KI >> Homo Deus

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Thaddaeus
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#601 Re: KI >> Homo Deus

Beitrag von Thaddaeus » Di 10. Sep 2019, 19:45

Andreas hat geschrieben:
Fr 30. Aug 2019, 12:27
Thaddaeus hat geschrieben:
Fr 30. Aug 2019, 10:12
Gelb ist gelb, egal, wie man diese Farbempfindung benennt.
Das stimmt wieder nicht. Woher willst du das wissen, wie diese Behauptung begründen? Dieses Gedankenspiel Marys Room macht doch nur Sinn, wenn die dabei vorausgesetzten Tatsachen des Sehens so weit richtig verstanden werden, so weit wir diese kennen.
Die wissenschaftlichen Tatsachen über das Sehen sind wichtig, will man erklären, wie Sehen physikalisch-optisch, biologisch und neurologisch funktioniert. Keine dieser Erklärungen erklärt freilich die individuelle Empfindungsqualität der Farbe Gelb. Genau das ist ja das Rätsel. "Gelb" ist ein phänomenaler, qualitativer Bewusstseinsinhalt, eben ein Quale.

JackSparrow versucht das Problem dadurch zu umgehen, dass er vorgibt, nicht zu verstehen, was gemeint ist. Aber das ist keine besonders erfolgversprechende Strategie, denn tatächlich weiß jeder ganz genau, was gemeint ist (da jeder Mensch Empfindungen hat und darum weiß, wovon gesprochen wird). JackSparrows Leugnung des Problems ist deshalb durch und durch kontraintuitiv. Kontraintuitiviät ist nun zwar kein Garant für Falschheit (bzw. ist subjektive Intuition kein Garant für Wahrheit), aber da die Identitätssetzung von Qualia mit physikalischen und/oder neurologischen Prozessen eindeutig als falsch erwiesen werden kann, bleibt JackSparrow eben nur die Leugnung: und das ist argumentativ quasi aussichtslos.

Andreas hat geschrieben:
Fr 30. Aug 2019, 12:27
Mir ist keine Möglichkeit bekannt, festzustellen, dass deine Farbempfindung die du "Gelb" nennst, dieselbe ist, wie meine Farbempfindung die ich "Gelb" nenne. Woher willst du wissen, dass ich bei meiner Farbempfindung, die ich "Gelb" nenne, nicht dieselbe Farbempfindung habe, die du "Blau" nennst?
Das ist richtig, das kann ich nicht. Ich muss es aber auch gar nicht können.

Unser Sehvermögen ist ganz sicher evolutionär entstanden und funktioniert physikalisch, biologisch, optisch, neuronal usw. so und so (du und Claymore schreiben oben ja sehr fachkundig darüber) ... Auch, dass wir Farbempfindungen haben können ist evolutionär entstanden (wie sonst?).

Fest steht aber, dass ich mich mit anderen Menschen über meine subjektiven Farbempfindungen austauschen kann und - oh Wunder - kann ich mich mit anderen offensichtlich darüber verständigen, dass Ampeln die Farbskala rot-gelb-grün haben und darüber, was die einzelnen Farben bedeuten sollten. Damit weiß ich natürlich immer noch nicht, ob andere rot-gelb-grün genau so Farbempfinden wie ich. Das scheint aber auch gar nicht nötig zu sein bzw. gibt es sogar gute evolutionäre Gründe dafür anzunehmen, dass sie diese Farben qualitativ so wahrnehmen wie ich (weil wir uns sonst vermutlich gar nicht auf die Ampelfarben einigen könnten).

Ich glaube, dass Wittgensteins und dein Fehler in einer Übergeneralisierung liegt. Es ist richtig, wenn Wittgenstein hinsichtlich der Schmerzempfindung feststellt:

Nun, ein Jeder sagt es mir von sich, er wisse nur von sich selbst, was Schmerzen seien! - Angenommen, es hätte Jeder eine Schachtel, darin wäre etwas, was wir ”Käfer” nennen. Niemand kann je in die Schachtel des Andern schaun; und Jeder sagt, er wisse nur vom Anblick seines Käfers, was ein Käfer ist. - Da könnte es ja sein, dass jeder ein anderes Ding in seiner Schachtel hätte. Ja, man könnte sich vorstellen, dass sich ein solches Ding fortwährend veränderte. Aber wenn nun das Wort ”Käfer” dieser Leute doch einen Gebrauch hätte? - So wäre er nicht der der Bezeichnung eines Dings. Das Ding in der Schachtel gehört überhaupt nicht zum Sprachspiel; auch nicht einmal als ein Etwas: denn die Schachtel könnte auch leer sein. - Nein, durch dieses Ding in der Schachtel kann gekürzt werden; es hebt sich weg, was immer es ist. (Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, S.293)
Die Übergeneralisierung liegt darin, dass zwar die Möglichkeit besteht, dass in der Tat gar kein "Käfer in der Schachtel" sein könnte oder bei jedem ein anderes Insekt oder sich dieses Etwas in der Schachtel fortwährend verändern könnte;

Aber dass da kein Käfer sein KÖNNTE heißt eben nicht, dass da tatsächlich kein Käfer ist! Darin liegt der übergeneralisierende Fehlschluss.
Es könnte eben doch ein Käfer in der Schachtel sein und bei jedem ein gleicher Käfer. Und darum kann man sich über den Käfer auch unterhalten und feststellen, wie er aussieht und alle also einen mindestens sehr ähnlichen Käfer erkennen und meinen. Evolutionär ist dieses Szenario eigentlich viel wahrscheinlicher, als dass da kein Käfer ist oder bei jedem ein anderes Insekt.

Ich halte es auch für einen Fundamentalirrtum zu glauben, Wissenschaft könne betrieben werden und sei objektiv, wenn der Mensch als Forschender dabei eigentlich keine Bedeutung habe. Ich glaube im Gegenteil, dass erst die Empfindungen (Qualia) sind und dann erst die wissenschaftliche Beschreibung. Unsere Festlegung der Wellenbereiche des Lichtes sind im Grunde der Beweis genau hierfür! Wesen ohne Augen und damit ohne Farbempfindungen hätten mindestens eine andere Aufteilung der Wellenbereiche des Lichts als wir (wenn sie denn überhaupt eine hätten!!!).

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Andreas
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#602 Re: KI >> Homo Deus

Beitrag von Andreas » Mi 11. Sep 2019, 10:35

Thaddaeus hat geschrieben:
Di 10. Sep 2019, 19:45
Andreas hat geschrieben:
Fr 30. Aug 2019, 12:27
Mir ist keine Möglichkeit bekannt, festzustellen, dass deine Farbempfindung die du "Gelb" nennst, dieselbe ist, wie meine Farbempfindung die ich "Gelb" nenne. Woher willst du wissen, dass ich bei meiner Farbempfindung, die ich "Gelb" nenne, nicht dieselbe Farbempfindung habe, die du "Blau" nennst?
Das ist richtig, das kann ich nicht. Ich muss es aber auch gar nicht können.
Du und ich müssen das nicht können - aber wir müssen das können, wenn wir uns darüber naturwissenschaftlich unterhalten wollen, denn ein wesentliches Merkmal naturwissenschaftlicher Erkenntnis ist, dass etwas allen intersubjektiv nachvollziehbar ist. Das ist bei den Qualia aber nicht gegeben - eben weil Qualia subjektive Phänomene sind. Verstehe mich nicht falsch: ich vermute wie du auch, dass gesunde Menschen Farben gleich empfinden, aber wir wissen das naturwissenschaftlich nicht. Ich wollte nur klarstellen, wo bei diesem Thema das naturwissenschaftliche Wissen endet und das philosophische Vermuten beginnt.

Thaddaeus hat geschrieben:
Di 10. Sep 2019, 19:45
Fest steht aber, dass ich mich mit anderen Menschen über meine subjektiven Farbempfindungen austauschen kann und - oh Wunder - kann ich mich mit anderen offensichtlich darüber verständigen, dass Ampeln die Farbskala rot-gelb-grün haben und darüber, was die einzelnen Farben bedeuten sollten. Damit weiß ich natürlich immer noch nicht, ob andere rot-gelb-grün genau so Farbempfinden wie ich. Das scheint aber auch gar nicht nötig zu sein bzw. gibt es sogar gute evolutionäre Gründe dafür anzunehmen, dass sie diese Farben qualitativ so wahrnehmen wie ich (weil wir uns sonst vermutlich gar nicht auf die Ampelfarben einigen könnten).
Dem steht in Teilen entgegen:

1. Dass jeder der einen Führerschein macht, auch einen Test auf Farbenfehlsichtigkeit machen muss. Da schlägt also dieser Unterschied zwischen den äußeren physikalichen (naturwissenschaftlich intersubjektiven) Anteilen des Sehens und den inneren (subjektiven) Anteilen zu Buche. Ein nicht unerheblicher Anteil der Menschen hat "aus evolutionären Gründen" ein naturwissenschaftlich nachweisbares abweichendes subjektives Farbempfinden, da bei diesen Menschen ihre Farbrezeptoren aufgrund defekter Proteine die falschen Wellenlängen absorbieren. Das ist physikalisch gut erklärbar.

