Alles Teufelszeug? IX

closs
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#941 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Do 31. Mai 2018, 19:21

sven23 hat geschrieben:Wissenschaft ist nicht zu blöde, wenn sie sich nicht mit nicht Falsifizierbarem beschäftigt.
Darum geht es nicht - es geht darum, dass Wissenschaft nicht mit Wirklichkeit umgehen kann, wenn sie nicht anthropogen-vernünftig begründbar ist. - Und "Jesus ist göttlich" ist nun mal nicht anthropogen-vernünftig begründbar - was aber nichts daran ändert, dass es "sein" kann. - Somit stehen anthropogene Vernunft versus Wirklichkeit. - Rate mal, wer am Ende gewinnt?

sven23 hat geschrieben:Dir offenbar nichts, sonst würdest du nicht auf der Wissenschaftlichkeit glaubensbasierter Exegesen bestehen.
In der hergebrachten geisteswissenschaftlichen Definition von "Wissenschaft" würde ich das - im Sinn von Antons Definition würde ich es nicht.

sven23 hat geschrieben:Deshalb die Frage, woher du wissen willst, dass die "Ergebnisse in Bezug auf die Wirklichkeit jeweils sehr unterschiedlich sind".
Von den 10 Tausenden Beispielen nehme ich ein eingeführtes, nämlich: "Ich bin die Wahrheit". - Wenn Gott das sagt, ist es etwas anderes, als wenn es Sven sagt. - Genau das beschreibt den Unterschied zwischen "Jesus ist nur MEnsch" und "Jesus ist auch göttlich" - und das ist ja gerade die Frage.

sven23 hat geschrieben:Dr. Ronald Bilik
Keine Ahnung, warum Du dieses Zitat bringst. - Kontext?

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sven23
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#942 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Do 31. Mai 2018, 19:51

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wissenschaft ist nicht zu blöde, wenn sie sich nicht mit nicht Falsifizierbarem beschäftigt.
Darum geht es nicht - es geht darum, dass Wissenschaft nicht mit Wirklichkeit umgehen kann, wenn sie nicht anthropogen-vernünftig begründbar ist. - Und "Jesus ist göttlich" ist nun mal nicht anthropogen-vernünftig begründbar - was aber nichts daran ändert, dass es "sein" kann. - Somit stehen anthropogene Vernunft versus Wirklichkeit.
Auch das ist ja eine unbewiesene Behauptung von dir.
Man könnte auch sagen: Somit stehen anthropogene Vernunft versus anthropogene Unvernunft.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dir offenbar nichts, sonst würdest du nicht auf der Wissenschaftlichkeit glaubensbasierter Exegesen bestehen.
In der hergebrachten geisteswissenschaftlichen Definition von "Wissenschaft" würde ich das - im Sinn von Antons Definition würde ich es nicht.
So sieht es die Forschung auch, ebenfalls die päpstliche Bibelkommission. Deshalb ist die historisch-kritische Methode die Standardauslegung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Deshalb die Frage, woher du wissen willst, dass die "Ergebnisse in Bezug auf die Wirklichkeit jeweils sehr unterschiedlich sind".
Von den 10 Tausenden Beispielen nehme ich ein eingeführtes, nämlich: "Ich bin die Wahrheit".
Ja und? Die Bibel wurde von Menschen für Menschen geschrieben. Willst du das zur "Wirklichkeit " postulieren?



closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dr. Ronald Bilik
Keine Ahnung, warum Du dieses Zitat bringst. - Kontext?
Der Kontext ist, dass die Forschung nicht sagt: das ist alles gar nicht so gemeint, sondern sie legt ihre Ergebnisse auf den Tisch.

