Aus der Werkstatt des Theologen

Themen des Neuen Testaments
closs
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#331 Re: Aus der Werkstatt des Theologen

Beitrag von closs » Mi 23. Okt 2019, 11:37

Pluto hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 10:29
Ich habe Harry Potter zwar nie gelesen, aber ich kann mir vorstellen welche Anziehungskraft die Bücher auf Jugendliche haben. Sicher is nicht alles schlecht, wie Manche behaupten.
Ich habe alle Filme gesehen und finde sie sehr gut. - Die Gefahr, dass damit eine ERsatz-Religion aufgebaut werden würde, sehe ich nicht. - Kinder und auch Erwachsene mögen das Zauber-Hafte, ohne deshalb spirituell gefährdet zu sein.

Das Problem liegt eher darin, dass man im Christentum etwas Zauber-Haftes sieht statt etwas Reales - DAS ist Aberglaube.
 

Helmuth
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#332 Re: Aus der Werkstatt des Theologen

Beitrag von Helmuth » Mi 23. Okt 2019, 12:08

JackSparrow hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 10:04
Die wären zuverlässig wenn sie geschrieben hätten "Und ich hörte eine Stimme". Stattdessen schrieben sie "Und Gott sprach". Wie kommt das?
Mit etwas Lesekompetenz findet man auch das (z.B. 1 Mose 3.10, 4 Mose 7.89, ...). Oder lies mal wie der Prophet Samuel lernte, die Stimme Gottes zu hören.

Im übrigen, was macht es deswegen zuverlässiger oder unzuverlässiger? Wer sie kennt braucht nicht jedesmal auf sein physisches Hörvermögen verweisen. Letztendlich steht dem doch nur Unglaube entgegen, der wiederum dessen eigener Beweiskraft entbehrt.
Der Herr steht zu mir, deshalb fürchte ich mich nicht. Was kann ein Mensch mir anhaben?
Ps 118:6

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Thaddaeus
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#333 Re: Aus der Werkstatt des Theologen

Beitrag von Thaddaeus » Mi 23. Okt 2019, 12:36

JackSparrow hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 10:04
Thaddaeus hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 00:21
Die hohe Kunst, erklären zu können, worum es sich dabei überhaupt handelt, kann ausschließlich und nur die Philosophie!
Im besten Falle müssten wir darüber diejenige Person befragen, die sich den Begriff erstmalig ausdachte. In allen anderen Fällen müssten wir die Sprachwissenschaften bemühen und anhand heute noch zugänglicher Belege die ursprüngliche Bedeutung des Begriffes rekonstruieren.
Es geht nicht um die Etymologie des Wortes "Würde", sondern um die Begründung, warum der Mensch eine solche hat. Wenn du dich dumm stellen möchtest: wir müssen das nicht diskutieren, wenn du dazu keine Lust hast.

JackSparrow hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 10:04
Thaddaeus hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 00:21
1. "Dass der Mensch in seiner Vorstellung das Ich haben kann, erhebt ihn unendlich über alle anderen auf Erden lebenden Wesen." (Kant, Anthropologische Schriften)
Weder kennt Kant die Vorstellungen aller anderen auf Erden lebenden Wesen noch folgt aus dem Vorliegen oder Nichtvorliegen einer willkürlich ausgewählten Vorstellung irgendjemandes "unendliche Erhebung" über irgendjemand anderen.
Man muss nicht die Vorstellung alle anderen auf Erden lebenden Wesen abfragen. Man muss nicht einmal die Vorstellung aller vernunftbegabten Wesen mit Ich-Vorstellung befragen. Man muss auch nicht zu jedem Objekt im Universum fliegen um nachzuprüfen, ob dort Gravitation herrscht. Wenn sie auf diesem Planeten nachweisbar ist, dann ist sie überall im Universum nachweisbar. Bis auf Beweis des Gegenteils. Musst du bei closs nachfragen, der ist Spezialist für diese Thematik :P


JackSparrow hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 10:04
Thaddaeus hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 00:21
2. " ... der abstrakte Begriff der Idee des Willens ist überhaupt der freie Wille, der den freien Willen will." (Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts).
Leider reicht meine Intelligenz nicht aus, um dem als tautologischer Schachtelsatz getarnten grammatikalischen Geschwurbel eines Herrn Hegel auch nur ansatzweise einen Sinn zu entnehmen.
Ja, das mag sein, ich helfe dir auf die Sprünge.