2. Dass die Himba eine Farbenfehlsichtigkeit haben, die nicht auf defekten "Farbrezeptorproteinen" beruht. Das ist nicht genetisch bedingt, demnach auch nicht mit biologischer Evolution erklärbar, sondern scheint kulturelle Ursachen zu haben.

3. Dass es die philologische Beobachtung gibt, dass die Menschen weltweit zuerst Worte für die Farben Schwarz und Weiß, danach für Grün und Gelb und erst zuletzt für Blau erfanden. Das wissen wir aus dem Schrifttum der Menschheit, welches aber so spät entstand, dass dies schwerlich nur mit biologischer Evolution zu erklären ist. Mündliche Sprache ist um ein paar Größenordnungen älter als Schrift. Daraus müsste man schließen, dass die Menschen die weitaus längste Zeit ihres Bestehens, d.h. vor der Erfindung der Schrift bei gleicher genetischer Ausstattung noch gar keine Worte für Rot, Grün, Gelb und Blau hatten und deshalb analog zu den Himba, die Farben noch nicht so empfanden und unterscheiden konnten, wie wir heute.

Unser Wissen über Physik, Chemie, Biologie und Evolution ist nicht hinreichend um die Qualia erklären zu können - aber unberücksichtigt kann man das alles natürlich auch nicht lassen, d.h. unseren Vermutungen und Spekulationen sind Grenzen gesetzt. Dass wir das Problem mit den Qualia "bald" naturwissenschaftlich gelöst haben, ist so sicher, wie der seit den 60er Jahren "schon in 20 Jahren" funktionierende Fusionsreaktor oder das "baldige" Erscheinen Jesu in den Wolken vom Himmel her.

Thaddaeus hat geschrieben:
Di 10. Sep 2019, 19:45
Ich glaube, dass Wittgensteins und dein Fehler in einer Übergeneralisierung liegt.
...
Die Übergeneralisierung liegt darin, dass zwar die Möglichkeit besteht, dass in der Tat gar kein "Käfer in der Schachtel" sein könnte ...
Wieso das denn? Ich bestreite doch nirgends, dass wir Farbempfindungen haben.
Thaddaeus hat geschrieben:
Di 10. Sep 2019, 19:45
... oder bei jedem ein anderes Insekt oder sich dieses Etwas in der Schachtel fortwährend verändern könnte; ...
Ich habe mit dem Video auf die Tatsache hingewiesen, dass sich Farbempfindungen tatsächlich ändern können. Das ist naturwissenschaftlich experimentel eindeutig an Totenkopfaffen belegt worden, und die philologischen Forschungen sprechen auch dafür, dass sich die Farbempfindungen beim Menschen in seiner Geschichte verändert haben. Offenbar muss ich im Laufe dieser Diskussion wirklich jeden Satz aus dem Video mehrfach explizit wiederholen, damit die Fakten nicht unter den Tisch fallen.

Thaddaeus hat geschrieben:
Di 10. Sep 2019, 19:45
Aber dass da kein Käfer sein KÖNNTE heißt eben nicht, dass da tatsächlich kein Käfer ist! Darin liegt der übergeneralisierende Fehlschluss.
Ich kann nicht erkennen, diesen Fehlschluss irgendwo gemacht zu haben.

Thaddaeus hat geschrieben:
Di 10. Sep 2019, 19:45
Es könnte eben doch ein Käfer in der Schachtel sein und bei jedem ein gleicher Käfer. Und darum kann man sich über den Käfer auch unterhalten und feststellen, wie er aussieht und alle also einen mindestens sehr ähnlichen Käfer erkennen und meinen. Evolutionär ist dieses Szenario eigentlich viel wahrscheinlicher, als dass da kein Käfer ist oder bei jedem ein anderes Insekt.
Wir können uns darüber unterhalten aber eben nicht feststellen, wie er aussieht. Das hast du doch oben selbst eingeräumt. Evolution ist an keinem Punkt irgendwie normativ, damit meine ich, sie hat vom Wesen her immer eine ungewisse nicht zielgerichtete Bandbreite. Farbfehlsichtigkeit klingt nach einem Fehler der Evolution. Die Evolution macht aber keine Fehler, weil sie keine Werte kennt. Der Evolution sind Ursula von der Leyen und ihre Kinder so gleichgültig wie die 97 % der Lachse die niemals an ihren Quellfluss gelangen um sich fortzupflanzen und auch die 3 % der Lachse die das schaffen und alle Arten die leben und jemals lebten zusammengenommen. Evolution ist komplett sinn- und wertfrei - ich find's aber schön, dass es sie gibt, aber nur weil ich weit überwiegend positiv empfundene Qualia erleben durfte, ich halt einfach Glück gehabt hab - was immer das sein mag.

Insofern stimme ich mit dir darin überein:
Thaddaeus hat geschrieben:
Di 10. Sep 2019, 19:45
Ich halte es auch für einen Fundamentalirrtum zu glauben, Wissenschaft könne betrieben werden und sei objektiv, wenn der Mensch als Forschender dabei eigentlich keine Bedeutung habe. Ich glaube im Gegenteil, dass erst die Empfindungen (Qualia) sind und dann erst die wissenschaftliche Beschreibung. Unsere Festlegung der Wellenbereiche des Lichtes sind im Grunde der Beweis genau hierfür! Wesen ohne Augen und damit ohne Farbempfindungen hätten mindestens eine andere Aufteilung der Wellenbereiche des Lichts als wir (wenn sie denn überhaupt eine hätten!!!).
Die Bedeutung messen wir uns dabei aber selbst zu - was immer das Selbst nun wieder sein mag, es hat wohl auch was mit den Qualia zu tun.

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AlTheKingBundy
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#603 Re: KI >> Homo Deus

Beitrag von AlTheKingBundy » Mi 11. Sep 2019, 19:19

Wäre nett, wenn man zum Kern des Themas zurückkommen könnte.
Beste Grüße, Al

Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.
(Albert Einstein, 1879-1955)

Claymore
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#604 Re: KI >> Homo Deus

Beitrag von Claymore » Mi 11. Sep 2019, 20:13

closs hat geschrieben:
So 8. Sep 2019, 18:18
Er meint GAR nicht, dass die Welt eigene Vorstellung ist, sondern sagt, dass wir es nicht unterscheiden könnten, wenn es so wäre. - Descartes glaubt zu jedem Zeitpunkt, dass es die Res extensae gibt, begründet aber, warum dies keine Wissens-, sondern eine Glaubens-Sache ist.
Hoppala, da hast du jetzt etwas zu schnell gedacht. Du wirfst hier die Frage, woher die geistigen Schöpfungen, wie z. B. ein literarisches Werk, kommen mit der res extensae Diskussion zusammen.

Zu:
Dass es auch ohne unsere Vorstellung der Fall ist.
und
In der Wahrnehmung ist kein Unterschied, aber ontisch. - Es ist ein Unterschied, ob Claymore und dessen Posts Vorstellungen von mir sind oder ob es einen Claymore auch ohne meine Vorstellung der Fall ist. - Nicht in der Praxis, aber philosophisch (mit allen Konsequenzen).
– du musst schon unterscheiden zwischen (a) dem egozentrischen Idealismus und (b) dem trivialen Idealismus. (a) sagt: “Alle geistigen Schöpfungen stammen von mir” aber (b) sagt nur “es gibt andere Geister als meinen Geist, jedoch sind die res extensae nicht echt”.

(a) ist eine echte Aussage, wenn auch das egozentrischste, was ein Mensch je erdacht hat
(b) ist wirklich wie die Diskussion über Gaul und Pferd, weil es keine Antwort gibt, was in seinem Rahmen der Unterschied zwischen “echten res extensae” und “vorgestellten res extensae” sein soll

Bitte beides auseinanderhalten!
Nach christlicher Denke ist es eine exklusive Zuschreibung durch Gott ("Ebenbildlichkeit"), also per Schöpfungs-Anlage.
Was sich allerdings mit cogito ergo sum beißt. Damit kommt man also wohl in der Philosophie nicht weiter. Es ist eine rein theologische Definition.
Das ist ein empflindliches Thema, über das ich mit vielen Theologen gesprochen habe. - Eine häufig gehörte UND unbefriedigende Antwort war: "Wer denkt, Gott habe es nicht gefügt, dass der Sündenfall stattfindet, ist ein Ochse. - Wer predigt, Gott habe gefügt, dass der Südenfall stattfindet, ist ein Esel".