"Jesus stand in der jüdischen Tradition, war von antirömischer Gesinnung, glaubte an das baldige Ende der bestehenden Welt und das unmittelbar bevorstehende Anbrechen des irdischen Gottesreiches. Mit der Auffassung des Christentums ist dieser Befund unvereinbar." ... "Wie konnte nun aus dieser ethnozentrisch- apokalyptischen Lehre des Nazareners die Weltreligion des Christentums werden? Entscheidend war hier in erster Linie Paulus: Er, der Jesus nicht mehr persönlich kennenlernte, prägte die weitere Geschichte der Religion so maßgeblich, dass man eigentlich vom paulinischen Christentum sprechen muss." ... "Entscheidend für das Überleben des Christentums, war die massive Veränderung und Adaptierung der Lehre, sodass am Ende vom ursprünglichen Kern nichts mehr übrigblieb. Während die paulinische Variante zur Weltreligion avancierte, verschwanden die Anhänger der Urlehre sehr bald im Dunkel der Geschichte."
Dr. Ronald Bilik
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#943 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Do 31. Mai 2018, 20:38

sven23 hat geschrieben:Man könnte auch sagen: Somit stehen anthropogene Vernunft versus anthropogene Unvernunft.
Oder Bip gegen Bup. - Abe was ändert das an der Wirklichkeit?

sven23 hat geschrieben:So sieht es die Forschung auch, ebenfalls die päpstliche Bibelkommission.
Nein - ich glaube NICHT, dass die Kommission "Wissenschaft" so definiert wie Anton. - Anton ist Naturwissenschaftler, Theologen kommen aus der Geisteswissenschaft. - Was die Kommission meint ist: "HKE soll so auslegen, als gäbe es keinen geistigen Überbau" - denn dieser setzt man dann selber drauf.

sven23 hat geschrieben:Ja und? Die Bibel wurde von Menschen für Menschen geschrieben. Willst du das zur "Wirklichkeit " postulieren?
Was hat das hier zu suchen? - Also nochmal: "Ich bin die Wahrheit" ist EIN Beispiel dafür, dass ganz unterschiedlich ausgelegt wird in Abhängigkeit der Frage "Ist Jesus nur Mensch oder göttlich". - Damit ist Deine ursprüngliche Frage beantwortet.

sven23 hat geschrieben:Der Kontext ist, dass die Forschung nicht sagt: das ist alles gar nicht so gemeint, sondern sie legt ihre Ergebnisse auf den Tisch.
Nein - Bilk führt etwas schlussfolgernd im Sinne seiner Hermeneutik aus - das ist vollkommen normal.

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sven23
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#944 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Fr 1. Jun 2018, 08:51

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Man könnte auch sagen: Somit stehen anthropogene Vernunft versus anthropogene Unvernunft.
Oder Bip gegen Bup. - Abe was ändert das an der Wirklichkeit?
An welcher "Wirklichkeit"? :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:So sieht es die Forschung auch, ebenfalls die päpstliche Bibelkommission.
Nein - ich glaube NICHT, dass die Kommission "Wissenschaft" so definiert wie Anton. - Anton ist Naturwissenschaftler, Theologen kommen aus der Geisteswissenschaft. - Was die Kommission meint ist: "HKE soll so auslegen, als gäbe es keinen geistigen Überbau" - denn dieser setzt man dann selber drauf.
In der glaubensideologischen Abteilung kann man das ja auch machen, aber nicht in der universitären Forschung.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ja und? Die Bibel wurde von Menschen für Menschen geschrieben. Willst du das zur "Wirklichkeit " postulieren?
Was hat das hier zu suchen? - Also nochmal: "Ich bin die Wahrheit" ist EIN Beispiel dafür, dass ganz unterschiedlich ausgelegt wird in Abhängigkeit der Frage "Ist Jesus nur Mensch oder göttlich". - Damit ist Deine ursprüngliche Frage beantwortet.
Nein, damit ist überhaupt nichts beantwortet.
Es stehen die beiden Perspektiven unversöhnlich gegeneinander. Für die Forschung sind die biblischen Texte wie jeder andere antike Text zu behandeln, weil es Texte von Menschen für Menschen sind.
Die Glaubensdideologen behaupten, die Texte seien Gottes Wort.