Die Idee des Willens (und damit seine abstrakte Bestimmung als Begriff) ist, ihn als frei zu verstehen. Denn einen unfreien Willen gibt es nicht. Das wäre dann etwas anderes als Wille (z.B. Determiniertheit, Bestimmung etc.). Die abstrakte Bestimmung des Begriffs des Willens fasst diesen immer schon als frei auf. Unfreier Wille ist mithin ein Widerspruch in sich.

Dies bedeutet, dass jedes Wesen, welches den abstrakten Begriff des Willens fasst, sich als wollendes Wesen in diesem Wollen als frei versteht. Das tut es auch dann, wenn es tatsächlich gar nicht frei sein sollte. Darauf kommt es nicht an. (Der freie Wille, der den freien Willen will)

Der Mensch als Wesen, welches über den abstrakten Begriff des Willens verfügt, versteht sich und möchte sich als frei, autonom und selbstbestimmt verstehen. Da der Mensch in anderen Menschen Wesen erkennt, die ebenfalls etwas wollen und über den abstrakten Begriff des Willens verfügen wie man selbst, erkennt er deren Freiheit des Wollens als die Grenzen des eigenen freien Wollens an. Deshalb muss das Zusammenleben von Wesen, die über den abstrakten Begriff des Willens verfügen (und sich darum als frei verstehen wollen), durch Gesetze geregelt werden.

Um selbst frei - und das heißt selbstbestimmt und autonom sein zu können - muss ich als wollendes Wesen den freien Willen im Anderen ebenfalls grundsätzlich wollen.
Menschen, die andere unterdrücken möchten (also deren Willen einschränken), möchten dennoch selbst frei und also selbstbestimmt und autonom sein. Sie wollen es anderen nur nicht ebenfalls zugestehen. Deswegen muss man solchen Leute über Gesetze und staatliche Gewalt an ihrem Bestreben der Unterdrückung anderen Wollens hindern.

Gern geschehen ...




JackSparrow hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 10:04
Thaddaeus hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 00:21
Seine Würde resultiert daraus, dass nur der Mensch dieses Vermögen hat: sich unter das allgemeine Sittengesetz freiwillig stellen zu können, weil er es als vernünftig und gut zu erkennen vermag ...
Das rein hypothetische Vermögen, denn in der Realität muss ich erst ein Gesetz aufstellen und meinen Mitmenschen Gewalt androhen, damit sie sich freiwillig an das halten, was ich als vernünftig und gut erkannte. Folgern wir also stringent: kategorischer Imperativ = Fantasie, Staatstheorie nach Hobbes = Realität.
Falsch. Und zwar empirisch überprüftbar falsch!
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lovetrail
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#334 Re: Aus der Werkstatt des Theologen

Beitrag von lovetrail » Mi 23. Okt 2019, 12:50

Thaddaeus hat geschrieben:
Di 22. Okt 2019, 22:25

Oder ist Gott eine Idee des Menschen, der durch seinen - evolutionär entstandenen - Geist darauf angelegt ist, sich selbst zu transzendieren, um dadurch etwas zu denken, das größer ist, als er selbst?
Das verschiebt eigentlich nur das Problem. Denn woher dieser sich selbst transzendierende Prozess?

Letzteres hört sich so an, als ob man Gott nicht recht ernst nähme, da er ja "nur" eine Idee des Menschen ist - (und also gar nicht "wirklich" existiert).

Aber ist das wirklich so?

Zweifelsohne gibt es die gegenständlichen Dinge. An denen stoßen wir uns den Kopf und holen uns blaue Flecken. Insofern sind sie ernst zu nehmen.