Es gibt hier also eine (aus meiner Sicht komplett inakzeptable) Kluft zwischen "fundamental" und "pastoral". Hier wäre ein Punkt, an dem wirklich "Aufklärung" angebracht wäre (und zwar spirituelle Aufklärung).
Wenn selbst heute noch die Katharer mehr Sinn machen, ist das wirklich ein Armutszeugnis für die Kirche.
Ob man es "universal" oder religiös gefärbt "theozentrisch" nennt, ist im Ergebnis dasselbe.
Hätte ich nicht vermutet, da jetzt die menschliche Fähigkeit des logischen Denkens als Teil der theozentrischen Vernunft durchgehen soll.
"Ohne Egozentrik" gefiele mir besser - denn das Ich ist nun mal die einzige Instanz, die etwas erkennen kann.
Aber auf Egozentrik läuft es ja nun mal hinaus. Zumindest wenn man bzgl. des Ichs den Weg Descartes’ geht.

Ich mag materialistisch fundierte Philosophien nicht, weil sie zwar in sich interessant und gar brillant sein können, aber nicht reflektieren, ob Materie nicht Schöpfung von Geist sein könnte. -- "Materialismus" wird nur scheinbar relativiert durch Qualia & Co, solange diese Qualia nicht als genuin geistig, also nicht aus MAterie geschaffen, bezeichnet werden.
Ja – aber Sartres philosophische Romane stehen für sich. Auch ein nicht-materialistischer Philosoph hätte Der Ekel schreiben können.
Naturwissenschaftlich wahrscheinlich NICHT, aber halt geisteswissenschaftlich. - Warum? Weil in Geisteswissenschaften ggf. Vorannahmen nicht falsifizierbar sind. - ODER: Man definiert "Wissenschaft" szientistisch, was aber unweigerlich dazu führt, dass "Wissenschaft sensu szientistisch" nur Handlanger in Geisteswissenschaften sein kann.
Das Problem tut sich nur dadurch auf, weil du dich nicht von deinen “Vorannahmen” lösen kannst. Du bleibst immer noch in der hermeneutischen Denkweise stecken.
Ja - auch ich bin bei Ratzinger darüber gestolpert, bis mir klar wurde, dass er damit sagen will: "Man muss sich zu seinen hermeneutischen Vorannahmen bewusst bekennen".
Dann nenn’s doch “Glaubensbekenntnis” und nicht “Glaubensentscheid”!
Verstehe nicht ganz, was Du damit sagen willst. ---- Mein Punkt dabei: "Die beste aller MÖGLICHEN Welten" kann auch heißen: "Mehr ist im Irdischen nicht drin".
Ja – das ist das gleiche. Die Täuschung war notwendig – mehr ist im Irdischen nicht drin.
Wahrheitssuche ist doch immer Sisyphos, oder nicht? - Und "hermeneutik" ist Ausdruck davon, erkennen zu WOLLEN. - Mehr sehe ich da nicht.
Es liegt an dem zwanghaften erkennen wollen, dass man am Ende gar nichts erkennt – wenn Hermeneutik wirklich ernst genommen wird.
Aha - da habe ich vom Mit-Foristen Anton viel gelernt, der als Wissenschaftler "Wissen" als das definiert, was innerhalb eines Modells an Beobachtungen mit dem Modell übereinstimmt - ersetze "Modell" mit "hermeneutischen Vorannahmen (das ist nicht dasselbe, passt hier aber besser). - Also konkret und zum Verständnis mit einem Unsinnsbeispiel: Wenn Deine Vorannahme ist, dass der Mensch 4 Ohren hat (weil Du selber 4 Ohren hast) und Du findest als erstes einen anderen Menschen, der ebenfalls 4 Ohren hat, dann ist es zu diesem Zeitpunkt "Wissen", dass der Mensch 4 Ohren hat - denn die Beobachtung stimmt mit Deinen Vorannahmen überein.

Mit anderen Worten:
1) Wissen ist Ausdruck des Status Quo,
2) Wissen ist eine innersystemische Größe.

Wik sagt dazu etwas Bezeichnendes:
"Als Wissen wird üblicherweise ein für Personen oder Gruppen verfügbarer Bestand von Fakten, Theorien und Regeln verstanden, die sich durch den höchstmöglichen Grad an Gewissheit auszeichnen, so dass von ihrer Gültigkeit bzw. Wahrheit ausgegangen wird. ... Paradoxerweise können als Wissen deklarierte Sachverhalts­beschreibungen wahr oder falsch, vollständig oder unvollständig sein".

Mit anderen Worten: Wichtig ist, dass eine Hermeneutik authentisch ist zu dem, was der Fall ist. - Nur, wenn diese Authentiztät gegeben ist (was wir nicht nachweisen können), können systemische Wissens-Ergebnisse ontisches Wissen sein. - Wann das so ist, können wir letztlich NICHT wissen.
“Authentisch” ist unklar.

Mich stört dazuhin das Wort “Fakten” in dem Wikipedia-Auszug da ungemein. Denn klickt man darauf, gelangt man hierzu:
Wikipedia: “Tatsache” hat geschrieben:Eine Tatsache (factum, res facti; altgriechisch πράγματα) ist je nach Auffassung ein wirklicher, nachweisbarer, bestehender, wahrer oder anerkannter Sachverhalt.
Und gerade doch das, die “Fakten” sind das große Problem. Wie auch in deiner von Anton inspirierten Theorie. Denn wissenschaftliche Beobachtung ist eine komplizierte Angelegenheit – du vermischst sie mit der alltäglichen Beobachtung.
Verstehe ich nicht. - Wodurch willst Du sie denn ersetzen? - Das einzige, was mir einfiele, wäre Mystik.
Na, durch was wohl? Durch Dekonstruktion natürlich. Das ist doch das einzige bekannte anti-hermeneutische, nachvollziehbare Vorgehen. D. h. nicht von Vorannahmen aus kreisend sich dem Sinn nähernd, sondern erkennen: Die Paradoxien sind es, die sinnstiftend sind.
Im obigen systemischen Sinn sehr wohl - ob systemisches Wissen auch universales/absolutes Wissen ist, können wir nicht wissen. - Dieser Gap bleibt immer. ------ Allerdings erwische ich mich oft genug, dass ich Dinge, die logisch und hermeneutisch und geistig als klar erscheinen, als "Wissen" berzeichne - das ist dann die Alltags-Schlamperei.
Du lenkst von der entscheidenden Frage ab: Wer weiß denn was systemisch? Das System oder der einzelne Mensch?
Das ist aber eine ganz andere Baustelle, die daher kommt, dass er aus "Beweis"/"Glauben" heraus den Menschen in einer exklusiven Stellung sieht, aus der er fälschlich ableitet, dass Tiere tatsächlich nichts fühlen.

Das ist ein Thema, das erst NACH der Klärung der Res-cogitans/Res extensa-Sache aufkommt, und nicht Teil dieser Problematik ist.
Mehrfach erklärt – und immer noch liegst du da ganz falsch. Denn das ist eine notwendige Konsequenz seiner Epistemologie. Wie du selbst geschrieben hast:
closs hat geschrieben:
Mi 4. Sep 2019, 23:45
Man HOFFT also, dass das eigene Abtasten der Welt nicht sinnlos ist - und da wären wir wieder bei Descartes' "wohlwollendem Gott", der uns nicht verarscht, weshalb wir mit diesem Gott im Rücken selbstbewusst ("rationalistisch") in die Welt gehen können. ---- Diese Verankerung des Rationalismus im Spirituellen gibt es heute nicht mehr - heute setzt man sich selbst.
Taucht da nach dieser “Klärung” auf einmal so was in der Welt auf, wie die vier aitia von Aristoteles (darunter Teleologie), oder fühlende Tiere (deren Fühlen man nicht gemäß Descartes’ Maßstäben nach beweisen kann), dann löst sich dieser neu gefunden Mut ganz schnell wieder auf.
Der Körper hat doch (im Irdischen) eine Funktion für den Geist - und natürlich geschehen im und mit dem Körper Dinge, die Ausdruck von Geistigem sind. - Oder andersrum: Christlich gesehen:

1) Es gibt die Res extensa.
2) Der Körper ist "Wohnstatt" des Geistes.
3) Durch den Körper wird Geistiges oder Wider-Geistiges manifestiert.
Eine “Wohnstatt” gibt etwas zurück an den, der darin wohnt. Genau das ist beim cartesischen Konzept des Körpers nicht der Fall. Oder führt in endlose Wirrungen.

closs
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#605 Re: KI >> Homo Deus

Beitrag von closs » Mi 11. Sep 2019, 21:15

Claymore hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 20:13
Du wirfst hier die Frage, woher die geistigen Schöpfungen, wie z. B. ein literarisches Werk, kommen mit der res extensae Diskussion zusammen.
Welcher Punkt ist hier der Deinige? - Fall Ersteres: Geistige Schöpfungen kommen von der Res cogitans, werden aber über die Res extensa sozusagen materialisiert, nachdem man entschieden/""bewiesen"/den Glaubensentscheid getroffen hat, dass die Res extensae "echt" sind.


