closs hat geschrieben:
Meine Aussage ist, dass alle Hochkulturen dieselben großen Themen erkennen und bearbeiten - eines dieser Themen "der Mensch und das 'Darüber'".
Ja, ganz sicher ist das so. Das liegt aber daran, dass
Menschen Kultur schaffen. In allen Kulturen setzen sich die Menschen mit dem Tod auseinander. Warum? Weil jeder Mensch sterben muss und er
weiß, dass er sterben
muss und jederzeit sterben
kann.
closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Du beziehst niemals ein, dass Du die Kulturen falsch verstehen könntest.
Natürlich kann ich das - natürlich kann es sein, dass eine Kultur etwas nicht oder noch nicht so versteht,
wie man es versteht.
Jede Kultur bringt geistige Erzeugnisse hervor und die sind genau so zu verstehen, wie sie hervorgebracht werden. Wie man "es" versteht, gibt es nicht, weil es einen solchen "Es-Standpunkt" nicht gibt.
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Bei Platon, ob Ideen- oder Seelenlehre, findet man nichts Christliches und kann man auch gar nicht finden.
Historisch-kritisch geht das ja auch nicht -
geistig schon.
Wie gesagt verwechselst du da die Entwicklungs-Richtung. Du findest zwar platonische Ideen im Christentum. Aber du findest keine christlichen Ideen bei Platon. Es dürfte auch hinreichend klar sein, warum das nicht geht.
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Allenfalls finden sich geistesgeschichtliche Entwicklungen und philosophische Ideen im Christentum. Niemals aber umgekehrt.
Logisch - das war auch nie das Thema, geschweige denn eine Aussage.
Dann solltest du das auch nicht schreiben. Siehe deine Aussage direkt über dieser!
closs hat geschrieben:Wobei: "Christliches" ist hier falsch. - Es müsste heißen: "Das Christentum schlägt sich mit Themen ähnlich oder ganz anders rum wie/als das Griechentum". - Oder nimm ein ganz einfaches konkretes Beispiel: Achilles und Siegfried.
[...]
Trotzdem behandelt beide in Achilles und Siegfried das christlich sehr relevante Motiv des sich selbst-überhebenden Menschen, der glaubt, unverletzlich zu sein (nicht moralisch gemeint).
Der sich selbst überhebende Mensch mag ein relevantes Thema im Christentum sein, aber es ist kein christliches Grundmotiv. Man findet es bereits bei Prometheus und Sisyphos, wobei diese Helden - ganz anders als die Hiob Figur - die Götter nicht nur missachten, sondern sie sogar noch überlisten. Und ihr Antrieb ist, entweder eine Ungerechtigkeit nicht hinnehmen zu wollen oder den Menschen etwas zu schenken, das sie den Göttern gestohlen haben (z.B. das Feuer). Sie verachten die Götter nicht, aber sie missachten sie - und helfen so den Menschen.
Und natürlich ist die
Hybris ein Grundthema der griechischen Tragödie, wobei Prometheus und Sysiphos sich nicht der Hybris schuldig machen, sondern eben, die Götter zu missachten.
Das Christentum verwendet lediglich das gleiche Motiv und interpretiert es christlich.
Es gibt narrative archetypische Grundmotive, archetypische Figurenfunktionen und archetypische Grundstrukturen (C.G. Jung, Jospeh Campbell, Vladimir JakowleviÄ Propp, Christopher Vogler), die in allen Kulturen zu finden sind. So z.B. die berühmte Heldenreise. Archetypische Urbilder und Ur-Strukturen sind deshalb bei allen Menschen gleich, weil alle Menschen ganz bestimmte, gemeinsame basale Erfahrungen machen (z.B. eine Mutter oder einen (spirituellen) Lehrer zu haben). Es gibt im Menschen eine psychologische Disposition, solche Archetypen und symbolischen Bilder und Strukturen hervorzubringen. Sie sind der
geistig-kulturelle Ausdruck der gemeinsamen Grunderfahrungen. Damit kenne ich mich aus, denn unter anderem damit verdiene ich mein Geld. In der Literatur, im Film, in Fernsehshows, in Computerspielen und in der Werbung werden diese Archetypen unentwegt mit großem Erfolg eingesetzt, - wenn man es richtig macht.
