg.

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sven23
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#662 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von sven23 » Fr 5. Apr 2019, 20:08

Roland hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
sven23 hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 15:28
Nee, Wunder zeichnen sich eben dadurch aus, dass sie Naturgesetze durchbrechen. Niemand kann übers Wasser laufen (außer der Jesusechse :lol:), niemand kann von den Toten auferstehen und Wasser in Wein verwandeln geht auch nicht per Fingeschnipsen.
Du und ich können das nicht. Wenn es aber einen Schöpfer gibt, der die Naturgesetze geschaffen hat, kann der das selbstverständlich. Das zu leugnen, wäre schlicht absurd. Und da niemand weiß, wo die Ordnung in der Natur herkommt, sie eigentlich selbst ein Wunder ist, stehen wir vor der Glaubensfrage: Hat sie jemand intelligent erschaffen, oder ist sie das Ergebnis eines zufälligen Knalls?
Was davon ihm plausibler scheint, muss jeder selbst entscheiden.
Eben, es ist nun mal höchst unplausibel, rein literarische Wunder für echt zu halten. Wundertaten wurden von vielen antiken Personen behauptet. Warum sollen die unglaubwürdiger als die biblischen sein?

Roland hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
sven23 hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 15:28
Wenn man die biblischen Wunder richig einorden und bewerten will, muss man das mythische Weltbild der Antike berücksichtigen, wie Bultmann richtig sagt.
Da hat ihm das positivistische Weltbild des 19 Jahrhunderts, für das alles "mythisch" ist, was man nicht wissenschaftlich beweisen kann, einen Streich gespielt. Ein Weltbild, das spätestens seit Popper mausetot ist. Bultmanns Aussage, dass man nicht mehr an Wunder glauben könne, weil es Radioapparate gibt, mutet heute eher lächerlich an. Die messbare Seite der Welt, das sagen Philosphen des 21. Jahrunderts, ist nicht die Welt, sie ist die messbare Seite der Welt!
Das ändert ja nicht daran, dass es keine Wunder gibt, außer in der Literatur.

Roland hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
Schlechter Vergleich. Dass etwas aus der Ordnung gerät ist die normale Tendenz. Dass etwas wieder in Ordnung kommt, eher nicht.
Stimmt nicht, denn die meisten Krankheiten heilen wieder aus.


Roland hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
sven23 hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 15:28
Roland hat geschrieben:
Mo 1. Apr 2019, 13:14
Eine treffende Beschreibung, wie man aus Jesus einen irrenden Apokalyptiker macht. Man setzt zuvor, dass er nicht göttlich ist
Nein, man thematisiert die Göttlichkeit gar nicht, weil man das eh nicht überprüfen kann. Ein kleiner, aber feiner Unterschied.
Nein, das ist dasselbe. Die Texte sagen, dass er göttlich ist
Ja dann muss es ja stimmen. :lol:

Roland hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
– und man interpretiert sie, ohne auf dieses Thema einzugehen. Hat also die wichtigste Information unterschlagen. Wenn man Texte interpretiert und dabei die wichtigste Information einfach unter den Tisch fallen lässt, kann man nur zu schrägen Ergebnissen kommen.
Dann gilt das für alle Götter, die schriftlich beschrieben wurden. Was soll das bringen?

Roland hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
sven23 hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 15:28
Der "ganze Rest" kam ja erst posthum zustande.
:lol: Die Texte kamen alle postum zustande.
In der Tat, aber es gibt Unterschiede im Überlieferungsgut, sowohl inhaltlich als auch zeitlich.

Roland hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
sven23 hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 15:28
Laut den Textquellen hat er sich ja geirrt.
Das ist laut der Textquellen, wie gesagt, auszuschließen.
Eben nicht.

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Gerd Theißen

Roland hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
sven23 hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 15:28
Den Irrtum bekommt man ja nicht weggeleugnet, auch wenn später entstandene Textquellen das versucht haben. Aber gerade diese nachträglichen Relativierungsversuche haben sie entlarvt.
Vergiss es einfach.
Nee, die Forschung kann es nicht einfach vergessen, nur weil es nicht in den Kram paßt.
Das können sich nur die Glaubensideologen leisten, aber die müssen ja auch nicht wissenschaftlichen Ansprüchen genügen.