Claymore hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 20:13
du musst schon unterscheiden zwischen (a) dem egozentrischen Idealismus und (b) dem trivialen Idealismus.
Wieso "Idealismus"? - Davon abgesehen: Descartes meint meines Erachtens (b).

Claymore hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 20:13
(b) ist wirklich wie die Diskussion über Gaul und Pferd, weil es keine Antwort gibt, was in seinem Rahmen der Unterschied zwischen “echten res extensae” und “vorgestellten res extensae” sein soll
Subjektiv nicht - in der Tat. --- Der Grund für diese Diskussion ist, weil diese Gleichheit einen dazu zwingt, sich für eine der beiden nicht-falsifizierbaren Versionen zu entscheiden - will heißen: Der Naturalismus kann nicht sagen, dass es "bewiesen" sei, dass die Res extensae "echt" seien - sie sind "entschieden".

Es geht hier um die Attitüde modernen Denkens, religiöses Denken basiere auf Glaube und naturalistisches Denken basiere auf Beweisen. - Falsch: Beides basiert auf Glauben. - Nur darum geht es (mir) bei Descartes im Hinblick auf heute.

Claymore hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 20:13
Nach christlicher Denke ist es eine exklusive Zuschreibung durch Gott ("Ebenbildlichkeit"), also per Schöpfungs-Anlage.

Was sich allerdings mit cogito ergo sum beißt.
Wieso denn DAS?????

Claymore hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 20:13
Ob man es "universal" oder religiös gefärbt "theozentrisch" nennt, ist im Ergebnis dasselbe.

Hätte ich nicht vermutet, da jetzt die menschliche Fähigkeit des logischen Denkens als Teil der theozentrischen Vernunft durchgehen soll.
War da von "logischem Denken" die Rede? ---- Wichtiger ist die Hinwendung durch das ebenbildliche Vermögen, es tun zu können - natürlich ist diese Hinwendung auf einer anderen Ebene als die göttliche Ebene - aber sie besetzt einen Korridor, der die Richtung angibt. - Mit intellektuellem Denken hat das nicht mehr viel zu tun.

Claymore hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 20:13
Aber auf Egozentrik läuft es ja nun mal hinaus. Zumindest wenn man bzgl. des Ichs den Weg Descartes’ geht.
Das ist die alte Aporie:
Ist es egozentrisch, wenn man mit dem Ich (weil man nichts anderes hat) feststellt, dass die Welt NICHT egozentrisch gesehen sein soll?

Claymore hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 20:13
Ja – aber Sartres philosophische Romane stehen für sich.
Kenne ich leider nicht. ---- Allgemeine Bemerkung: Es ist oft so, dass SChriftsteller/Philosophen verschiedene Positionen vertreten - auch Heideggers Philosophie ist nach seiner "Kehre" anders gepolt als vorher - Schiller hat eine klassisch-erzieherische und dann eine pessimistisch-ironische Phase - etc.

Claymore hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 20:13
Das Problem tut sich nur dadurch auf, weil du dich nicht von deinen “Vorannahmen” lösen kannst. Du bleibst immer noch in der hermeneutischen Denkweise stecken.
Alternative? ---- Mir scheint das Problem darin zu liegen, dass viele Leute hermeneutisch denken, es aber nicht merken, und sich deshalb als hermeneutik-frei bezeichnen. ----- Gadamer würde sagen, dass man nie um die Verschmelzung des Subjekt-objekt-Horizonts herumkommt.

Claymore hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 20:13
Dann nenn’s doch “Glaubensbekenntnis” und nicht “Glaubensentscheid”!
Wäre mir persönlich sogar lieber - ich habe halt Ratzinger aufgenommen.

Claymore hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 20:13
Ja – das ist das gleiche. Die Täuschung war notwendig – mehr ist im Irdischen nicht drin.
Naja - das würde Descartes gefallen, weil das zu dem Nicht-Unterscheiden-Können von "Vorstellung" und "echt" passt.

Claymore hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 20:13
Es liegt an dem zwanghaften erkennen wollen, dass man am Ende gar nichts erkennt – wenn Hermeneutik wirklich ernst genommen wird.
Jein - wer Umwege macht, lernt die Gegend kennen. - Die Erkenntnis, letztlich nichts erkennen zu können, ist im Grunde (Achtung: Oxymoron) eine große Erkenntnis.

Claymore hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 20:13
“Authentisch” ist unklar.
In der Richtung auf das zu, was man sucht (aber man weiß es halt nicht, sondern kann nur immer wieder mal Bestätigungen bekommen). ---- Wenn Du nach Freiburg willst und fährst von München aus gen Norden, ist diese Richtung/dieser Aktivitäts-Korridor NICHT authentisch mit dem Ziel - wenn Du nach Westen fährst schon, selbst wenn dann noch der Schwarzwald dazwischen ist.

Claymore hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 20:13
Denn wissenschaftliche Beobachtung ist eine komplizierte Angelegenheit – du vermischst sie mit der alltäglichen Beobachtung.
Moment: Bei Naturwissenschaft gibt es dieses Problem so gut wie nicht - es gibt zwar auch da ontische Fragestellungen, die man aber vernachlässigen kann, weil sie Naturwissenschaft in der Regel nicht um geistige Fragestellungen kümmert.

Meine Aussagen beziehen sich auf geisteswissenschaftliche Aussagen, die nolens volens immer hermeneutischer Natur sind (und mit "geisteswissenschaftlich" meine ich NICHT "Ich kann nachweisen, dass Adenauer 1875 geboren wurde").

Claymore hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 20:13
Mich stört dazuhin das Wort “Fakten” in dem Wikipedia-Auszug da ungemein. Denn klickt man darauf, gelangt man hierzu:

Wikipedia: “Tatsache” hat geschrieben:
Eine Tatsache (factum, res facti; altgriechisch πράγματα) ist je nach Auffassung ein wirklicher, nachweisbarer, bestehender, wahrer oder anerkannter Sachverhalt.
Stimmt - passt nicht. ---- Wenn es KEIN Fehler ist, könnte es bedeuten (Thaddäus hat in diese Richtung gesprochen - zunächst mal Closs):

1) "Factum" heißt "das Gemachte" (facere - factum) - also nicht das, was der Fall ist (im Idealfall soll es so sein), sondern das "gemacht" ist. - Von WEM gemacht? Vom Forscher. Also ein methodisches Ergebnis.

2) Thaddäus sagt nun nach meiner Erinnerung, dass "wahr" nicht das, was der Fall ist, ist, sondern Aussagen dazu - also letztlich methodische ("gemachte" - "factum")-Aussagen.

3) Mit anderen Worten: Wik KÖNNTE meinen:
"Wahrheit ist das methodisch fehlerfrei 'Gemachte' ". - Würde mich nicht wundern, weil es zu Thaddäi 8-) Aussage passt - und Thaddäus denkt auf der Höhe der Zeit, was ich inhaltlich selbstverständlich ablehne. - Aber das ist hier nicht das Thema.

Claymore hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 20:13
Na, durch was wohl? Durch Dekonstruktion natürlich.
Habe nie verstanden, wie das praktisch funktionieren soll. - Nimm mal ein konkretes Beispiel und zeige, wie Dekonstrukionismus anders damit umgehen würde - und vor allem: Mit welchem Ergebnis.

Claymore hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 20:13
Wer weiß denn was systemisch? Das System oder der einzelne Mensch?
Der Mensch. - Ein System weiß nichts, weil es kein Bewusstsein hat. --- Wissen ist durch den Menschen definiert als das, was innerhalb eines System gewissen Kriterien gerecht wird - und wenn dieser Fall eintritt, "weiß" der Mensch etwas. - So ist es zumindestens in der Wissenschaft - im Alltag definiert man "Wissen" anders.