Auch im Christentum (wie in allen Religionen) finden sie sich. Maria mit dem Jesuskind im Arm ist ein Archetyp:
Bild wegen fehlender Quellenangabe entfernt (Pluto)
Er findet sich aber eben auch im Film. Hier in
Aliens - Die Rückkehr von James Cameron:
Bild wegen fehlender Quellenangabe entfernt (Pluto)
Dasselbe Motiv, nämlich der uralte Archetyp der Mutter mit dem Kind.
Dieses Bild aus dem Fim, das die Figuren Ripley und Newt zeigt (und Ripley hat Newt in ihrer Abenteuerfahrt als Tochter adoptiert), lehnt sich nicht etwa an das christliche Motiv der Maria mit dem Jesuskind an, sondern beide sind künstlerische Ausrucksformen des viel älteren Archetyps der Mutter mit ihrem Kind. So kann auch eine Mutter mit ihrem Kind einfach in der Küche sitzen. Wir sehen diese Mutter mit Ihrem Kind in einer innigen Haltung und haben sofort ein unmittelbares bestimmtes, tiefes Gefühl, ein positives, denn wir sehen die Innigkeit ihrer Beziehung. Das Bild rührt uns unmittelbar an. Hier eine syrische Mutter mit ihrem Kind, die aus Syrien geflüchtet sind:
Bild wegen fehlender Quellenangabe entfernt (Pluto)
Was meinst du, warum so viele junge Menschen den Papst interessant finden? Etwa, weil das alle so überzeugte Katholiken sind, die noch jedem Dogma folgen?
Da muss ich dich vermutlich enttäuschen. Der Papst erfüllt lediglich eine
archetypische Figurenfunktion, nämlich die des
Mentors. Der Archetyp des Mentors zeichnet sich dadurch aus, dass er Zugang zu spirituellem Wissen hat. Er kennt das Geheimnis der Welt und des Menschen. Er ist fast immer ein alter Mann, sehr selten eine alte Frau. Er war früher selbst ein Held, hat die Entwicklungsstufe des Helden aber durch eine eigene Abenteuerfahrt überwunden und ist nun ein spiritueller Lehrer geworden, der weiß, was der Tod ist und welches Geheimnis er birgt. Wenn Helden ihre Abenteurfahrten erfolgreich absolvieren (es gibt auch den scheiternden Helden), dann werden sie zu Mentoren. Eine Vorstufe zum Mentor ist der religiöse Held, wie Gautama Siddharta, Jesus oder die Heldenfigur Neo in den Matrix-Filmen. Er hat die Funktion, dem Schüler-Helden bei seiner Aufgabe zu helfen (und wir alle sind Helden und müssen uns unentwegt im Leben bewähren).
Der Papst erfüllt lediglich eine bestimmte
archetypische Funktion. Man erhofft sich von ihm Einsichten über die tieferen Zusammenhänge in der Welt und vor allem Einsichten über den Tod und was uns mit dem Tod erwartet. Der profane spirituelle Mentor weist immer darauf hin, dass es gilt,
dieses Leben zu leben. Christliche Mentoren wie die Kirchenväter oder eben der Papst verweisen stattdessen auf eine Erfüllung im
Jenseits. Eine bedeutende Schwäche des Christentums.
Dass der Mentor nur eine bestimmte psychologisch-archetypische Funktion erfüllt, wird daran ersichtlich, dass er austauschbar ist. Letztlich geht es gar nicht darum, was er genau lehrt.
Der Papst erfüllt eine Mentorenfunktion, aber auch der Dalai Lama erfüllt sie und Mahatma Gandhi und Bhagwan und Martin Luther King und Mutter Theresa und Obi Wan Kenobi, Dumbledore aus den Harry Potter-Filmen und Meister Yoda in den frühen Star Wars-Filmen. Der bereits tote Mentor Obi Wan Kenobi spricht zum jungen Luke Skywalker gleichsam aus den Wolken oder vom Himmel herab die Worte:
"Die Macht wird mit dir sein". Auch Gandalf im Herrn der Ringe erfüllt diese Funktion. Alle sind sie Mentoren von Heldenschülern.
Auch dieses Motiv ist also nicht originär christlich. Wenn du nach kulturellen Ur-Motiven suchst, dann musst du nach Archetypen suchen!
Bilder wegen fehlender Quellenangaben entfernt (Pluto)