Punch hat geschrieben: ↑Fr 10. Jan 2020, 10:25
Karma und Reinkarnation als Antwort auf die Frage der Theodizee, das wäre nun nicht von der Hand zu weisen, allerdings müsste diese Angelegenheit mit der Reinkarnation dann auch lückelos bewiesen werden.
Wozu? Reinkarnation bringt nichts, sie beseitigt werden das Leiden noch das Sterben. Und ein Leben ohne Leiden und Tod ist undenkbar. Eine Illusion. Ein Wahn. Karma als Gesetz von Ursache und Wirkung ist allerdings richtig: Es existiert keine Wirkung ohne Ursache. Dieses Gesetz hat hier und jetzt seine Gültigkeit, dazu brauchen wir nicht vor unsere Geburt oder über den Tod hinaussehen zu wollen.
Punch hat geschrieben: ↑Fr 10. Jan 2020, 10:25
Es gibt keine Antwort für das Böse in dieser Welt, von den Atheisten nicht, von den Philosophen ebenfalls nicht, und der Monotheismus hat diese Antworten auch nicht. (Meine Meinung.)
Gut und Böse sind keine natürliche Angelegenheit: Die Natur kennt sie nicht. Die Lilie ist nicht "gut" und die Katze, die die Maus quält, nicht "böse". Gut und Böse sind menschliche Bewertungen des Verhaltens und sie können je nach Zeit, Raum, Kultur extrem variieren. Besser, knapper und einprägsamer als Wolfgang Borchert kann man die Frage der Ethik kaum beschreiben:
Als der Krieg aus war, kam der Soldat nach Hause.
Aber er hatte kein Brot.
Da sah er einen, der hatte Brot.
Den schlug er tot.
Du darfst doch keinen totschlagen, sagte der Richter.
Warum nicht, fragte der Soldat.
Gut und Böse sind variable Grössen, sie werden von menschlichen Gemeinschaften bestimmt und habe den Sinn, die Gemeinschaft zu schützen und zu stützen. Da die Menschheit immer näher zueinander kommt (u.a. durch Bevölkerungszuwachs, Mobilität und Migration) wird das, was z.B. Hans Küng mit seinem
Projekt Weltethos ins Leben gerufen hat, zunehmend wichtiger. Auf buddhistischer Seite hat das z.B. auch der Dalai Lama erkannt, sehr schön beschrieben in dem kleinen Büchlein
"Der Appell des Dalai Lama an die Welt - Ethik ist wichtiger als Religion" (ein Interview mit Franz Alt). Auf der Umschlagrückseite lesen wir diese Aussage des Dalai Lama:
Ich denke an manchen Tagen, dass es besser wäre, wenn wir gar keine Religionen mehr hätten. Alle Religionen und alle Heiligen Schriften bergen ein Gewaltpotenzial in sich. Deshalb brauchen wir eine säkulare Ethik jenseits aller Religionen.
Ein zeitgenössischer westlicher buddhistischer Autor und Meditationslehrer, der sich für einen säkularen Buddhismus stark macht ist Stephen Batchelor. Sein jüngstes Buch ist, wie das obige mit dem Dalai Lama, 2015 erschienen (in deutsch 2017) und sehr zu empfehlen für Buddhisten und andere, die eine säkulare Sicht auf den Buddhismus kennenlernen möchten (denn eine wirkliche "Aufklärung", wie sie das Christentum durchgemacht hat, ist im Buddhismus erst im Entstehen begriffen):
"Jenseits des Buddhismus - Eine säkulare Vision des Dharma".
All das hat meines Erachtens sehr viel mit dem Thema "Gottes Wille" zu tun: Wenn "Gott", wie die Bibel auch sagt "Liebe ist", und wenn der Mensch daher aufgerufen ist "liebevoll zu wirken" (karma!), dann müssen wir uns nicht darüber Gedanken machen, ob "Gott" barmherzig oder grausam handelt, denn es ist auf die Menschheit bezogen keine äussere, vom Menschen unabhängige Macht, die handelt, sondern der Mensch ist es. Ein jeder einzelne, eine jede einzelne von uns. Die wirklich relevante und entscheidende Frage ist nicht die, ob Gott gut oder böse ist, auch nicht die, ob mein Mitmensch gut oder böse ist, sondern die, ob ich selber liebevoll oder lieblos denke, spreche und handle.