Claymore hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 20:13
Taucht da nach dieser “Klärung” auf einmal so was in der Welt auf, wie die vier aitia von Aristoteles (darunter Teleologie), oder fühlende Tiere (deren Fühlen man nicht gemäß Descartes’ Maßstäben nach beweisen kann), dann löst sich dieser neu gefunden Mut ganz schnell wieder auf.
Was haben Kausalitäts-Modelle mit dem Glaubensbekenntnis zu tun, dass die Welt "echt" ist?

Claymore hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 20:13
Eine “Wohnstatt” gibt etwas zurück an den, der darin wohnt. Genau das ist beim cartesischen Konzept des Körpers nicht der Fall. Oder führt in endlose Wirrungen.
Wieso das? - Die Wohnstatt, WENN es sie gibt (res extensae), was von Descartes bejaht wird, gibt dem Bewohner die Möglichkeit, innerhalb der Res-extensa-Welt zu kommunizieren. - Ist das nichts?

JackSparrow
Beiträge: 5501
Registriert: Mi 30. Okt 2013, 13:28

#606 Re: KI >> Homo Deus

Beitrag von JackSparrow » Mi 11. Sep 2019, 23:01

closs hat geschrieben:
Fr 6. Sep 2019, 23:38
1) Warum "unecht"?
Weder kannst du sagen "was der Fall ist" noch kannst du sagen, wieso jemand damit nicht auf "selber Ebene" sein sollte. Du hast nur hier und da ein paar Begriffe aufgeschnappt, die du jetzt mechanisch wiederholst, genauso wie Helmuth mit seiner Auffassung von Lebendigkeit. Alles nur Fantasiekonstrukte und inhaltsleere philsosophische Wortspielchen.


Helmuth hat geschrieben:
Sa 7. Sep 2019, 00:50
Weißt was, frag deine KI.
Du räumst also ein, dich hier aus rein religiösen Motiven geäußert zu haben und dir in Wahrheit keinesfalls sicher zu sein, in welchen Fällen eine KI als lebendig oder als nicht lebendig zu bezeichnen ist?


Claymore hat geschrieben:
Sa 7. Sep 2019, 16:42
Sagen wir es mal so: All die Kunstwerke in dieser Welt, alle Literatur – Descartes musste sagen: “Mein Geist hat sie alle geschaffen!”
All die Kunstwerke in dieser Welt und alle Literatur wurden von einem Körper geschaffen. Niemand konnte je das Gegenteil beobachten.


Thaddaeus hat geschrieben:
Di 10. Sep 2019, 19:45
JackSparrow versucht das Problem dadurch zu umgehen, dass er vorgibt, nicht zu verstehen, was gemeint ist.
Ich verstehe, dass du die Farbe Gelb für einen "phänomenalen qualitativen Bewussteinsinhalt" hältst, welcher deiner Meinung nach durch ein weiteres hypothetisches Ding verursacht wird, das selbst keinen "phänomenalen qualititativen Bewusstseinsinhalt" darstellt und das daher "in Wirklichkeit" auch nicht gelb ist. Klassischer descartscher Dualismus.

Aber das ist keine besonders erfolgversprechende Strategie, denn tatächlich weiß jeder ganz genau, was gemeint ist (da jeder Mensch Empfindungen hat
Was ist der Unterschied zwischen einem empfundenem Schmerz und einem nicht empfundenen Schmerz?

Aber dass da kein Käfer sein KÖNNTE heißt eben nicht, dass da tatsächlich kein Käfer ist! Darin liegt der übergeneralisierende Fehlschluss.
Dein Fehlschluss liegt darin, dass ein anderer in der Schachtel einen Käfer sehen könnte, während du selbst die Schachtel für leer hältst. So wie Christen gelegentlich mit einem Ding reden, das du für eine weiße Wand hältst, während sie selbst dabei aber glauben, sie würden sich mit Jesus unterhalten.

Ich halte es auch für einen Fundamentalirrtum zu glauben, Wissenschaft könne betrieben werden und sei objektiv, wenn der Mensch als Forschender dabei eigentlich keine Bedeutung habe.
Wissenschaft kann betrieben werden, wenn sich die Menschen auf ein einheitliches Vokabular einigen.

closs
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#607 Re: KI >> Homo Deus

Beitrag von closs » Do 12. Sep 2019, 00:42

JackSparrow hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 23:01
Weder kannst du sagen "was der Fall ist" noch kannst du sagen
Irrelevant - meine Aussage ist, dass es diesen Fall gibt, ob wir ihn begreifen oder nicht.

JackSparrow hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 23:01
noch kannst du sagen, wieso jemand damit nicht auf "selber Ebene" sein sollte.
Unter Bedingungen kann man das schon sagen: WENN unser VErständnis-Horizont das Maß des Seins ist, stehen wir auf selber Ebene - aber das muss m an setzen - mit anderen Worten: Es stimmt oder es stimmt NICHT.

Claymore
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#608 Re: KI >> Homo Deus

Beitrag von Claymore » Fr 13. Sep 2019, 23:03

closs hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 21:15
Claymore hat geschrieben:
Mi 11. Sep 2019, 20:13
Du wirfst hier die Frage, woher die geistigen Schöpfungen, wie z. B. ein literarisches Werk, kommen mit der res extensae Diskussion zusammen.
Welcher Punkt ist hier der Deinige? - Fall Ersteres: Geistige Schöpfungen kommen von der Res cogitans, werden aber über die Res extensa sozusagen materialisiert, nachdem man entschieden/""bewiesen"/den Glaubensentscheid getroffen hat, dass die Res extensae "echt" sind.
Nein, wieder falsch herum. Das reicht nicht, denn die Annahme der res extensae schließt noch lange nicht die Existenz anderer res cogitantes ein.
Wieso "Idealismus"? - Davon abgesehen: Descartes meint meines Erachtens (b).
Weil’s Idealismus ist – auch Kant hat es Idealismus genannt. Wenn Descartes (b) meint, warum hast du dann dich darauf verlagert zu zeigen, dass (a) einen echten Unterschied macht?
Subjektiv nicht - in der Tat. --- Der Grund für diese Diskussion ist, weil diese Gleichheit einen dazu zwingt, sich für eine der beiden nicht-falsifizierbaren Versionen zu entscheiden - will heißen: Der Naturalismus kann nicht sagen, dass es "bewiesen" sei, dass die Res extensae "echt" seien - sie sind "entschieden".
Um Naturalismus ging’s hier nicht. Es ging darum, was überhaupt für ein Unterschied besteht. Da kam bis jetzt noch nichts außer:
closs hat geschrieben:
So 8. Sep 2019, 18:18
In der Wahrnehmung ist kein Unterschied, aber ontisch. - Es ist ein Unterschied, ob Claymore und dessen Posts Vorstellungen von mir sind oder ob es einen Claymore auch ohne meine Vorstellung der Fall ist. - Nicht in der Praxis, aber philosophisch (mit allen Konsequenzen).
was sich aber auf den egozentrischen Idealismus bezieht, nicht auf den trivialen. Da ich nicht sehe, dass die Wahrheit oder Falschheit des trivialen Idealismus einen Unterschied macht, halte ich die Frage für bedeutungslos.
Es geht hier um die Attitüde modernen Denkens, religiöses Denken basiere auf Glaube und naturalistisches Denken basiere auf Beweisen. - Falsch: Beides basiert auf Glauben. - Nur darum geht es (mir) bei Descartes im Hinblick auf heute.
Du musst es mir dir selbst ausmachen, nur die schwächsten Vertreter des Naturalismus widerlegen zu wollen. Beeindruckender und mutiger wäre es, sich mit den stärksten auseinanderzusetzen. Und die sagen obiges üblicherweise nicht. Sondern: Der Naturalismus kann bereits alles erklären – kommt aber mit den wenigsten Annahmen aus.
Wieso denn DAS?????
Weil im “cogito” nichts von der “Ebenbildlichkeit” drinsteckt.
Das ist die alte Aporie:
Ist es egozentrisch, wenn man mit dem Ich (weil man nichts anderes hat) feststellt, dass die Welt NICHT egozentrisch gesehen sein soll?
Meiner Ansicht nach folgt da aus der Egozentrik nur weitere Egozentrik. Aber darüber hatten wir schon am Beispiel Katharer diskutiert.
Alternative? ---- Mir scheint das Problem darin zu liegen, dass viele Leute hermeneutisch denken, es aber nicht merken, und sich deshalb als hermeneutik-frei bezeichnen. ----- Gadamer würde sagen, dass man nie um die Verschmelzung des Subjekt-objekt-Horizonts herumkommt.
Es ging ihm aber um einen Horizont, der über die Grenzen des Gegenwärtigen hinaus die Geschichtstiefe unseres Selbstbewußtseins umfasst.
Naja - das würde Descartes gefallen, weil das zu dem Nicht-Unterscheiden-Können von "Vorstellung" und "echt" passt.
Allerdings hier genau anders herum. Die Täuschung liegt im “cogito ergo sum”.
Jein - wer Umwege macht, lernt die Gegend kennen. - Die Erkenntnis, letztlich nichts erkennen zu können, ist im Grunde (Achtung: Oxymoron) eine große Erkenntnis.
Da bist du wieder ganz der Dogmatiker: “Im Ganzen existieren die Teile nicht mehr.”
In der Richtung auf das zu, was man sucht (aber man weiß es halt nicht, sondern kann nur immer wieder mal Bestätigungen bekommen). ---- Wenn Du nach Freiburg willst und fährst von München aus gen Norden, ist diese Richtung/dieser Aktivitäts-Korridor NICHT authentisch mit dem Ziel - wenn Du nach Westen fährst schon, selbst wenn dann noch der Schwarzwald dazwischen ist.
Du musst dich schon mal entscheiden: Entweder es gibt “ontisches” Wissen, sei es noch so klein – wie z. B. dass etwas eine Bestätigung darstellt. Oder alles endet im Radikalskeptizismus und dein “authentisch” wird zur rein subjektiven Größe.
Moment: Bei Naturwissenschaft gibt es dieses Problem so gut wie nicht - es gibt zwar auch da ontische Fragestellungen, die man aber vernachlässigen kann, weil sie Naturwissenschaft in der Regel nicht um geistige Fragestellungen kümmert.