Roland hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
:lol: Meinst du "die Forschung", die apriori davon ausgeht, dass Jesus nur ein irrender Wanderprediger war? Dann würde es Sinn machen, wenn Jesus im Vater-unser selbst betet "und vergib uns unsere Schuld".
Tja, so ist es nun mal. Jesus ließ sich ja als sündiger Mensch von Johannes dem Täufer taufen. Das führte natürlich später in den Gemeinden zu Irritationen. Da mußten sich die Schreiber was einfallen lassen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

SilverBullet
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#663 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von SilverBullet » Fr 5. Apr 2019, 20:48

“PeB“ hat geschrieben:Ich weiß nicht, ob das tatsächlich so "nachweislich" ist wie du behauptest.
zitat-Wiki:
Das hebräische Wort rûaḥ (רוּחַ) kommt im Tanach 378 Mal vor. An bestimmten Stellen wird das Wort mit ‚Geist‘ übersetzt. Die Grundbedeutung von rûaḥ ist ‚Wind‘ und ‚Atem‘. In griechischen Übersetzungen des Tanach ist die Übersetzung als Pneuma zu finden

zitat-Wiki:
Das Pneuma (von griechisch πνεῦμα pneÅ©ma, „Geist“, „Hauch“, „Luft“, „Atem“, vergleiche etwa Pneumologie oder Pneumatik) weist Bezüge zum Geist auf. So kann Hagion Pneuma als Heiliger Geist übersetzt werden.

 „Wird mit Geist übersetzt“ und „weist Bezüge zu Geist auf“.

Tatsache ist, dass zwei völlig unterschiedliche Wörter aus zwei getrennten Sprachen in Richtung Luftphänomene zeigen und „übersetzt“ werden mit „Geist“, einem Wort bei dem nicht klar ist, um was es gehen soll.

=> Die „Übersetzung“ mit „Geist“ kommt einer Behauptung gleich, mehr nicht. Das fällt nicht auf, solange jeder mitspielt und ausruft „ach ja genau Geist“ und damit „die Kleider des nackten Kaisers bewundert“, aber in Bezug auf die antiken Texte (und es gibt hierzu auch andere Texte als die Bibel) stellen Luft/Wind/Hauch/Atem definitiv einen Fehler dar.

Das ist peinlich, aber eine Wissenschaft muss sich dem stellen und dann auch durchgreifen.

“PeB“ hat geschrieben:Sondern? Was steht da?
Und die falsche Übersetzung ist außer dir keinem der originalsprachlich bewanderten Bibelforschern aufgefallen?
Da steht ein Text.
Ein Text ist ein Text, ist ein Text.
Es wird nie etwas anderes sein.
Du hast keine „Auferstehung“, keine „Himmelfahrt“, sondern einen Text – das ist Fakt.

Der Text enthält eine Geschichte, die zu seiner Verbreitung beitragen soll, das ist auch Fakt.

Es ist auch Fakt, dass in den ältesten Textfragmenten Wörter für Luft/Wind/Hauch/Atem verwendet werden, zu denen danach festgelegt wurde, dass es nicht um Luft/Wind/Hauch/Atem gehen soll, sondern um „Geist“ (Motto: „die können nichts anderes gemeint haben“), ohne sagen zu können, was „Geist“ sein soll.

Es ist auch Fakt, dass zu dem erzählten Auftauchen/Verschwinden/Wiederkehren und Wiederverschwinden eines Gottes(?) im Dienste des Geschichtenerzählens nichts von dir kommt.

Fakt ist zudem, dass das Luft/Wind/Hauch/Atem-Rätsel gelöst ist und es somit eine Konsequenz zu diesen alten Wörtern geben müsste (die antiken Kulturen haben sich geirrt), aber man weigert sich und verwendet das Wort „Geist“, zu dem man lediglich Luft- und Körperzusammenhänge liefern kann und will damit das Rätsel aufrechterhalten, die alten Geschichten „müssen ja die Wahrheit sein“.

“PeB“ hat geschrieben:Hat gut funktioniert, solange ich oder andere noch mit dir darüber streiten.
Naja, dir ist klar, dass dieser „Streit“ in alter Zeit sehr schlecht für mich ausgegangen wäre.

Wieso verschwindet ein „auferstandener“ Gott(?), so dass es Streit gibt?

Du weigerst dich offensichtliche Zusammenhänge in den Mittelpunkt zu stellen.

“PeB“ hat geschrieben:Ein Bericht?
Ein Bericht von einer unsichtbaren Schöpfermacht, die in einem lokalen Hinterland als Mensch erscheint, ein Wunder-Theater aufführt (wobei es "Wunder" sind, die nichts hinterlassen), dann geopfert wird, verschwindet, wieder erscheint, die Geschichtenverbreitung in Auftrag gibt und dann wieder verschwindet (und zwar in die Luft), woraus sich dann wegen des Verbreitungsbefehls in den nachfolgenden Jahrhunderten ein sagenhaftes Hauen und Stechen ergibt, ohne dass diese Macht noch einmal erscheint?