Die inspirierten Bücher lehren die Wahrheit. ,,Da also all das, was die inspirierten Verfasser oder Hagiographen aussagen, als vom Heiligen Geist ausgesagt gelten muß, ist von den Büchern der Schrift zu bekennen, daß sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte"
Katechismus der katholischen Kirche

Diese fundamentalen Gegensätze lassen sich nicht auflösen.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der Kontext ist, dass die Forschung nicht sagt: das ist alles gar nicht so gemeint, sondern sie legt ihre Ergebnisse auf den Tisch.
Nein - Bilk führt etwas schlussfolgernd im Sinne seiner Hermeneutik aus - das ist vollkommen normal.
Nein, er fasst die Forschungsergebnisse zusammen und das ist in der Tat normal.

Zweifellos hat die kritisch-historische Exegese während der vergangenen hundert Jahre zu unerhörten Fortschritten in unserer Bibelerkenntnis beigetragen: in Bezug auf ein besseres Verständnis der literarischen Gattungen, der Quellengeschichte und Textkomposition; im Hinblick auf Etymologie und Archäologie; in der Durchdringung alter Sprachen und kultureller Rahmenbedingungen. Gleichwohl hat es zu keiner anderen Epoche eine derartige Krise der Glaubensrelativierung gegeben wie in der heutigen der modernen Forschungsergebnisse. Dieses Problem macht sich ganz besonders in Zusammenhang mit der Person Jesu Christi selbst bemerkbar. Viele Gelehrte haben den „historischen Jesus“ vom „Christus des Glaubens“ abgespalten und damit Theologie und Doktrin von Vernunft und Realität abgetrennt.
Quelle: kath-info.de

Wir haben also auf der einen Seite Vernunft und Realität, auf der anderen Seite Theologie und Doktrin.
Wie ich immer sage: Wissenschaft vs. Glaubensdogmatik/Glaubensideologie.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#945 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Fr 1. Jun 2018, 11:07

sven23 hat geschrieben:An welcher "Wirklichkeit"?
Da gibt es nur eine.

sven23 hat geschrieben:In der glaubensideologischen Abteilung kann man das ja auch machen, aber nicht in der universitären Forschung.
Davon abgesehen, dass in diesem Satz schon wieder zwei Fehler sind, halte ich die Trennung von "apriorifrei" (im Sinne der Kommission) und "hermeneutische Auslegung" für sehr sinnvoll.

sven23 hat geschrieben:Es stehen die beiden Perspektiven unversöhnlich gegeneinander. Für die Forschung sind die biblischen Texte wie jeder andere antike Text zu behandeln, weil es Texte von Menschen für Menschen sind.
Bereits das ist ein Apriori-Postulat - aber wie gesagt: Die Trennung im obigen Sinn macht Sinn.

sven23 hat geschrieben:Nein, er fasst die Forschungsergebnisse zusammen und das ist in der Tat normal.
Merkst Du eigentlich, dass Dein kath-info-Zitat lupenrein Ratzinger ist und konträr zu Bilik ist? - Mit anderen Worten: Dein kath-info-Zitat ist richtig gut. :thumbup:

sven23 hat geschrieben:Wir haben also auf der einen Seite Vernunft und Realität, auf der anderen Seite Theologie und Doktrin.
Genau diese Gegenüberstellung wird doch kritisiert. :lol: - Es wird als PROBLEM angesehen, dass beides getrennt wird.