Meine Aussagen beziehen sich auf geisteswissenschaftliche Aussagen, die nolens volens immer hermeneutischer Natur sind (und mit "geisteswissenschaftlich" meine ich NICHT "Ich kann nachweisen, dass Adenauer 1875 geboren wurde").
Ach, es sollte nicht um Naturwissenschaft gehen? Warum hast du dann auf Modelle Bezug genommen? Meintest du etwa “geisteswissenschaftliche Modelle”? Was soll das denn sein?

Stimmt - passt nicht. ---- Wenn es KEIN Fehler ist, könnte es bedeuten (Thaddäus hat in diese Richtung gesprochen - zunächst mal Closs):

1) "Factum" heißt "das Gemachte" (facere - factum) - also nicht das, was der Fall ist (im Idealfall soll es so sein), sondern das "gemacht" ist. - Von WEM gemacht? Vom Forscher. Also ein methodisches Ergebnis.

2) Thaddäus sagt nun nach meiner Erinnerung, dass "wahr" nicht das, was der Fall ist, ist, sondern Aussagen dazu - also letztlich methodische ("gemachte" - "factum")-Aussagen.

3) Mit anderen Worten: Wik KÖNNTE meinen:
"Wahrheit ist das methodisch fehlerfrei 'Gemachte' ". - Würde mich nicht wundern, weil es zu Thaddäi 8-) Aussage passt - und Thaddäus denkt auf der Höhe der Zeit, was ich inhaltlich selbstverständlich ablehne. - Aber das ist hier nicht das Thema.
Nur spricht Wikipedia von “Tatsache”. Das hört sich nun wirklich nicht nach “Aussage” an.
Habe nie verstanden, wie das praktisch funktionieren soll. - Nimm mal ein konkretes Beispiel und zeige, wie Dekonstrukionismus anders damit umgehen würde - und vor allem: Mit welchem Ergebnis.
Wende es z. B. auf Descartes an, dass das “Ich” in “Ich denke also bin ich” bereits vorausgesetzt wird im “Ich” des “Ich denke”, und jede Notwendigkeit, die der Schluss besitzt nur in der Logik liegt, die nichts über tatsächlich existierende Dinge aussagen kann. Das Ergebnis: Descartes zweifelt selektiv, und sein Programm zielt in Wirklichkeit darauf ab, die cartesische Denkstruktur zu schaffen. Eine Denkstruktur, deren Ziel nicht die edle rationalistische Wahrheitsfindung ist, sondern die nur eine Art Psychotherapie darstellt (wie er es selbst an einer Stelle sogar verstohlen zugibt). Bewerten wir die cartesische Denkstruktur jedoch danach, dann ist sie gescheitert. Sie hat die Menschen nicht beruhigen können. Aber darin liegt dann wohl wiederum ihr echter Wert als rationalistische Philosophie.
Der Mensch. - Ein System weiß nichts, weil es kein Bewusstsein hat. --- Wissen ist durch den Menschen definiert als das, was innerhalb eines System gewissen Kriterien gerecht wird - und wenn dieser Fall eintritt, "weiß" der Mensch etwas. - So ist es zumindestens in der Wissenschaft - im Alltag definiert man "Wissen" anders.
Das Problem ist, dass ein System nicht von einem einzigen Menschen geschaffen wurde (oder zumindest erhält es seinen Status als “anerkannt” nicht durch einen Menschen); erst recht nicht in der Wissenschaft, auf die du doch hinaus willst.
Was haben Kausalitäts-Modelle mit dem Glaubensbekenntnis zu tun, dass die Welt "echt" ist?
Was das “echt” sein soll, das wissen wir noch gar nicht.

Der Grund, warum beides zusammenhängt, ist, dass für Decartes mit einem einzigen “Beweis” alle philosophischen Fragen im wesentlichen abgehakt sind. Wie “der Krieg, der alle Kriege beenden sollte” hier: Die Philosophie, die alle Philosophie beenden sollte. Das macht das Verführerische seiner Philosophie aus. Ohne die harte Dichotomie der res cogitans vs. res extensa – subjektiv, von Bedeutung und Wert überquellend (die Arena der Geisteswissenschaft) vs. objektiv, mechanistisch und wert-befreit (die Arena der Naturwissenschaft) – scheitert dieses Projekt. Denn dann weiß man: der eine “Beweis” war doch erst der Anfang.
Wieso das? - Die Wohnstatt, WENN es sie gibt (res extensae), was von Descartes bejaht wird, gibt dem Bewohner die Möglichkeit, innerhalb der Res-extensa-Welt zu kommunizieren. - Ist das nichts?
Naja, weil der Körper selbst schon mechanistische res extensa ist. Der Geist hakt da ein und schiebt ihn herum. Warum der cartesische Geist nicht wie ein Poltergeist gleich direkt z. B. einen Tisch herumschiebt ist unklar.

closs
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#609 Re: KI >> Homo Deus

Beitrag von closs » Sa 14. Sep 2019, 00:35

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
Nein, wieder falsch herum. Das reicht nicht, denn die Annahme der res extensae schließt noch lange nicht die Existenz anderer res cogitantes ein.
Dann wäre das, was wir "Denken" nennen, genuines Produkt der Res extensae - das ist doch gerade der Gegenentwurf und heute modern.

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
Wenn Descartes (b) meint, warum hast du dann dich darauf verlagert zu zeigen, dass (a) einen echten Unterschied macht?
Ontisch ist das so (nicht in der Wahrnehmung, da wir es nicht unterscheiden können).

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
Da ich nicht sehe, dass die Wahrheit oder Falschheit des trivialen Idealismus einen Unterschied macht, halte ich die Frage für bedeutungslos.
Aber Du musst doch über das eigene Wahrnehmungsvermögen hinausschauen: "Ich kann keinen Unterschied per sinnlicher/wissenschaftlicher Wahrnehmung erkennen, aber per Geist sehr wohl".

Und wie gesagt: Wichtig ist das für das Selbstverständnis von Wissenschaft und Naturalismus.

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
Der Naturalismus kann bereits alles erklären – kommt aber mit den wenigsten Annahmen aus.
Aber eventuell um den Preis, dass er es ontisch falsch erklärt - dass er es systemisch kann, streite ich nicht ab. ---- Meinst Du, dass die Oberklasse der Naturalisten zwischen ontisch und systemisch unterscheidet?

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
Weil im “cogito” nichts von der “Ebenbildlichkeit” drinsteckt.
Das kannst Du persönlich glauben - aber hier klingt es so, als sei es ein Faktum. - Wie meinst Du es?

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
Meiner Ansicht nach folgt da aus der Egozentrik nur weitere Egozentrik. Aber darüber hatten wir schon am Beispiel Katharer diskutiert.
Also wirklich: Wenn wir zum Ergebnis kommen, dass die menschliche Vernunft zum Ergebnis kommt, dass die menschliche Vernunft nicht der höchste Maßstab ist, und dies anthropozentrisch nennt, gibt's Probleme mit der Sprache an sich - dann landen wir irgendwann bei "Fair ist foul and foul is fair".