Die Verbreitung von Geschichten soll dieser unsichtbaren Macht also wichtiger sein, als ein darauf folgendes Verhalten, das elementar gegen die Geschichten verstösst – hältst du das etwa für einen vernünftigen Gedanken?

“PeB“ hat geschrieben:Nicht was übrig bleibt, sondern was noch dazu kommt.
…
Auch das.
…
Und das IST es auch. Zusätzlich
Was genau willst du andeuten und warum kannst du es nicht klar sagen, so dass ich gleich darauf eingehen kann?

Roland
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#664 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Roland » Fr 5. Apr 2019, 21:22

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Nee, Wunder zeichnen sich eben dadurch aus, dass sie Naturgesetze durchbrechen. Niemand kann übers Wasser laufen (außer der Jesusechse ), niemand kann von den Toten auferstehen und Wasser in Wein verwandeln geht auch nicht per Fingeschnipsen.
Du und ich können das nicht. Wenn es aber einen Schöpfer gibt, der die Naturgesetze geschaffen hat, kann der das selbstverständlich. Das zu leugnen, wäre schlicht absurd. Und da niemand weiß, wo die Ordnung in der Natur herkommt, sie eigentlich selbst ein Wunder ist, stehen wir vor der Glaubensfrage: Hat sie jemand intelligent erschaffen, oder ist sie das Ergebnis eines zufälligen Knalls?
Was davon ihm plausibler scheint, muss jeder selbst entscheiden. Eben, es ist nun mal höchst unplausibel, rein literarische Wunder für echt zu halten.
Eben, es ist nun mal höchst unplausibel, rein literarische Wunder für echt zu halten.
Dass es sich um "rein literarische Wunder" handelt ist eine reine Behauptung, die wiederum den Texten widerspricht. D.h. hier muss man wieder was streichen, damit es passt… Denn die Autoren geben an Augenzeugenberichte zu verfassen.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Da hat ihm das positivistische Weltbild des 19 Jahrhunderts, für das alles "mythisch" ist, was man nicht wissenschaftlich beweisen kann, einen Streich gespielt. Ein Weltbild, das spätestens seit Popper mausetot ist. Bultmanns Aussage, dass man nicht mehr an Wunder glauben könne, weil es Radioapparate gibt, mutet heute eher lächerlich an. Die messbare Seite der Welt, das sagen Philosphen des 21. Jahrunderts, ist nicht die Welt, sie ist die messbare Seite der Welt!
Das ändert ja nicht daran, dass es keine Wunder gibt, außer in der Literatur.
Doch, man weiß inzwischen, dass wir mit großer Wahrscheinlichkeit nur einen winzigen Bruchteil der "Welt an sich" wahrnehmen können. Und den auch nur indirekt, also nicht "abgebildet" sondern "ausgelegt" durch unser Gehirn. Große Dimensionen der Wirklichkeit bleiben uns verborgen, was es alles "gibt" oder "nicht gibt" wissen wir überhaupt nicht.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Schlechter Vergleich. Dass etwas aus der Ordnung gerät ist die normale Tendenz. Dass etwas wieder in Ordnung kommt, eher nicht.
Stimmt nicht, denn die meisten Krankheiten heilen wieder aus.
Was bei einem Schnupfen funktioniert, ist bei Krebs die Ausnahme. Der eine sieht darin ein Wunder, der andere nennt es eben Zufall.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Nein, man thematisiert die Göttlichkeit gar nicht, weil man das eh nicht überprüfen kann. Ein kleiner, aber feiner Unterschied.
Nein, das ist dasselbe. Die Texte sagen, dass er göttlich ist
Ja dann muss es ja stimmen.
Von vornherein gar nicht zu thematisieren, was die Texte besagen, ist jedenfalls alles andere als wissenschaftlich korrekt, es ist Ideologie.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: – und man interpretiert sie, ohne auf dieses Thema einzugehen. Hat also die wichtigste Information unterschlagen. Wenn man Texte interpretiert und dabei die wichtigste Information einfach unter den Tisch fallen lässt, kann man nur zu schrägen Ergebnissen kommen.
Dann gilt das für alle Götter, die schriftlich beschrieben wurden.
Warum sollte es umgekehrt für alle Götter gelten, dass man davon ausgeht, es gebe sie nicht? Wo Wissenschaft das doch gar nicht ausschließen kann?

sven23 hat geschrieben: Was soll das bringen?
Alles könnte grundsätzlich möglich sein. Was soll es bringen, nur die Ideologie des Naturalismus gelten zu lassen?