Im ersten Artikel des Grundgesetzes steht, dass die Würde des Menschen unantatsbar ist, und sie zu schützen und zu wahren das Ziel aller staatlichen Gewalt sein soll. Das ist nichts Gegenständliches, - und dennoch hat es einen maximalen Einfluss auf die Gesetzgebung eines ganzen Staates und seiner Institutionen. An der Würde des Menschen können wir uns keine blauen Flecken holen, - und dennoch hat diese Idee einen maximalen Einfluss.
An dieser Argumentation sieht man, dass der Humanismus eigentlich auch ohne einer regulativen Idee "Gott" auskommt.

LG
Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, so wird Christus dich erleuchten!

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abc
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#335 Re: Aus der Werkstatt des Theologen

Beitrag von abc » Mi 23. Okt 2019, 13:02

Thaddaeus hat geschrieben:
Di 22. Okt 2019, 22:25
abc hat geschrieben:
Di 22. Okt 2019, 10:56
Hallo Thaddaeus, die Philosophie liegt mir auch sehr am Herzen (Das Herz eines Laien), vielleicht fänden wir ein gemeinsames Thema, über das sich nachsinnen ließ. Gibt es etwas, das dich aktuell beschäftigt - einen Philosophen, den du bevorzugst liest?
Philosophisch ist eine zentrale Frage des Glaubens, in welcher Weise Gott für dich existieren muss, damit du ihn ernst nehmen kannst?

Muss er für dich als transzendente Wesenheit existieren - jenseits der physischen Welt - die aber dennoch physisch in diese Welt eingreift, z.B. dadurch, dass er Naturgesetze bricht (um Wunder zu wirken) oder diese Welt physisch erschafft? In diesem Sinne könnte Gott in Mannheim am Bahnhof lokalisiert werden, wenn es ihm gefiele, dort aufzutauchen.

Für mich ist es eine Frage der 'religio', zu die der Mensch, wie soll ich sagen, fast zwingend/zwangsläufig, kommen muß. Wir finden uns in einer Welt wieder, ohne sie hinreichend erklären zu können. Wir wissen nicht einmal woher wir kommen, auch wenn wir auf unsere Eltern und Großeltern zurückblicken können. Die lebendige Schöpfung, unsere Welt, wir selbst, sind uns ein Rätsel. Die Frage nach 'Gott' steht für mich repräsentativ für besagte 'religio', die sich nicht in einer intellektuellen Auseinandersetzung erschöpft, sondern das ganze Wesen anrührt und betrifft - insofern ist es immer eine ernste Angelegenheit - meiner Sicht & Empfinden nach!

Thaddaeus hat geschrieben:
Di 22. Okt 2019, 22:25
Oder ist Gott eine Idee des Menschen, der durch seinen - evolutionär entstandenen - Geist darauf angelegt ist, sich selbst zu transzendieren, um dadurch etwas zu denken, das größer ist, als er selbst?
Meiner Ansicht nach ist "Gott" keine Idee, sondern Ausdruck für eine offene Frage! Und ob man voraussetzen darf, der menschliche Geist sei evolutionär entstanden, scheint mir ebenfalls fragwürdig!

Thaddaeus hat geschrieben:
Di 22. Okt 2019, 22:25
Letzteres hört sich so an, als ob man Gott nicht recht ernst nähme, da er ja "nur" eine Idee des Menschen ist - (und also gar nicht "wirklich" existiert). Aber ist das wirklich so?

Im ersten Artikel des Grundgesetzes steht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist (...)
Das ist nichts Gegenständliches, - und dennoch hat es einen maximalen Einfluss ...

Von Harry Potter steht es außer Frage, dass er "nur"(!) eine fiktionale Figur ist.
Dennoch hat diese fiktionale Figur erheblichen Einfluss darauf, wie junge Menschen denken ...

Ich denke, ich weiß, auf was du hinaus möchtest: jede Idee/Vorstellung trägt eine Wirklichkeit (und Gewicht) in sich und kann Impuls für eine große Bewegung sein/werden. Insofern verstehe ich auch Markus Gabriel, daß zb Einhörner tatsächlich existieren, allein dadurch, daß sie gedanklich bewegt werden oder Vorstellungen bewegen.