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#946 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Fr 1. Jun 2018, 11:31

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:An welcher "Wirklichkeit"?
Da gibt es nur eine.
Und die bastelst du dir so zurecht, wie es ideologisch am besten paßt, gell.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:In der glaubensideologischen Abteilung kann man das ja auch machen, aber nicht in der universitären Forschung.
Davon abgesehen, dass in diesem Satz schon wieder zwei Fehler sind, halte ich die Trennung von "apriorifrei" (im Sinne der Kommission) und "hermeneutische Auslegung" für sehr sinnvoll.
Nur wollte Ratzinger schon 1993 HKM und Kanonik vermanschen. Was soll dabei rauskommen, wenn man eine wissenschaftliche Methodik mit einer unwissenschaftlichen vermischt? Richtig, nichts Brauchbares.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es stehen die beiden Perspektiven unversöhnlich gegeneinander. Für die Forschung sind die biblischen Texte wie jeder andere antike Text zu behandeln, weil es Texte von Menschen für Menschen sind.
Bereits das ist ein Apriori-Postulat - aber wie gesagt: Die Trennung im obigen Sinn macht Sinn.
Nein, es ist wie bei jedem anderen Text auch. Es sind Texte von Menschen für Menschen. Alles andere ist Glaubensideologie.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, er fasst die Forschungsergebnisse zusammen und das ist in der Tat normal.
Merkst Du eigentlich, dass Dein kath-info-Zitat lupenrein Ratzinger ist und konträr zu Bilik ist? - Mit anderen Worten: Dein kath-info-Zitat ist richtig gut. :thumbup:
Es beschreibt die Situation, wie sie ist (und beklagt sie nebenbei).
Dies ergibt sich aber zwangläufig aus der völlig unterschiedlichen Herangehensweise der wissenschaftichen HKM und der glaubensbasierten Kanonik.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wir haben also auf der einen Seite Vernunft und Realität, auf der anderen Seite Theologie und Doktrin.
Genau diese Gegenüberstellung wird doch kritisiert. :lol: - Es wird als PROBLEM angesehen, dass beides getrennt wird.
Die Trennung ergibt sich zwangläufig, siehe oben.
Wissenschaft vs. Glaubensdogmatik.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#947 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Fr 1. Jun 2018, 12:18

sven23 hat geschrieben:Und die bastelst du dir so zurecht, wie es ideologisch am besten paßt, gell.
Wie oft denn noch: "Wirklichkeit" KANN man nicht basteln - weder Theißen noch Ratzinger können das. - "Basteln" kann man nur "Modelle zur Wirklichkeit", wobei man Vorannahmen verwendet, die diese Modelle jeweils plausibel erscheinen lassen.

sven23 hat geschrieben:Nur wollte Ratzinger schon 1993 HKM und Kanonik vermanschen.
Ist mir nicht bekannt. - Ich kenne nur den unter seiner Federführung entstandenen Text.

sven23 hat geschrieben:es ist wie bei jedem anderen Text auch.
Das heißt doch nicht, dass die Untersuchungs-Modelle dazu apriorifrei sind. - Wobei wir zwischen "apriorifrei" in Bezug auf die Methodik und "apriorifrei" in Bezug auf die Hermeneutik unterscheiden müssen. - Wenn Ratzinger (vergeblich) die HKM lobt, dann in Bezug auf letzteres.

sven23 hat geschrieben:Dies ergibt sich aber zwangläufig aus der völlig unterschiedlichen Herangehensweise der wissenschaftichen HKM und der glaubensbasierten Kanonik.
Davon abgesehen, dass Dein Wissenschaftsbegriff nicht dem geisteswissenschaftlichen Verständnis entspricht, ist das richtig.

Die hermeneutisch apriorifreie HKM muss passen, sobald es hermeneutisch wird (bzw. sie MÜSSTE, tut es aber nicht :D ) - deshalb bleibt sie auf ihrem Level "Jesus ist nur als Mensch untersuchbar" stehen. - Die von vorneherein als hermeneutisch angesagte Kanonische Exegese geht darüber hinaus, so dass selbstverständlich ein Unterschied zwischen Level 1 und Level 2 besteht.