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Der "ganze Rest" kam ja erst posthum zustande.
:lol: Die Texte kamen alle postum zustande.
In der Tat, aber es gibt Unterschiede im Überlieferungsgut, sowohl inhaltlich als auch zeitlich.
Nichts, was plausibel machen könnte, dass nur zwei Verslein"echt" und der Rest nachträgliche Fälschung ist.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Laut den Textquellen hat er sich ja geirrt.
Das ist laut der Textquellen, wie gesagt, auszuschließen.
Eben nicht.

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Gerd Theißen
Dann muss es ja stimmen… :lol:
Theißen nennt in seinem Buch die Vorannahmen, die zu diesem schrägen Ergebnis führen: man geht davon aus, dass die Bibel reines Menschenwerk ist und Jesus ein normaler Mensch, der aus seiner Zeit und Umwelt heraus erklärt werden muss, im Sinne des historischen Relativismus.
Die Textquellen besagen das genaue Gegenteil.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Den Irrtum bekommt man ja nicht weggeleugnet, auch wenn später entstandene Textquellen das versucht haben. Aber gerade diese nachträglichen Relativierungsversuche haben sie entlarvt.
Vergiss es einfach.
Nee, die Forschung kann es nicht einfach vergessen, nur weil es nicht in den Kram paßt.
Das können sich nur die Glaubensideologen leisten, aber die müssen ja auch nicht wissenschaftlichen Ansprüchen genügen.
Die Auslegung bezgl. Naherwarung genügt naturalistischen Ansprüchen. Mit Wissenschaft hat das nicht mehr das Geringste zu tun. Siehe die Vorannahmen, die Theißen nennt.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: :lol: Meinst du "die Forschung", die apriori davon ausgeht, dass Jesus nur ein irrender Wanderprediger war? Dann würde es Sinn machen, wenn Jesus im Vater-unser selbst betet "und vergib uns unsere Schuld".
Tja, so ist es nun mal. Jesus ließ sich ja als sündiger Mensch von Johannes dem Täufer taufen.
Und wieder wird von den Texten abgewichen und es werden Dinge erfunden, damit sie ins Weltbild passen. Wo steht, dass er sich "als sündiger Mensch" taufen ließ?

Siehst du. Reine Erfindung!
Was nicht passt, wird gestrichen und was man gerne hätte, erfindet man fluchs.
Es beleidigt die Wissenschaft, diese Exegese-Methode mit ihr in Verbindung zu bringen.
"Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt. Sie ist die messbare Seite der Welt." Martin Seel
"Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit." C. F. v. Weizsäcker

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Andreas
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#665 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Andreas » Fr 5. Apr 2019, 21:50

PeB hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
In der Theologie ist aber die Schriftquelle nicht nur Forschungsgegenstand (sonst wäre sie Geschichtswissenschaft), sondern auch Prämisse. So wie etwa in der Chemie Materie Prämisse ist.
Um den Vergleich weiter zu treiben: die Chemie stellt die Materie nicht in Frage. Die Philosophie darf das hingegen schon.
Ergo: die Theologie stellt die biblische AUssage nicht in Frage, die Geschichtswissenschaft tut das schon.
Wieder machst du aus deiner Theologie "die Theologie" ohne die tatsächlichen Theologien in Betracht zu ziehen. Wenn z.B. Bultman von der Entmythologisierung spricht, ist das keine geschichtswissensschaftliche Aussage die in die Historische Theologie gehören würde, sondern einfach andere Systematische Theologie die ein Dogma fallengelassen und durch ein anders ersetzt hat. Business as usual in der Theologie. Das ist halt dann die Liberale Theologie und keine orthodoxe Theologie. Auch der Open Theism oder die Prozesstheologie vertreten andere theologische Ansätze und formulieren andere Dogmen. All das ist Theologie.
PeB hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
Schreibe ich Jemandem hier etwas vor???
Natürlich, hier:
PeB hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
Ohne Bibelwahrheitsdogma keine Theologie - sondern nur Geschichtswissenschaft.
Und hier:
PeB hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
Ich erwarte von der Theologie, dass sie in ihrer Methodik bleibt, so wie die Geschichtswissenschaft in ihrer bleiben muss.
Übergriffiger geht's wohl kaum. Du kannst ja von anderen erwarten, dass sie in deiner Methodik der Theologie bleiben müssen. Sie müssen aber nicht, und tun es auch nicht - was ihr gutes Recht ist. Du legst ja Gott sei Dank nicht fest, was für andere Theologie zu sein hat, und schon gar nicht durch dieses dein Lieblingsdogma, dass anderen ihre Methodik in der Theologie vorschreiben will.

