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von Naqual » So 16. Aug 2020, 11:39
Was wollte Jesus in Israel erreichen?
Die Frage finde ich gut!
Nimmt man die Evangelien her und klammert die Einschübe aus, die Jahrhunderte später eingefügt wurden (z.B. Weltmissionsbefehl), ignoriert spätere Interpreten des Geschehens (z.B. Paulus) dann ergibt sich ziemlich klar folgendes Bild:
Jesus wollte nur in Israel für Volksangehörige wirken, Ausländer waren ausgenommen.
Bei den Juden widerum sah er sich nur für die Sünder zuständig und nicht für die Gerechten.
Zwar hatte er Zeloten im Gefolge (Terroristen gegen die römischen Besatzer), aber zum Kerngefolge (Jünger) zählten auch Zöllner (Geldeintreiber für Rom).
Irdische Ambitionen als Herrscher der Gegend hatte er offensichtlich nicht. Seine Einstellung gegenüber den römischen Besatzern war recht "zahm" ("Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist". Den Kaiser sicherheitshalber sogar zuerst genannt.)
Die Scheinheiligkeit der jüdischen Elite trat er entgegen.
Er hatte Vorstellungen, die sich von allen jüdischen Gruppieren unterschieden, wenn auch zu jeder Einzelgruppe Gemeinsamkeiten existierten.
In manchen Vorstellungen war er strenger in anderen lockerer als die Zeitgenossen.
Zentral war für ihn die Gottes- und Nächsenliebe innerhalb eines jüdischen Patriotismus.
Er predigte ein Leben nach dem Tode (im damaligen jüdischen Glauben alles andere als selbstverständlich).
Schwieriig wird es beim Verständnis zum Kreuz. Hier wird bereits relativ bald "vermythologisiert". Da öffnen sich bei der Kreuzigung dann auch die Gräber und die Zombis ziehen gen Jerusalem. Da stößt Jesus seinen letzten Schrei aus und gleichzeitig reißt der Vorhang im Tempel (es kann keinen Zeugen geben, der die Gleichzeitigkeit feststellt, die beiden Ereignisse waren zu weit entfernt, der Vorhang aus Stoff und zudem in einem geschlossenen Gebäude).
Dass er das Kreuz im Sinne des Paulus verstand (und über dessen Verständnis kann man auch schon lange kontrovers diskutieren), dafür gibt es in den Evangelien keinen Hinweis. Nach Jesus sah er sich da als Vorbild. Wer sein Jünger sein will, folge ihm nach und gehe ans Kreuz. So gesehen hatte er bei seinen Ansprüchen keinen einzigen Jünger nach den Geschehnissen (nach Berichterstattung im NT). Auf die Frage, wie man in den Himmel kommt, antwortet er auch nicht etwa "keine Sorge, Du musst nur daran glauben, dass ich Deine Schuld mit meinem Blut ausgleiche", sondern "Sage ALLEM ab". Die Jünger erschraken zutiefst und fragten: Wie kommt man dann überhaupt in den HImmel? Jesus sagte einfach, dass es dem Vater IM HIMMEL möglich ist. Nun mit konsequenter Absage allen irdischen Besitzes haben es dann die heutigen Nachfolger nicht so wirklich. Zumindest wenn alleine die kath. Kirche in Deutschland ein geschätztes Vermögen von 200 Mrd Euro hat und dann noch den Klingelbeutel jede Woche in tausenden von Kirchen durchgehen lässt....
Und extrem viele öffentlichkeitswirksame Aktivitäten, z.B. Betriebskosten Kindergärten, zu fast 100 Prozent von der öffentlichen Hand und Elternbeiträgen finanziert werden. Nicht einmal die Theologieprofessoren werden von der Kirche bezahlt, sondern vom Staat. Und diverse Sonderrechte, die teilweise regional recht unterschiedlich sein können (z.B. Der Berliner Senat trägt die Heizkosten der Kirchen im Stadtgebiet. Mit eines der Gründe, warum man dann z.B. in einer bayerischen Kirche schneller friert im Winter.) .
In dem was Jesus wollte und lehrte war er sicherlich viel zu radikal, als dass es von "politisch wirkenden" religiösen Großinstitutionen aufgegriffen werden könnte ohne ihre eigene Existenz zu gefährden (dafür verlangte Jesus von seinen Nachfolgern viel zu viel).