Dies als Überleitung zu ...

Thaddaeus hat geschrieben:
Di 22. Okt 2019, 22:25
Um die Frage nach Gott zu klären, müssen wir uns also über Ontologie unterhalten. Und da hat mein Lieblingsphilosoph Markus Gabriel das letzte philosophische Wort zu gesprochen ...

Gute Thaddaeus, vielen Dank für den Tip - für mich ein Schatzfund: darum habe ich einen eigenen Thread: Philosophie nach Markus Gabriel angelegt und bereits zugänglich gemacht, auch wenn seine Anfänge noch in Arbeit sind. Danke!

JackSparrow
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#336 Re: Aus der Werkstatt des Theologen

Beitrag von JackSparrow » Mi 23. Okt 2019, 14:46

[quote=lovetrail post_id=391862 time=<a href="tel:1571818212">1571818212</a> user_id=134]Nicht alles was übersinnlich ist, ist auch gut. ;-)[/quote]
Ich verstehe nicht wie du das abgrenzt. Ist Moses gut, weil er Teil des biblischen Kanons ist, oder ist Moses Teil des biblischen Kanons, weil er gut ist?


Helmuth hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 12:08
Im übrigen, was macht es deswegen zuverlässiger oder unzuverlässiger?
Die Wahrheit ist zuverlässig und die Unwahrheit ist unzuverlässig.

Wenn man Stimmen hört und sagt dass man Stimmen hört, dann sagt man die Wahrheit. Wenn man Stimmen hört und sagt dass ein Gott zu einem spricht, dann sagt man die Unwahrheit, denn in Wahrheit (siehe oben) hörte man ja lediglich Stimmen.

Letztendlich steht dem doch nur Unglaube entgegen
Wer sollte denn anzweifeln dass es Menschen gibt, die Stimmen hören.


Thaddaeus hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 12:36
Es geht nicht um die Etymologie des Wortes "Würde", sondern um die Begründung, warum der Mensch eine solche hat.
Weil das der Gesetzgeber a priori so festgelegt hat und sich der Gesetzgeber um Etymologie nicht kümmern muss - was "Würde" bedeutet, muss erst der Richter rausfinden, nachdem sich jemand in dieser "Würde" verletzt fühlte.

Der Mensch als Wesen, welches über den abstrakten Begriff des Willens verfügt, versteht sich und möchte sich als frei, autonom und selbstbestimmt verstehen.
Welche Bedeutung haben Worte wie "frei, autonom und selbstbestimmt", wenn es einem Menschen aufgrund seines Willens definitionsgemäß gar nicht möglich ist, sich jemals in einer unfreien Situation zu befinden?

Menschen, die andere unterdrücken möchten (also deren Willen einschränken), möchten dennoch selbst frei und also selbstbestimmt und autonom sein. Sie wollen es anderen nur nicht ebenfalls zugestehen.
Wird der definitionsgemäß freie Wille meiner Mitmenschen plötzlich weniger frei, wenn ich sie unterdrücke? Schrieb nicht sogar Sartre, die Franzosen seien "niemals freier gewesen als unter der deutschen Besatzung"?

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Thaddaeus
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#337 Re: Aus der Werkstatt des Theologen

Beitrag von Thaddaeus » Mi 23. Okt 2019, 16:27

JackSparrow hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 14:46
Thaddaeus hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 12:36
Es geht nicht um die Etymologie des Wortes "Würde", sondern um die Begründung, warum der Mensch eine solche hat.
Weil das der Gesetzgeber a priori so festgelegt hat und sich der Gesetzgeber um Etymologie nicht kümmern muss - was "Würde" bedeutet, muss erst der Richter rausfinden, nachdem sich jemand in dieser "Würde" verletzt fühlte.
1. Richter legen nicht fest, was Menchenwürde bedeutet. Sie urteilen lediglich darüber, ob etwas gegen die Menschenwürde verstößt.
2. Der parlamentarische Rat hat die Menschenwürde nicht apriori SO festgelegt. Er hat sich stattdessen auf Kant und Hegel besonnen. Gottseidank waren die Väter und Mütter des GG nicht philosophisch ungebildet.