Denn das ist nicht das Dogma "der Theologie", denn es gibt nachweislich christliche Theologien die wunderbar ohne dieses Dogma funktionieren. Du möchtest damit aber bestimmen, was und wie Theologie generell zu sein hat, nämlich durch dieses eine Dogma der Theologie, die du halt vertrittst. Das ist ja auch der Sinn von Dogmen, Glaubensgruppen durch Vorschreiben von Regulativen zu bilden und zusammen zu halten. Doch dieses Dogma kickt halt alle anderen, die das nicht so sehen, gleich aus der gesamten Theologie raus. Nur warum sollten andere, das Dogma das du vertrittst, auch vertreten? Weil:
PeB hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
Die Bibel IST dogmatisch.
Weil du das glaubst? Die Bibel ist nicht dogmatisch sondern Theologisch. Heilige Schrift nennt man das Dingens - nicht Dogmatische Schrift. Und in der Bibel finden sich ganz unterschiedliche Theologien. Zum Beispiel die Theologie des Judentums und die Theologie des Christentums. Weißt du selber. Und schon ist Schluss mit "die Bibel" ist die Wahrheit. Weil ein Kanon auch nichts anderes ist, als ein Dogma. Nun gibt es selbst im Christentum unterschiedliche Kanones. Dann ist halt hier ein in "der Bibel" erzähltes Ereignis "die Wahrheit" aber dort nicht sondern nur nützlich aber nicht "die Wahrheit".

All das ist Theologie, und auch das, nicht alle Erzählungen in der Bibel für historische Ereignisse anzusehen - reine Interpretationssache ohne dieses Limit, welches du anderen Theologien vorschreiben willst. Man darf in der Theologie biblische Erzählungen als Mythos deuten oder symbolisch, oder auch Tiefenpsychologisch usw. Das bestimmst nicht du für andere, was geht und was nicht geht in der Theologie.

Es ist ein Dogma, dass "die Bibel" in allen erzählten Ereignissen historisch wahr ist. Aber nicht in allen christlichen Theologien.
Dieses Dogma ist so was von orthodox, fundamentalistisch und biblizisistisch, dass es nur so raucht. Es ist nicht liberal oder progressiv. Ich sage das nicht, um dich in eine Schublade zu stecken, sondern weil es diese Kategorien seit langem in der Theologie gibt, um theologische Richtungen benennen zu können. Natürlich hat jeder Mensch seine ganz persönliche Theologie, das ist mir schon klar. Keiner übernimmt alles Vorgegebene einer einzigen Theologie. Es gibt persönliche Mischformen so viele, wie es Christen gibt. Trotzdem ist nicht alles, was nicht orthodox, fundamentalistisch und biblizistisch ist, keine Theologie.

PeB hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
Aber darf ich meinen Glauben und meine Überzeugungen trotzdem behalten?
Von mir aus gerne. Denn ich versuche keine Theologie aus der Theologie heraus zu drängen.
PeB hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
Jedenfalls habe ich meinerseits Respekt vor dir und deinen Überzeugungen.
Ist umgekehrt auch so. Und ich hoffe wir verstehen beide die Standpunkte des anderen jetzt besser.

PeB hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
Andreas hat geschrieben:
Do 4. Apr 2019, 13:39
Im Gegensatz zu dir wünsche ich mir (mit Lüdemann), dass Historische, Systematische und Praktische Theologie eine gleichberechtigte Position in der Theologie hätten, und gemeinschaftlich produktiv arbeiten würden, und keine Systematische Theologie, welche die Historische Theologie bekriegt.
Das ist nicht "im Gegensatz" zu mir, sondern genau das was ich fordere. Dafür müssen diese Disziplinen aber auf Augenhöhe stehen und die eine darf sich der anderen nicht unterwerfen.
Es darf nämlich auch Widersprüche geben, die nicht in völliger interdisziplinärer Harmoniesülze aufgelöst werden müssen.
Wenn es so ist passt es ja. Aber oben klang das noch ganz anders.

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sven23
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#666 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von sven23 » Sa 6. Apr 2019, 08:22

Roland hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 21:22
Dass es sich um "rein literarische Wunder" handelt ist eine reine Behauptung, die wiederum den Texten widerspricht. D.h. hier muss man wieder was streichen, damit es passt… Denn die Autoren geben an Augenzeugenberichte zu verfassen.
Du musst dich mal von solchen Zirkelschlüssen lösen. Der Fälscher der Hitlertagebücher hat auch behauptet, dass sie echt sind. Was heißt das schon? :roll:

Roland hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 21:22
Doch, man weiß inzwischen, dass wir mit großer Wahrscheinlichkeit nur einen winzigen Bruchteil der "Welt an sich" wahrnehmen können. Und den auch nur indirekt, also nicht "abgebildet" sondern "ausgelegt" durch unser Gehirn. Große Dimensionen der Wirklichkeit bleiben uns verborgen, was es alles "gibt" oder "nicht gibt" wissen wir überhaupt nicht.
Was nicht bedeutet, dass es Wunder gibt. Das sind völlig verschiedene Ebenen.