Insofern ist die Aussage richtig, dass der christlich hermeneutische Jesus ein anderer ist als der säkular apriorifreie Jesus, der überhaupt nicht auf die Idee kommen dürfte, wertend diese Gegenüberstellung zu machen, da es sich um zwei vollkommen unterschiedliche Ebenen handelt ("Der Verdauungs-Sven ist ein anderer als der Nachdenk-Sven" - klar ist Dein Anus etwas anderes als Dein Gehirn).

Problematisch wird es, wenn man man das säkular Apriorifreie zum säkular Hermeneutischen macht ("Anus ist vernünftig, das Gehirn ist dogmatisch") - genau das passiert. - Und in diese Falle läuft auch Bilik. - Die kategoriale Trennung von "apriorifreie Exegese" im Sinne von Ratzinger (!) und "hermeneutische Exegese" wird ignoriert - absichtlich aus ideologischen Gründen oder aus Mangel an intellektueller Ausstattung.

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#948 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Fr 1. Jun 2018, 14:57

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und die bastelst du dir so zurecht, wie es ideologisch am besten paßt, gell.
Wie oft denn noch: "Wirklichkeit" KANN man nicht basteln - weder Theißen noch Ratzinger können das. - "Basteln" kann man nur "Modelle zur Wirklichkeit", wobei man Vorannahmen verwendet, die diese Modelle jeweils plausibel erscheinen lassen.
Eben, und dann haben wir 42000 Modelle zur "Wirklichkeit" und dagegen ein relativ homogenes Bild der historischen Forschung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nur wollte Ratzinger schon 1993 HKM und Kanonik vermanschen.
Ist mir nicht bekannt. -
Mir aber.
Die Studie Die Interpretation der Bibel in der Kirche (1993) der Päpstlichen Bibelkommission von Johannes Paul II., das auf Initiative und nach dem Entwurf des damaligen Kommissionspräsidenten Kardinal Joseph Ratzinger entstand, empfahl erstmals, den synchronen kanonischen Zugang zusammen mit der zum echten Bibelverständnis unverzichtbar bezeichneten diachronen historisch-kritischen Methode anzuwenden: „Dadurch soll die historisch-kritische Methode nicht ersetzt, sondern ergänzt werden.
Quelle: Wikipedia

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:es ist wie bei jedem anderen Text auch.
Das heißt doch nicht, dass die Untersuchungs-Modelle dazu apriorifrei sind.
Apriorifrei heißt hier, dass keine vorangestellten Glaubensbekenntnisse benötigt werden.
Wenn man nun die Texte historisch-kritisch bearbeitet und schiebt die Glaubensbekenntnisse hinterher, hat man denselben unwissenschaftlichen Kuddelmuddel. Ratzinger Exegese bringt also nix und wurde folgerichtig von der Forschung abgelehnt.

https://www.bibelwerk.de/sixcms/media.p ... stbuch.pdf


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dies ergibt sich aber zwangläufig aus der völlig unterschiedlichen Herangehensweise der wissenschaftichen HKM und der glaubensbasierten Kanonik.
Davon abgesehen, dass Dein Wissenschaftsbegriff nicht dem geisteswissenschaftlichen Verständnis entspricht, ist das richtig.
Warum nicht?
Bultmann sagt doch zu Recht, dass die historische Jesusforschung auch ein Stück weit Geschichtswissenschaft betreibt. Und meines Wissens nach gehört die Geschichtswissenschaft auch zu den Geisteswissenschaften.


closs hat geschrieben: Insofern ist die Aussage richtig, dass der christlich hermeneutische Jesus ein anderer ist als der säkular apriorifreie Jesus, der überhaupt nicht auf die Idee kommen dürfte, wertend diese Gegenüberstellung zu machen, da es sich um zwei vollkommen unterschiedliche Ebenen handelt.
Das sage ich doch schon seit Äonen. Wir haben hier den historischen Jesus und den unhistorischen, posthum legendenhaft verklärten Christus der kirchlichen Überlieferung, der erst von der historischen Jesusforschung wieder frei gelegt wurde.
Vereinfacht gesagt: Wissenschaft vs. Glaubensdogmatik.