JackSparrow hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 14:46
Thaddaeus hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 12:36
Der Mensch als Wesen, welches über den abstrakten Begriff des Willens verfügt, versteht sich und möchte sich als frei, autonom und selbstbestimmt verstehen.
Welche Bedeutung haben Worte wie "frei, autonom und selbstbestimmt", wenn es einem Menschen aufgrund seines Willens definitionsgemäß gar nicht möglich ist, sich jemals in einer unfreien Situation zu befinden?
Weil Situationen nichts mit dem abstrakten Begriff des Willens zu tun haben.

JackSparrow hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 14:46
Thaddaeus hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 12:36
Menschen, die andere unterdrücken möchten (also deren Willen einschränken), möchten dennoch selbst frei und also selbstbestimmt und autonom sein. Sie wollen es anderen nur nicht ebenfalls zugestehen.
Wird der definitionsgemäß freie Wille meiner Mitmenschen plötzlich weniger frei, wenn ich sie unterdrücke?
Nein, ihr Wille nicht. Aber ihre Möglichkeiten, diesem Willen Ausdruck zu verleihen. Das ist doch zemlich einfach zu verstehen.

JackSparrow hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 14:46
Schrieb nicht sogar Sartre, die Franzosen seien "niemals freier gewesen als unter der deutschen Besatzung"?
Genau.

SilverBullet
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#338 Re: Aus der Werkstatt des Theologen

Beitrag von SilverBullet » Mi 23. Okt 2019, 19:19

“Thaddaeus“ hat geschrieben:Der parlamentarische Rat hat die Menschenwürde nicht apriori SO festgelegt. Er hat sich stattdessen auf Kant und Hegel besonnen. Gottseidank waren die Väter und Mütter des GG nicht philosophisch ungebildet.
Naja, wir haben es hier mit Politikern zu tun und einer ganz bestimmten Situation an einem ganz bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte.

Die „Väter und Mütter“ waren zu diesem Zeitpunkt Erwachsene, d.h. sie haben die Nazizeit „sehr detailreich“ durchlebt und zwar können sie der Politik nicht vollständig fremd gewesen sein, denn die Siegermächte haben auf „Fachleute“ zurückgegriffen.

Die „Väter und Mütter“ des Grundgesetzes haben unter Hoheit der westlichen Siegermächte gehandelt.
Sie haben unter dem Druck gehandelt, dass sich Deutschland zuvor als „Dreck der Menschheit“ geoutet hat. Der Durchschnittspolitiker wird da sehr flexibel in seinen Ideen und handelt quasi „mehrheitsfindungstechnisch vorbeugend“ – „Welt schau her, jetzt sind wieder die Guten am Zug“.

Interessant ist, dass „Bayern“ (das ist das Land nahe bei Deutschland) dem Grundgesetz nicht zugestimmt hat :-)
Da hat wohl das Interesse an „der Würde“ gefehlt…

“Thaddaeus“ hat geschrieben:An „JackSparrow“
Soll ich dir eine philosophische Ableitung der Würde eines jeden Menschen geben?
Sie beginnt mit folgenden zwei Grundüberlegungen:

1. "Dass der Mensch in seiner Vorstellung das Ich haben kann, erhebt ihn unendlich über alle anderen auf Erden lebenden Wesen." (Kant, Anthropologische Schriften)
2. " ... der abstrakte Begriff der Idee des Willens ist überhaupt der freie Wille, der den freien Willen will." (Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts).
Zu 1.
Das ist falsch und eine derartige Behauptung hat nur solange Bestand, bis man sich um eine Realisierung der Wahrnehmung von Gruppentieren kümmert, ab dann ist Schluss mit diesem „toller Mensch weil 'Ich'“-Gefasel.

Zu 2.
„John Searl“ würde hier erkennen, dass dies ein Deutscher Philosoph mit einem „H“ am Anfang des Namens ist und ausrufen „now hell breaks loose“ - Recht hat er :-)
„Hegel“ zeigt hier die uralt verrückt philosophische Strategie einen Vorgang als „sich selbst genug zum ablaufen“ zu deklarieren – dickstes Aua!