Roland hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 21:22
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Schlechter Vergleich. Dass etwas aus der Ordnung gerät ist die normale Tendenz. Dass etwas wieder in Ordnung kommt, eher nicht.
Stimmt nicht, denn die meisten Krankheiten heilen wieder aus.
Was bei einem Schnupfen funktioniert, ist bei Krebs die Ausnahme. Der eine sieht darin ein Wunder, der andere nennt es eben Zufall.
Die medinische Forschung hat ein großes Interesse daran, zu erfahren, welche Mechanismen einer Spontanremission zu Grunde liegen. Die Hoffnung ist, daraus erfolgreiche Therapien entwickeln zu können.
Was man aber nicht verschweigen sollte: Oft kehrt der Krebs nach einer Spontanremission mit Macht zurück und ist dann nicht mehr behandelbar.


Roland hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 21:22
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Nein, das ist dasselbe. Die Texte sagen, dass er göttlich ist
Ja dann muss es ja stimmen.
Von vornherein gar nicht zu thematisieren, was die Texte besagen, ist jedenfalls alles andere als wissenschaftlich korrekt, es ist Ideologie.
Nein, wissenschaftliche Vorgehensweise ist, ergebnisoffen an die Textquellen heranzugehen und kritisch zu hinterfragen, was geschrieben steht.
So, wie man es auch bei anderen Religionen machen würde. Die Sonderbehandlung für deine Lieblingsreligion kann es nicht geben. Aber wahrscheinlich verstehst du das genaus so wenig wie closs. :roll:

Roland hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 21:22
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: – und man interpretiert sie, ohne auf dieses Thema einzugehen. Hat also die wichtigste Information unterschlagen. Wenn man Texte interpretiert und dabei die wichtigste Information einfach unter den Tisch fallen lässt, kann man nur zu schrägen Ergebnissen kommen.
Dann gilt das für alle Götter, die schriftlich beschrieben wurden.
Warum sollte es umgekehrt für alle Götter gelten, dass man davon ausgeht, es gebe sie nicht? Wo Wissenschaft das doch gar nicht ausschließen kann?
Roland gehört doch zu den Glaubensideologen, die nur ihre eigene Religon für die wahre halten. Alle anderen liegen natürlich falsch. Deshalb verlangt er eine Sonderbehandlung, die es aber nicht geben kann.


Roland hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 21:22
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: :lol: Die Texte kamen alle postum zustande.
In der Tat, aber es gibt Unterschiede im Überlieferungsgut, sowohl inhaltlich als auch zeitlich.
Nichts, was plausibel machen könnte, dass nur zwei Verslein"echt" und der Rest nachträgliche Fälschung ist.
2 eminent wichtige Verslein, die die jesuanische Glaubenswelt wiedergeben.
Bei der Missionierung haben wir eine vergleichbare Situation. Jesus wollte keine Heidenmissionierung, er hat sie ausdrücklich untersagt.

Roland hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 21:22
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Das ist laut der Textquellen, wie gesagt, auszuschließen.
Eben nicht.

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Gerd Theißen
Dann muss es ja stimmen… :lol:
Theißen nennt in seinem Buch die Vorannahmen, die zu diesem schrägen Ergebnis führen:
Schräg nenst du das Ergebnis ja nur, weil es dir nicht gefällt. Persönliche Präferenzen dürfen in der Forschung aber keine Rolle spielen.


Roland hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 21:22
man geht davon aus, dass die Bibel reines Menschenwerk ist und Jesus ein normaler Mensch, der aus seiner Zeit und Umwelt heraus erklärt werden muss, im Sinne des historischen Relativismus.
Immer noch besser, als die Texte als göttlich inspiriert und irrtumsfrei zu deklarieren, um dann zirkelreferent darauf verweisen zu können

Roland hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 21:22
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Vergiss es einfach.
Nee, die Forschung kann es nicht einfach vergessen, nur weil es nicht in den Kram paßt.
Das können sich nur die Glaubensideologen leisten, aber die müssen ja auch nicht wissenschaftlichen Ansprüchen genügen.
Die Auslegung bezgl. Naherwarung genügt naturalistischen Ansprüchen. Mit Wissenschaft hat das nicht mehr das Geringste zu tun. Siehe die Vorannahmen, die Theißen nennt.
Ähm, Theißen verstößt mit Sicherheit nicht gegen wissenschaftliche Kriterien. Gerade das zeichnet sein Jesusbuch doch aus und berechtigt es, zu einem Standardwerk in der theologischen Ausbildung geworden zu sein.
Zuletzt geändert von sven23 am Sa 6. Apr 2019, 08:25, insgesamt 2-mal geändert.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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sven23
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#667 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von sven23 » Sa 6. Apr 2019, 08:22