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
Es ging ihm aber um einen Horizont, der über die Grenzen des Gegenwärtigen hinaus die Geschichtstiefe unseres Selbstbewußtseins umfasst.
Das gilt für alles.

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
Die Täuschung liegt im “cogito ergo sum”.
Das ist Glaubenssache. - LEtztlich läuft es darauf hinaus, ob man einen "wohlwollenden Gott" postuliert, der einem nicht eine Welt vorgaukelt, die es nicht gibt, oder man macht die res extensae zum Gott, der die Res cogitans belehrt, wenn es Dissonanzen gibt. - Reine Glaubenssache - beides ist denkerisch möglich.

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
Da bist du wieder ganz der Dogmatiker: “Im Ganzen existieren die Teile nicht mehr.”
Diesen Kontext verstehe an dieser Stelle NICHT. - Unabhängig davon meine ich in der Tat, dass das Ganze kategorial etwas anderes ist als die Summe seiner Puzzles.

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
Entweder es gibt “ontisches” Wissen, sei es noch so klein – wie z. B. dass etwas eine Bestätigung darstellt. Oder alles endet im Radikalskeptizismus und dein “authentisch” wird zur rein subjektiven Größe.
Denkfehler:
1) Ontisches "Wissen" gibt es nicht, da "Wissen" eine systemische Größe ist.
2) Eine Bestätigung würde ich nicht als "Wissen" bezeichnen, sondern als Hinweis, dass ein hermeneutischer Ansatz in Bezug auf die ontische Realität an dieser Stelle funktioniert.
3) Authentisch ist NIE subjektive Größe - gerade NICHT - , weil wir ja nie "wissen" können, ob unser Ansatz WIRKLICH authentisch ist. - Aber immer wieder: Solche philosphischen Überlegungen taugen nichts für Naturwissenschaft (da gelten handwerkliche Regeln), sondern nur für philosophische Fragen, deren Antworten allerdings Einfluss nehmen können auf wissenschafts-philosohische Probleme.

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
Ach, es sollte nicht um Naturwissenschaft gehen?
Nur in Bezug auf die Grundlagen derselben.

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
Meintest du etwa “geisteswissenschaftliche Modelle”? Was soll das denn sein?
Im Grunde ist jeder hermeneutische Ansatz ein Modell: "Ich untersuche die Geschichte nach folgenden .... Regeln, denen folgende ... Vorannahmen <wenn man sie als solche erkennt :silent: > zugrunde liegen".

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
Nur spricht Wikipedia von “Tatsache”. Das hört sich nun wirklich nicht nach “Aussage” an.
Und was meint wik mit "Tatsache"? - Etwa ein "Faktum"? :lol: - Dann drehen wir uns im Kreis. ----- Man kann, wenn man will, "Tatsache" definieren als das, was von der Wissenschaft als "Faktum" bezeichnet wird. ---- Aber damit ist kein Jota von dem geklärt, was ich vorher referiert habe.

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
Wende es z. B. auf Descartes an, dass das “Ich” in “Ich denke also bin ich” bereits vorausgesetzt wird im “Ich” des “Ich denke”, und jede Notwendigkeit, die der Schluss besitzt nur in der Logik liegt, die nichts über tatsächlich existierende Dinge aussagen kann. Das Ergebnis: Descartes zweifelt selektiv, und sein Programm zielt in Wirklichkeit darauf ab, die cartesische Denkstruktur zu schaffen.
Letzteres ist eh klar. --- Aber vorher: Man muss doch etwas per Sprache benennen, um zu kommunizieren. - Konkret: Descartes bezeichnet das, was aus ihm bewusst denkt, fühlt, wahrnimmt als "ICH" - er könnte auch "LÖKLERJH" dafür sagen. - Aber er kann nicht " ---" dazu sagen.

Und natürlich geht er radikal-skeptizistisch mit dem, was er ICH nennt, um: Es könnte sich in allem täuschen - die Welt könnte seine krankhafte Phantasie sein - das Ablesen von wissenschaftlichen Messgeräten dito - und Closs könnte aus Sicht von Claymore ebenfalls seine, Claymores, Phantasie sein - wenn DAS nicht skeptizistisch ist, weiß ich nicht. ----- Und jetzt kommt ja der berühmte Pukt: "Egal, ob das, was ICH genannt ist, teilweise oder gar total daneben ist: Es ist existent, weil es sonst nicht daneben liegen könnte". - Was ist hier aus Deiner Sicht nicht skeptizistisch?

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
Das Problem ist, dass ein System nicht von einem einzigen Menschen geschaffen wurde
Welche Rolle spielt das? - Entscheidend ist, dass es ein menschliches Produkt ist.

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
zumindest erhält es seinen Status als “anerkannt” nicht durch einen Menschen
Doch - von wem denn sonst?

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
Was das “echt” sein soll, das wissen wir noch gar nicht.
Deswegen sage ich doch "Glaubensbekenntnis".

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
Der Grund, warum beides zusammenhängt, ist, dass für Decartes mit einem einzigen “Beweis” alle philosophischen Fragen im wesentlichen abgehakt sind.
Das ist einer seiner Irrtümer - im Grunde war es kein "Beweis", sondern ein "Glaubensentscheid". ---- Entscheidend für mich ist hier, dass BEIDES dasselbe aussagt: NAturwissenschaft kann ontisch nicht nachweisen, dass das, was sie untersucht, keine Vorstellung, sondern ontische Größe ist" (wiewohl wir alle glauben - auch ich - , dass die natur "echt" ist). - Aber die Naturwissenschaft ist hier kein "Selbstversorger" - sie kann mit ihren Mitteln diese Frage nicht lösen.

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
Naja, weil der Körper selbst schon mechanistische res extensa ist.
Genau das wissen wir ja nicht, sondern können es nur glauben.

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
Der Geist hakt da ein und schiebt ihn herum.
Oder (was ich persönlich vermute) ist inhärent in der Materie. --- Hier könnte man ein ganz neues Faß aufmachen und Fragen, WaRUM es überhaupt Materie gibt.

Claymore hat geschrieben:
Fr 13. Sep 2019, 23:03
Warum der cartesische Geist nicht wie ein Poltergeist gleich direkt z. B. einen Tisch herumschiebt ist unklar.
Weil es Descartes darum geht, ob dieser Tisch nur Vorstellung des Poltergeists ist oder "echt". - Über Deine Frage hier hat Descartes möglicehrweise nie nachgedacht (warum auch).

Claymore
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#610 Re: KI >> Homo Deus

Beitrag von Claymore » Sa 14. Sep 2019, 13:56

closs hat geschrieben:
Sa 14. Sep 2019, 00:35
Dann wäre das, was wir "Denken" nennen, genuines Produkt der Res extensae - das ist doch gerade der Gegenentwurf und heute modern.
Ich habe geschrieben: anderer res cogitantes! Bisschen aufmerksamer lesen.
closs hat geschrieben:
Sa 14. Sep 2019, 00:35
Ontisch ist das so (nicht in der Wahrnehmung, da wir es nicht unterscheiden können).
Was soll denn der Unterschied zwischen Vorstellung und “echt”, wie du die Begriffe verwendest, bitte sein?
closs hat geschrieben:
Sa 14. Sep 2019, 00:35
Aber Du musst doch über das eigene Wahrnehmungsvermögen hinausschauen: "Ich kann keinen Unterschied per sinnlicher/wissenschaftlicher Wahrnehmung erkennen, aber per Geist sehr wohl".
Ich erkenne da keinen Unterschied “per Geist”. Du verwendest “Vorstellung” und “echt” so, dass da kein Unterschied ist.

