Naqual hat geschrieben: ↑Mi 11. Mai 2022, 20:31
Letztlich kam dabei heraus, dass ich die Bibel ganz anders lese - und selbst wenn ich sie nicht für Gottes Wort halte (absolut nicht) - ihr stellenweise ziemlichen Respekt zolle.
So ungefähr verstehe ich die biblischen Berichte inzwischen auch. Es sind einfach Berichte von Menschen über Menschen, die irgendwo in ihrem Leben auch Gott begegnet sind. Jeder auf seine Weise.
Angefangen hat das damit, das jemand mir vorgeschlagen hat, die vier Evangelien zu lesen ... ohne die ganzen Vorgaben, wie man diese denn verstehen solle. Ich habe sie dann gelesen, und nur darüber nachgedacht, wie Jesus den Menschen damals begegnet ist. Ob und wie er die einzelnen beurteilt hat. Jesus hat immer die Menschen im Blick gehabt. Nicht vordergründig nach ihren aktuellen Handlungen, sondern eher nach den Motiven, den Lebenshintergründen und deren Herzenshaltung. Besonders ist mir dabei aufgefallen, dass er vor allen anderen Aspekten, die Sündenvergebung aussprach, ohne dass die jeweiligen "Sünder" (nach den Urteilen des Volkes) darum gebeten haben. Er hat damit zuerst genau das Hindernis ausgeräumt, was die Obersten des Tempels als Hauptgrund dessen verkündigten, warum man (angeblich) von Gott getrennt sei, und folglich darum auch leiden müsse.
Und dann hat er oft betont anders, als das Gesetz vorschrieb, die einzelnen Menschen behandelt. Jedem, so wie dieser es brauchte und verstehen konnte.
Auch die "Predigten" von Jesus kann man dann auf diese Weise verstehen, wenn man alle erlernten Vorgaben mal ausblendet. zB bei der sogenannten Bergpredigt, von der behauptet wird, dass Jesus die Gesetze strenger gemacht hat, als es in dieser Zeit verstanden wurde. Ich verstehe es so, dass Jesus zunächst einen Spiegel vorgehalten hat, wie es wäre, wenn man buchstäblich nach den Gesetzen leben würde. Dann würden nämlich auch die besonders Frommen nicht mehr so gut dabei wegkommen, weil kein Mensch fähig ist, buchstäblich nach den Gesetze zu leben. Letztendlich würden alle verdammt werden, nach ihrem eigenen Verständnis.
In Joh. 5,39 LUT sagt Jesus:
Ihr sucht in den Schriften, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben darin; und sie sind's, die von mir zeugen;
Ich sehe darin sogar einen Vorwurf von Jesus an die Schriftgelehrten. Sie glaubten, Gott zu kennen, durch die Schriften. Und verkündigten dem Volk ihre eigene Interpretation, genau so, dass sie selbst dabei gut wegkamen, aber das Fußvolk büßen müsse.
Jesus drückt das so aus, dass er erst einmal das in Frage stellt, was die Schriftgelehrten glaubten zu beherrschen: die Schriften, die sie als Gottes Gesetz verkündigten, aber selbst nicht wirklich verstanden oder eingehalten haben.
Wenn Jesus dann auch manchmal geraten hat: "sündige hinfort nicht mehr", dann hat er im Grunde nur vor den menschlichen Gesetzesgebern gewarnt. Weil beim nächsten Mal vielleicht niemand da sein würde, der sie davon retten könnte vor dem Urteil der Gesetzesgebern.
Naqual hat geschrieben: ↑Mi 11. Mai 2022, 20:31
Der kirchenchristliche Gott über die Jahrhunderte (mit wenigen "Nischen-Christen") ist ein antiker Machtkerl, der um überhaupt vergeben zu können Opferblut sehen will (sogar ich kann meinem Nächsten verzeihen ohne ihm oder einem Stellvertreter eine reinhauen zu müssen). Also der "Machtkerl" ist genau das Gegenteil von einem Wesen mit dem man innerlich verbunden sein will (!) Und wenn der Filter vor diesem Machtkerl mal beseitigt ist, ist man sogar erstaunt, warum einem der Sachverhalt, der eigentlch so klar ist ständig verborgen war. Es ist wie eine kirchlich indizierte Massenhypnose.
Faszinierend finde ich, in der Rückschau, dass man das Ganze auch noch als die einzig wahre Liebe dargestellt hat und es auch genau so geglaubt wurde. Ich erinnere mich, dass man uns in der Kinder-Sonntagschule die Machtverhältnisse und die Opferhandlungen als Liebe "verkauft" hat, indem man die menschlichen Systeme als Vorbild darstellte. Da Gott den Menschen geschaffen hat, hat er ihn (automatisch) in solche Verhältnisse eingefügt - "nach dem Bild Gottes". Beispiel wurde dabei auch die Völker aus der 3.Welt, den unerforschten Stämmen. Alle hatten Opferrituale, um die Götter zufrieden zu stellen. Das sollte der Beweis dazu sein, dass die Hierarchien und der Umgang damit von Gott zeugten, und nur vom Christentum (als der einzig richtige Weg) zurechtgerückt werden mussten, indem sie Jesus als das endgültige Opfer darstellen.
Trotzdem bin ich noch nicht ganz fertig mit der Frage, warum Gott solche Systeme und Handlungen "im Namen Gottes" so lange schon zulässt (?)
Gott nutzt scheinbar das ganze Drumherum der Versuche der Menschen, Gott in den Griff zu bekommen, um eine Beziehung zu einzelnen Menschen herzustellen. Es scheint so, als würde er die menschlichen Systeme und Hierarchien damit bestätigen.
Eine mögliche Antwort habe ich in der Geschichte von dem Propheten Elia gefunden, in
1. Könige Kap. 18+19. Als Elia die Baalspriester nach einer spektakulären Show niedermetzeln ließ. Gott hat scheinbar das Handeln von Elia bestätigt. Hinterher wurde Elia ganz schwach, wollte sterben - aller Mut hatte ihn verlassen. Gott lud ihn auf einen Berg ein, wo Elia Gott begegnen sollte. Gott zeigte sich im "Wetter". Zunächst kam schwerer zerstörerischer Sturm auf ... in dem Gott NICHT war. Zuletzt war da nur noch ein sanftes säuseln ... dort erkannte Elia Gott und ihn befiel Ehrfurcht ...
.... Gott hat das Handeln von Elia bestätigt, WEIL Elia damit das Volk wieder auf Gott hinweisen wollte. Die Art, wie Elia es tat, war eher menschlich geprägt. Aber es hatte die Folge, dass das Volk sich wieder Gott zuwandte. Nur darum hatte Gott "seinen Segen" dazu gegeben.
Und deshalb denke ich auch, dass Gott die verschiedenen Religionen manchmal auf eine Weise bestätigt, um den Focus der Menschen zu Gott (der ja ohnehin anwesend ist) zur Umkehr zu lenken - zurück zu Gott, damit sie (wieder) Gott wahrnehmen können.