Roland hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 21:22
sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: :lol: Meinst du "die Forschung", die apriori davon ausgeht, dass Jesus nur ein irrender Wanderprediger war? Dann würde es Sinn machen, wenn Jesus im Vater-unser selbst betet "und vergib uns unsere Schuld".
Tja, so ist es nun mal. Jesus ließ sich ja als sündiger Mensch von Johannes dem Täufer taufen.
Und wieder wird von den Texten abgewichen und es werden Dinge erfunden, damit sie ins Weltbild passen. Wo steht, dass er sich "als sündiger Mensch" taufen ließ?
Tja, dann überleg mal, warum Menschen nach christlichem Verständnis getauft werden.

Nur wenige Angaben in den Evangelien sind so zuverlässig wie die Taufe Jesu durch
Johannes den Täufer. Denn die Taufe Jesu durch Johannes wurde bald zu einem großen
Problem. Die Taufe ist ja eine Sündertaufe, und für die Christen galt Jesus ja bald als
sündlos. Gerade am Beispiel der Taufe Jesu und ihrer Überlieferungstraditionen lässt
sich erneut sehr anschaulich darstellen, wie frei die Evangelisten mit der Überlieferung
umgegangen sind.
Am Anfang stand (zumindest in diesem Fall) ein historisches Faktum, nämlich dieTaufe Jesu.
Im ältesten Evangelium (Mk 9,1–11) sieht Jesus (und nur er) den Himmel
offen und den Geist Gottes wie eine Taube auf ihn herabsteigen. Eine Stimme spricht (zu
ihm): „Du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Der offene Himmel und
die Gottesstimme werden hier quasi als Vision Jesu geschildert. Nur er sah den Himmel
offen, nur er hörte die Gottesstimme. Die Taufgeschichte bei Markus erinnert so an
Berufungserzählungen alttestamentlicher Propheten.
Matthäus, der die Taufgeschichte ebenso wie Lukas von Markus übernommen hat,
fügt nun den Einwand des Täufers ein: „Ich habe es nötig, von dir getauft zu werden, und
du kommst zu mir?“ Worauf Jesus antwortet: „Laß es geschehen, denn dies ist nötig,
damit alle Gerechtigkeit erfüllt werde.“ Erst dann wird Jesus getauft. Dieses kleine
Gespräch zwischen dem Täufer und Jesus ist, wie Wortwahl, Wortstatistiken und ein
Vergleich der theologischen Anschauungen ergeben, eine Erfindung des Matthäus, der
aber damit offenbar ein Problem benennt, welches in den urchristlichen Gemeinden
vorhanden war. Jesus galt als der Größere, wieso kann er von dem rangniedrigeren
Johannes getauft werden? Durch den erfundenen kleinen Dialog wird diese Frage für die
Gemeinde gelöst. Für Matthäus ist es offenbar kein Problem, dass er hier ein Wort Jesu
erfinden muss.

Kubitz, Der Jesuswahn

Roland hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 21:22
Siehst du. Reine Erfindung!
Was nicht passt, wird gestrichen und was man gerne hätte, erfindet man fluchs.
Es beleidigt die Wissenschaft, diese Exegese-Methode mit ihr in Verbindung zu bringen.
Nix Erfindung. Erfindungsreich waren lediglich die Evangelisten und die Kirche.

Die Taufe Jesu war also für die ersten Christen ein zunehmend peinlicher Tatbestand,
was von den verschiedenen Überlieferungen und Traditionsschichten noch deutlich
widergespiegelt wird. „Historisch wird gerade das sein, was diese apologetische Tendenz
zu leugnen versucht: Jesus erkannte den Täufer eine Zeitlang als überlegenen Meister an,
und ließ sich von ihm zur Vergebung seiner Sünden taufen. Er wußte sich als einen der
Vielen, die in Israel umkehren wollten, um dem nahen Gericht Gottes zu entfliehen.“
(Theißen/Merz, Der historische Jesus, S. 193)
Die Kirche hat Jesus bald als sündlos angesehen. Er selbst hat sich aber offenbar
durchaus als Sünder verstanden. Die Kirche hat sich mit ihrer dogmatischen Sicht
durchgesetzt. Es ist nicht das letzte Mal, dass historische Wahrheit bzw.
Wahrscheinlichkeit vor dogmatischer Arroganz und Wunschdenken in die Knie gehen
muss. Weitere Beispiele folgen unten.
Auch in den Taufgeschichten sehen wir, wie formbar die Tradition noch war. Worte
Jesu galten noch nicht als heilig, die Evangelisten haben sie bedenkenlos hinzuerfunden,
wenn es in ihr theologisches Konzept passte, sogar die Gottesstimme wird geändert, ohne
dass dies dem Evangelisten irgendwelche Skrupel bereitet hätte. Der Gestaltungswille der
Evangelisten war wesentlich stärker als die Sorgfalt beim Umgang mit dem
vorgefundenen Überlieferungsmaterial. Was nicht passte, wurde passend gemacht.