closs hat geschrieben: ("Der Verdauungs-Sven ist ein anderer als der Nachdenk-Sven" - klar ist Dein Anus etwas anderes als Dein Gehirn).
Bei manchen soll da kein großer Unterschied sein. :lol:

closs hat geschrieben: - Und in diese Falle läuft auch Bilik. -
Nein, die historisch-kritische Forschung ist keine Falle, sondern der einzige Weg, Licht ins mythologische Dunkel zu bekommen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#949 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von closs » Fr 1. Jun 2018, 18:10

sven23 hat geschrieben:Die Studie Die Interpretation der Bibel in der Kirche (1993) der Päpstlichen Bibelkommission von Johannes Paul II., das auf Initiative und nach dem Entwurf des damaligen Kommissionspräsidenten Kardinal Joseph Ratzinger entstand, empfahl erstmals, den synchronen kanonischen Zugang zusammen mit der zum echten Bibelverständnis unverzichtbar bezeichneten diachronen historisch-kritischen Methode anzuwenden: „Dadurch soll die historisch-kritische Methode nicht ersetzt, sondern ergänzt werden.
Quelle: Wikipedia
Naja - das ändert aber nichts daran, dass die apriorifrei-gehaltene HKE als Basis-Reservoir gelobt wurde. - Die heremeneutische Ergänzung ist eh nötig, wenn man auch ein Verständnis im Sinne von Apg. 8,30 verstehen will. - Aber das sollte nicht in der HKE sein - insofern stimme ich den Kritikern zu.

Das ideale und eigentlich normale Gespann wäre:
1) Grundverständnis = HKE (hermeneutik-frei)
2) Sinnverständnis im Sinne von Apg. 8,30 = christliche Exegesen (oder jüdische Exegesen)

sven23 hat geschrieben:Apriorifrei heißt hier, dass keine vorangestellten Glaubensbekenntnisse benötigt werden.
Keine religiöse Glaubensbekenntnisse - ja, das ist richtig, weil das Stufe 2) wäre. - So meint es auch Ratzi.

sven23 hat geschrieben:Wenn man nun die Texte historisch-kritisch bearbeitet und schiebt die Glaubensbekenntnisse hinterher, hat man denselben unwissenschaftlichen Kuddelmuddel.
Falsch - da, wo die HKE nach eigener Selbst-Definition aufhören muss/MÜSSTE, muss doch jemand anderes anschließen.

sven23 hat geschrieben:Bultmann sagt doch zu Recht, dass die historische Jesusforschung auch ein Stück weit Geschichtswissenschaft betreibt.
Vermutlich kann man auch "Geisteswissenschaft" so oft umdefinieren, dass nur der drin ist, den man drin haben will. - Frage: Ist das inhaltliche Verstehen von "Faust 1" von Goethe oder Shakespeares "McBeth" eine Sache der Geisteswissenschaft oder nicht?

sven23 hat geschrieben: closs hat geschrieben:
Insofern ist die Aussage richtig, dass der christlich hermeneutische Jesus ein anderer ist als der säkular apriorifreie Jesus, der überhaupt nicht auf die Idee kommen dürfte, wertend diese Gegenüberstellung zu machen, da es sich um zwei vollkommen unterschiedliche Ebenen handelt.


Das sage ich doch schon seit Äonen.
Verbal sagst Du dasselbe, aber Du meinst etwas ganz anderes damit. - Du stellst zwei Sachen gegenüber ("A = wirklichkeits-authentischer als B"), die nicht gegenüberstellbar sind - im Grunde sagst Du: "Eine Linie ist besser als eine Kugel".

sven23 hat geschrieben:die historisch-kritische Forschung ist keine Falle, sondern der einzige Weg, Licht ins mythologische Dunkel zu bekommen.
Wenn es um Mythologie gehen soll, kann das eventuell richtig sein - aber das ist gerade NICHT der Sinn von Apg. 8,30.