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Thaddaeus
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#339 Re: Aus der Werkstatt des Theologen

Beitrag von Thaddaeus » Mi 23. Okt 2019, 22:01

lovetrail hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 12:50
Thaddaeus hat geschrieben:
Di 22. Okt 2019, 22:25
Oder ist Gott eine Idee des Menschen, der durch seinen - evolutionär entstandenen - Geist darauf angelegt ist, sich selbst zu transzendieren, um dadurch etwas zu denken, das größer ist, als er selbst?
Das verschiebt eigentlich nur das Problem. Denn woher dieser sich selbst transzendierende Prozess?
Der kommt vermutlich daher, dass jeder Mensch irgendwann feststellt, dass er sterben muss und nicht weiß, wann genau dies der Fall sein wird.

Als Denkendes kann der Mensch (das "Dasein" in der Terminologie Heideggers) seine eigene Nicht-Existenz weder denken, noch begreifen. Daraus resultiert Heideggers Bestimmung des Daseins als „desjenigen Seienden, dem es in seinem Sein um dieses Sein selbst geht“ und der Tod ist die „Möglichkeit der eigenen, schlechthinnigen Daseinsunmöglichkeit“ (Sein und Zeit).

Da der Tod ein Faktum des Lebens ist, aber gleichzeitig für denkende Wesen mit Selbstbewusstsein (die sich nicht anders als denkend erleben können) nicht denkbar ist, bleibt ihm praktisch nichts anderes übrig als sich und den Tod zu transzendieren. Die Transzendierung erschafft Sinn, um mit der Möglichkeit der eigenen, schlechthinnigen Daseinsunmöglichkeit fertig werden zu können.
Die Alternative ist das Ausweichen ins "Man", d.h. in die Verdrängung der Faktizität des je eigenen Todes dadurch, dass man sich beständig ablenken lässt, um nicht darüber nachdenken zu müssen.


lovetrail hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 12:50
Thaddaeus hat geschrieben:
Di 22. Okt 2019, 22:25
Letzteres hört sich so an, als ob man Gott nicht recht ernst nähme, da er ja "nur" eine Idee des Menschen ist - (und also gar nicht "wirklich" existiert).

Aber ist das wirklich so?

Zweifelsohne gibt es die gegenständlichen Dinge. An denen stoßen wir uns den Kopf und holen uns blaue Flecken. Insofern sind sie ernst zu nehmen.

Im ersten Artikel des Grundgesetzes steht, dass die Würde des Menschen unantatsbar ist, und sie zu schützen und zu wahren das Ziel aller staatlichen Gewalt sein soll. Das ist nichts Gegenständliches, - und dennoch hat es einen maximalen Einfluss auf die Gesetzgebung eines ganzen Staates und seiner Institutionen. An der Würde des Menschen können wir uns keine blauen Flecken holen, - und dennoch hat diese Idee einen maximalen Einfluss.
An dieser Argumentation sieht man, dass der Humanismus eigentlich auch ohne einer regulativen Idee "Gott" auskommt.
? !

closs
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#340 Re: Aus der Werkstatt des Theologen

Beitrag von closs » Mi 23. Okt 2019, 22:17

Thaddaeus hat geschrieben:
Mi 23. Okt 2019, 22:01
Da der Tod ein Faktum des Lebens ist, aber gleichzeitig für denkende Wesen mit Selbstbewusstsein (die sich nicht anders als denkend erleben können) nicht denkbar ist, bleibt ihm praktisch nichts anderes übrig als sich und den Tod zu transzendieren. Die Transzendierung erschafft Sinn, um mit der Möglichkeit der eigenen, schlechthinnigen Daseinsunmöglichkeit fertig werden zu können.
Schon klar. - Das Entscheidende ist, ob die Transzendierung eine reine Selbstbespiegelung ist oder auf eine Entität außerhalb des eigenen Seins trifft.
 

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