Kubitza, Der Jesuswahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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sven23
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#668 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von sven23 » Sa 6. Apr 2019, 08:36

closs hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 19:41
sven23 hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 17:47
Es ist aber naheliegend, dass man mit wissenschaftlicher Methodik näher an die historische Wahrheit kommt als mit Glaubensideologie.
Klar - aber darum geht's ja nicht.
Ähm, doch, worum soll es in der historischen Forschung sonst gehen als um die historische Wahrheit? :roll:



closs hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 19:41
sven23 hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 17:47
Die Forschung geht ergibnisoffen an die Texte heran.
Das macht JEGLICHE Forschung. - Auch eine andere Exegese tut das, nur unter anderen Vorannahmen als die HKE. - Jeder kann nur Output im Rahmen seines Inputs bekommen. - Du bist hier auf einem irrweg.
Nein, closs ist hier der Irrläufer.
Glaubensideologen, die die biblischen Texte apriori als göttlich inspiriert und irrtumsfrei postulieren, gehen eben nicht ergebnisoffen an die Textquellen heran. Sie können per Definition zu gar keinem anderen Ergebnis kommen, als die Vorannahme präjudiziert.
In Fachkreisen nennt man das seit eh und je einen Zirkelschluss.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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PeB
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#669 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von PeB » Sa 6. Apr 2019, 11:01

Andreas hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 21:50
PeB hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
Schreibe ich Jemandem hier etwas vor???
Natürlich, hier:
PeB hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
Ohne Bibelwahrheitsdogma keine Theologie - sondern nur Geschichtswissenschaft.
Und hier:
PeB hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
Ich erwarte von der Theologie, dass sie in ihrer Methodik bleibt, so wie die Geschichtswissenschaft in ihrer bleiben muss.
Übergriffiger geht's wohl kaum.
Ich wollte keinesfalls übergriffig sein! :o
Dann muss ich solche Passagen präziser formulieren:
- ich befürchte, dass die Theologie sich durch Abwendung von der Wahrheitsprämisse zu einer Geschichtswissenschaft 2.0 degradiert und ihre eigenständige Position aufgibt.
- Ich habe die Erwartungshaltung in die Wissenschaften (inkl. Theologie), dass sie sich methodisch sauber voneinander abgrenzen.

Andreas hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 21:50
PeB hat geschrieben:
Fr 5. Apr 2019, 18:25
Andreas hat geschrieben:
Do 4. Apr 2019, 13:39
Im Gegensatz zu dir wünsche ich mir (mit Lüdemann), dass Historische, Systematische und Praktische Theologie eine gleichberechtigte Position in der Theologie hätten, und gemeinschaftlich produktiv arbeiten würden, und keine Systematische Theologie, welche die Historische Theologie bekriegt.
Das ist nicht "im Gegensatz" zu mir, sondern genau das was ich fordere. Dafür müssen diese Disziplinen aber auf Augenhöhe stehen und die eine darf sich der anderen nicht unterwerfen.
Es darf nämlich auch Widersprüche geben, die nicht in völliger interdisziplinärer Harmoniesülze aufgelöst werden müssen.
Wenn es so ist passt es ja. Aber oben klang das noch ganz anders.
Vielleicht auch von beiden Seiten? :)

Pluto
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#670 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Pluto » Sa 6. Apr 2019, 11:30

PeB hat geschrieben:
Sa 6. Apr 2019, 11:01
Das ist nicht "im Gegensatz" zu mir, sondern genau das was ich fordere. Dafür müssen diese Disziplinen aber auf Augenhöhe stehen und die eine darf sich der anderen nicht unterwerfen.
Es darf nämlich auch Widersprüche geben, die nicht in völliger interdisziplinärer Harmoniesülze aufgelöst werden müssen.
Daran ist das alte Problem schuld: Die Theologie, wie sie früher praktiziert wurde, ist unwissenschaftlich. Sie ging immer davon aus, dass Jesus, göttlich war (vgl. closs). Statt dessen sollte sie sich der Bibel als historisches Werk nähern und sie auch so interpretieren. Es passt gut zu ihr, dass sie sich in Richtung Geschichte 2.0 bewegt, denn dann erst bekommt sie den Ruf wissenschaftlich zu sein.
Wissenschaft ist nun mal skeptisch-rational.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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