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#950 Re: Alles Teufelszeug? IX

Beitrag von sven23 » Sa 2. Jun 2018, 07:43

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Studie Die Interpretation der Bibel in der Kirche (1993) der Päpstlichen Bibelkommission von Johannes Paul II., das auf Initiative und nach dem Entwurf des damaligen Kommissionspräsidenten Kardinal Joseph Ratzinger entstand, empfahl erstmals, den synchronen kanonischen Zugang zusammen mit der zum echten Bibelverständnis unverzichtbar bezeichneten diachronen historisch-kritischen Methode anzuwenden: „Dadurch soll die historisch-kritische Methode nicht ersetzt, sondern ergänzt werden.
Quelle: Wikipedia
Naja - das ändert aber nichts daran, dass die apriorifrei-gehaltene HKE als Basis-Reservoir gelobt wurde.
Es zeigt aber auch, dass Ratzinger schon 1993 eine wissenschaftliche Methode mit Glaubensbekenntnissen verunstalten wollte. Das konnte man ihm nicht durchgehen lassen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn man nun die Texte historisch-kritisch bearbeitet und schiebt die Glaubensbekenntnisse hinterher, hat man denselben unwissenschaftlichen Kuddelmuddel.
Falsch - da, wo die HKE nach eigener Selbst-Definition aufhören muss/MÜSSTE, muss doch jemand anderes anschließen.
Nein, das muss überhaupt niemand anschließen, schon gar keine Glaubensideologen. Das können sie in der Kirche praktizieren, aber nicht in der Forschung.
Es wäre ungefähr so, als wenn man nach der korrekten Lösung einer mathematischen Aufgabe hinterher das Ergebnis mit Würfeln ermittelt. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Bultmann sagt doch zu Recht, dass die historische Jesusforschung auch ein Stück weit Geschichtswissenschaft betreibt.
Vermutlich kann man auch "Geisteswissenschaft" so oft umdefinieren, dass nur der drin ist, den man drin haben will.
Warum umdefinieren? Es ist doch bereits definiert.

Die Geschichtswissenschaft ist eine Kultur- bzw. Geisteswissenschaft, die sich mit der Geschichte von Menschen und menschlichen Gemeinschaften beschäftigt,...
Quelle: Wikipedia

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: closs hat geschrieben:
Insofern ist die Aussage richtig, dass der christlich hermeneutische Jesus ein anderer ist als der säkular apriorifreie Jesus, der überhaupt nicht auf die Idee kommen dürfte, wertend diese Gegenüberstellung zu machen, da es sich um zwei vollkommen unterschiedliche Ebenen handelt.
Das sage ich doch schon seit Äonen.
Verbal sagst Du dasselbe, aber Du meinst etwas ganz anderes damit. - Du stellst zwei Sachen gegenüber ("A = wirklichkeits-authentischer als B"), die nicht gegenüberstellbar sind - im Grunde sagst Du: "Eine Linie ist besser als eine Kugel".
Nein, die Forschung wertet oder bewertet gar nicht, ob der historische, (echte) Jesus der bessere ist gegenüber dem verkündeten Christus der Kirche.
Fakt ist, dass Paulus seine Lehre verändert hat. Was nun besser oder schlechter ist, wäre zu diskutieren.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:die historisch-kritische Forschung ist keine Falle, sondern der einzige Weg, Licht ins mythologische Dunkel zu bekommen.
Wenn es um Mythologie gehen soll, kann das eventuell richtig sein - aber das ist gerade NICHT der Sinn von Apg. 8,30.
Man sollte die Apostelgeschichte auch nicht überstrapazieren. Auch diese wurde posthum in einer bestimmten theologischen Absicht geschrieben.
Die Allerweltsfloskel: Verstehst du auch, was du liest? läßt sich im Grund auf alle Texte anwenden.
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