Vorstellung sensu closs = “echt” sensu closs

Was soll der Unterschied denn sein?
closs hat geschrieben:
Sa 14. Sep 2019, 00:35
Und wie gesagt: Wichtig ist das für das Selbstverständnis von Wissenschaft und Naturalismus.
Deine Behauptung. Kannst du sie auch begründen?
closs hat geschrieben:
Sa 14. Sep 2019, 00:35
Aber eventuell um den Preis, dass er es ontisch falsch erklärt - dass er es systemisch kann, streite ich nicht ab. ---- Meinst Du, dass die Oberklasse der Naturalisten zwischen ontisch und systemisch unterscheidet?
Die Frage ist halt wie man zu “entia non sunt multiplicanda” steht. Du wirst, wie es dir gerade nutzt, manches der anthropozentrischen Vernunft und manches der theozentrischen Vernunft zuschlagen. Viel mehr als das triviale “könnte auch alles ganz anders sein” kommt dabei nicht heraus.
closs hat geschrieben:
Sa 14. Sep 2019, 00:35
Das kannst Du persönlich glauben - aber hier klingt es so, als sei es ein Faktum. - Wie meinst Du es?
Naja, bei Descartes spielt diese Annahme am Anfang keine Rolle, darf keine Rolle spielen. Es muss also auf einer anderen Definition basieren.
closs hat geschrieben:
Sa 14. Sep 2019, 00:35
Also wirklich: Wenn wir zum Ergebnis kommen, dass die menschliche Vernunft zum Ergebnis kommt, dass die menschliche Vernunft nicht der höchste Maßstab ist, und dies anthropozentrisch nennt, gibt's Probleme mit der Sprache an sich - dann landen wir irgendwann bei "Fair ist foul and foul is fair".
Wenn “die menschliche Vernunft [ist] nicht der höchste Maßstab” denn nur die Konsequenz wäre…
closs hat geschrieben:
Sa 14. Sep 2019, 00:35
Das ist Glaubenssache. - LEtztlich läuft es darauf hinaus, ob man einen "wohlwollenden Gott" postuliert, der einem nicht eine Welt vorgaukelt, die es nicht gibt, oder man macht die res extensae zum Gott, der die Res cogitans belehrt, wenn es Dissonanzen gibt. - Reine Glaubenssache - beides ist denkerisch möglich.
Da wir immer noch nicht den Unterschied festgenagelt haben zwischen der vorgegaukelten und “echten” Welt, ist dieser Schluss eh murks.
closs hat geschrieben:
Sa 14. Sep 2019, 00:35
Diesen Kontext verstehe an dieser Stelle NICHT. - Unabhängig davon meine ich in der Tat, dass das Ganze kategorial etwas anderes ist als die Summe seiner Puzzles.
Das Problem ist, dass dein “Oxymoron” (eigentlich Selbst-Widerspruch – du hast wohl ein Faible für falsche Verwendung gängiger Fachtermini aus Philosophie und Literaturwissenschaften. Ich sage nur Hermeutik…) ein “Oxymoron” bleibt, auch wenn du darauf hinweist.

Willst du die Logik transzendieren oder lieber doch nicht? Entscheide dich mal.
closs hat geschrieben:
Sa 14. Sep 2019, 00:35
Denkfehler:
1) Ontisches "Wissen" gibt es nicht, da "Wissen" eine systemische Größe ist.
2) Eine Bestätigung würde ich nicht als "Wissen" bezeichnen, sondern als Hinweis, dass ein hermeneutischer Ansatz in Bezug auf die ontische Realität an dieser Stelle funktioniert.
3) Authentisch ist NIE subjektive Größe - gerade NICHT - , weil wir ja nie "wissen" können, ob unser Ansatz WIRKLICH authentisch ist. - Aber immer wieder: Solche philosphischen Überlegungen taugen nichts für Naturwissenschaft (da gelten handwerkliche Regeln), sondern nur für philosophische Fragen, deren Antworten allerdings Einfluss nehmen können auf wissenschafts-philosohische Probleme.
Du kratzt an der Oberfläche. Wo ist der Platz für das System in deiner Ontologie? Irgendwie muss es ja existieren, wenn es so eine bedeutende Rolle einnimmt. Und ob eine “Bestätigung” ein “Hinweis” ist … ist das objektiv? Du näherst dich immer wieder einem Wissen, das irgendwie wenigstens eine objektiv höhere Wahrscheinlichkeit besitzt, wahr zu sein, auf verschiedene Routen an, machst aber im letzten Moment einen Rückzieher.
closs hat geschrieben:
Sa 14. Sep 2019, 00:35
Nur in Bezug auf die Grundlagen derselben.
Genau darauf hat sich doch mein Hinweis mit den wissenschaftlichen Beobachtungen bezogen. Worauf du dann entgegnet hast, dass es hier nicht um Naturwissenschaft geht! Was denn nun?
closs hat geschrieben:
Sa 14. Sep 2019, 00:35
Im Grunde ist jeder hermeneutische Ansatz ein Modell: "Ich untersuche die Geschichte nach folgenden .... Regeln, denen folgende ... Vorannahmen <wenn man sie als solche erkennt :silent: > zugrunde liegen".
Und das hatte Anton, den du hier als Autorität zitierst, im Sinn gehabt?
closs hat geschrieben:
Sa 14. Sep 2019, 00:35
Und was meint wik mit "Tatsache"? - Etwa ein "Faktum"? :lol: - Dann drehen wir uns im Kreis. ----- Man kann, wenn man will, "Tatsache" definieren als das, was von der Wissenschaft als "Faktum" bezeichnet wird. ---- Aber damit ist kein Jota von dem geklärt, was ich vorher referiert habe.
Du hast hier mit dem etymologischen Exkurs angefangen. Das geklärte Iota ist wohl, dass Wikipedia in Bezug auf die Philosophie nicht so furchtbar ernst zu nehmen ist.
closs hat geschrieben:
Sa 14. Sep 2019, 00:35
Letzteres ist eh klar. --- Aber vorher: Man muss doch etwas per Sprache benennen, um zu kommunizieren. - Konkret: Descartes bezeichnet das, was aus ihm bewusst denkt, fühlt, wahrnimmt als "ICH" - er könnte auch "LÖKLERJH" dafür sagen. - Aber er kann nicht " ---" dazu sagen.
Das erscheint dir so, weil du andauernd Konzepte mit Worten verwechselst. Da kommt dann philosophisch auch nichts heraus. Wenn LÖKLERJH ein Wort für das Konzept, das man üblicherweise mit “Ich” bezeichnet, ist, dann ist es egal. Nur ist das in der deutschen Sprache natürlich nicht so. “LÖKLERJH denkt, also existiert LÖKLERJH” können wir auf logischer Ebene als wahr erkennen. Aber der (rudimentäre) transportierte Inhalt ist doch ein ganz anderer. Z. B. könnte das auch ein KI-Forscher über einen Großrechner namens LÖKLERJH sagen. Die entscheidende Frage ist: wie kommt man erst mal zu “Ich denke”. Wobei wir unter “Ich” das übliche verstehen?
closs hat geschrieben:
Sa 14. Sep 2019, 00:35
Und natürlich geht er radikal-skeptizistisch mit dem, was er ICH nennt, um: Es könnte sich in allem täuschen - die Welt könnte seine krankhafte Phantasie sein - das Ablesen von wissenschaftlichen Messgeräten dito
Die Phantasie, so wie du sie hier implizit definierst, ist nicht von “echt” verschieden.
closs hat geschrieben:
Sa 14. Sep 2019, 00:35
und Closs könnte aus Sicht von Claymore ebenfalls seine, Claymores, Phantasie sein - wenn DAS nicht skeptizistisch ist, weiß ich nicht. -----
Du vermischst erneut den egozentrischen und den trivialen Idealismus.
closs hat geschrieben:
Sa 14. Sep 2019, 00:35
Und jetzt kommt ja der berühmte Pukt: "Egal, ob das, was ICH genannt ist, teilweise oder gar total daneben ist: Es ist existent, weil es sonst nicht daneben liegen könnte". - Was ist hier aus Deiner Sicht nicht skeptizistisch?
Ganz einfach – und schon mehrfach erklärt: im “Ich denke” steckt bereits eine Vor-Interpretation der durch Introspektion gewonnen Erfahrung des Denkens. Nämlich zur geschlossenen Einheit eines “Ichs”. Ich als Substanz im philosophischen Sinne. Ohne diese bleibt man bei “da ist Denken” stecken. Diese Vor-Interpretation wird von Descartes skeptisch nicht analysiert.
closs hat geschrieben:
Sa 14. Sep 2019, 00:35
Welche Rolle spielt das? - Entscheidend ist, dass es ein menschliches Produkt ist.
Weil man üblicherweise meint, dass auch ein von der Gesellschaft abgeschnitten aufgewachsener Mensch etwas wissen kann.
closs hat geschrieben:
Sa 14. Sep 2019, 00:35
Doch - von wem denn sonst?
Aha, welcher Mensch erkennt dann die Systeme an? Der Präsident irgendeiner Wissenschaftsakademie?

Falls jeder einzelne Mensch über seine eigenen Systeme entscheiden darf, dann kann er sich wohl zu jeder Frage das passende System zusammen zimmern in dem er eine Antwort findet. Konsequenz: wir nur deshalb nicht allwissend, weil wir es nicht sein wollen.

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