sven23 hat geschrieben: ↑Sa 14. Mai 2022, 08:38
SamuelB hat geschrieben: ↑Fr 13. Mai 2022, 20:21
Wenn es einen allmächtigen Gott gibt, passiert alles nach seinem Willen. Was interessiert ihn menschliches Leid, es gibt für ihn kein Problem.
Genau das ist ja der Punkt bei der Theodizeefrage. Sobald man, abweichend vom AT, einen gütigen und liebenden Gott postuliert, ergibt sich angesichts des Leids in der Welt das Theodizeeproblem. Um es in der Bildsprache der Bibel zu sagen: welcher besorgte und verantwortungsvolle Hirte bliebe gleichgültig und tatenlos, wenn seine Schäfchen in Not sind?
MIch wundert es immer warum beim Theodizeeproblem auch die theologischen Profis schlicht streiken, ihr Gottesbild an diesem zu messen. Also geisteswissenschaftlich abzuklären, wie ein Gottesbild beschaffen sein müsste, damit es das Problem gar nicht gibt. Auf christlicher Seite liegt es wohl auch daran, dass man die Unterschiede in den Gottesbildern, die innerhalb der Bibel schon bestehen, sich nicht bewusst macht. Der jüdische Glaube ist bezüglich des Gottesbild m.E. viel abstrakter, teils kann man ihn dort auf ein "er ist der er ist" reduzieren, was es natürlich schon ein wenig "schwammig" macht. Aber die Resignation kann ich dahinter verstehen. Mir geht es bei der Quantentheorie auch so, ohne dass ich ihre Richtigkeit deswegen gleich und grundsätzlich in Frage stelle.
Geht man der Frage nach, wie Gott für das Theodizeeproblem gedacht ("geformt") werden muss, erscheinen Aspekte, die besonders dem christlichen Denken unangenehm bzw. sehr unsympathisch sind. z.B. Wenn man die "Allmacht" hinterfragt. Allmacht ist ein abstrakter Begriff ohne jegliche Erfahrbarkeit (auch: der es beurteilt, müsste selbst über dem stehen, also selbst allmächtig sein) Auf der theoretischen Ebene kann man m.E. bereits gut und logisch belegen, dass es diese nicht gibt: z.B. Gott möge einen Stein schaffen, der so schwer ist, dass er ihn selbst nicht heben kann. Oder Gott möge den Menschen dazu zwingen freiwillig gut zu sein. Für meinen Geschmack war die antike Vorstellung von "Allmacht" auch gar nicht so abstrakt wie bei uns, sondern die haben sich da einfach den "Stärksten über allen anderen" vorgestellt. So konkret wie den Gladiator in der Arena mit den dicksten Muskeln.
Wenn man diesen Weg geht, muss natürlich fragen, warum man ihn unbedingt allmächtig sehen will, bzw. welche Nachteile es hätte wenn er es nicht ist. Und dann die Frage, wieviel Macht hat er wirklich.
Das nächste ist, dass Gott als Person vorgestellt wird (egal ob mit oder ohne Allmacht). Also so wie die Konkurrenten, Jupiter, Zeus und Athene. Im Christentum gab es noch mal einen starken Kick in Richtung ihn als Person vorzustellen, in dem man den Menschensohn (manifeste Person) als Gott nimmt, aber erkenntnistheoretisch nichts gewinnt für die Gottesvorstellung (Geist/Vater).
Wenn Gott aber keine Person (in unserem Sinn) ist, verliert das Theodizee-Problem m.E. an Durchschlagskraft. Wobei dann natürlich die Frage gestattet ist, ob man noch sagen kann Gott gibt es, da er bei uns quasi schon per Definition als Person gesehen wird. Aber sagen wir einfach es gibt da "etwas" das umfassend vorhanden ist. Nur nicht in unsere Bilder passt. "Gott" könnte z.B. keine Person sein und trotzdem sehr persönlich, z.B. wenn er eine Art umfassendes Bewusstsein ist, dessen verbundenes Teil ua. jedes "Personen"-Bewusstsein ist. Also ein "etwas" das so ähnlich von den Mystikern (i.S.v. unio mystica) gesehen wird. Da ich diesem Denken nahestehe ist in etwa so, als wenn ich konstatieren muss, es gibt keinen Gott, aber etwas wieviel Faszinierenderes und Großartiges das man Gott nennen müsste. Allerdings kann dieser Gott keine Berge mehr versetzen, außer durch Lebewesen mit Bewusstsein.
Eine andere Lösung das Theodizee-Problem komplett zu lösen, ist m.E. den antiken Gnostikern gelungen. Die sagen: ein Gott der vollkommen ist, kann gar keine unvollkommene Welt schaffen, weil er nichts schaffen kann, was seinem Wesen zutiefst widerspricht. Herrscher der Welt ist demnach ein anderer (der Demiurge). In die Machtsphäre dieses Demiurgen hat der eigentliche richtige Gott nun den göttlichen Funken gesetzt, der in den Menschen selbst zu wirken beginnen kann, so man es zulässt und fördert. (das ist jetzt SEHR stark verkürzt, mir geht es nur um das Theodizee-Problem im Zusammenhang).
Übrigens haben die Bibelschreiber das Theodizeeproblem in der Hiobgeschichte schon zu lösen versucht. Wie wir wissen, ist das mehr schlecht als recht gelungen.
Ohne jetzt noch einmal bei Hiob nachzuschlagen nehme ich die Blickrichtigung der jüdischen Religion (so wie ich es verstanden habe).
Bei Hiob ist der Teufel ein Engel im Himmel, der dort und ein ausgeht und Aufgabenstellung und Spielraum bei Gott abholt. Also alles andere als ein gefallener Engel und vor allem kein Engel, der stark genug ist über die Jahrtausende Gott zu trotzen oder sogar einen Krieg gegen diesen zu führen (eine der Schwachstellen des christlichen Monotheismus, da nur ein Gott Krieg gegen einen Gott führen kann). Im jüdischen Denken kommt beides, Gutes wie Böses, von Gott. (Dies ist dem christlichen Denken extrem fremd, da verlegte man sich auf astralgalaktische Riesenschlachten zwischen den Mächten des Bösen und des Guten). Das Böse ist dabei aber nicht wirklich Böse, sondern es dient dem Guten. Also wenn man dem Bösen richtig begegnet, dient es zum Guten. Und gerade das Gute ist in der Regel nur möglich, wenn da auch "Böses" ist (Versuche mal
praktizierte Nächstenliebe an jemandem, der wirklich alles hat - es geht nicht). In der Überwindung des Bösen steckt für das jüdische Denken die Verherrlichung Gottes durch den Menschen. Das ist m.E. eine interessante und zumindest funktional oft zutreffende Sicht. Es löst aber nicht das Theodizee-Problem. Das liegt daran, dass es auch "sinnloses Leid" gibt. Also Leid, dass man a) entweder nicht überwinden kann oder b) dass in sich schon sinnlos ist. c) Leid, das jedem Sinn von Gerechtigkeit trotzt (und von daher diese Denkrichtung in Teilbereichen an Schlüssigkeit verliert).