Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Rund um Bibel und Glaube
closs
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#741 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von closs » Di 9. Apr 2019, 17:21

JackSparrow hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 16:34
Thaddäus hat geschrieben:
Und kannst du mir erklären, weshalb das intellektuelle Niveau hier so unterirdisch ist, egal welche dümmliche ideologische Richtung eingenommen wird?

Wenn du mir mitteilst, mit welcher Methode du das intellektuelle Niveau ermittelt hast, könnte ich mir eventuell eine zum Messergebnis passende Hypothese ausdenken.
Das ist jetzt wieder die Nummer: "Wie onanieren wir uns gegenseitig?"

Wir haben hier auf dem Forum Spiegelungen vom Feinsten: Man reflektiert Vorwürfe, die einem gemacht werden, einfach zurück und sagt: "Das gilt nicht für mich, sondern für Dich".

Ja, auch ich bin enttäuscht über das intellektuelle Niveau, das (bspw.) von Thaddäus und Dir vertreten wird. - Ja, ich finde es ideologisch. - Nur dass ich dabei kein Ad-hominem-Vokabular verwende.

Objektiv scheint mir das Problem darin zu liegen, dass Thaddäus und Du ein System vertretet, von dem Ihr glaubt, dass es nicht nur System, sondern auch ontische Größe ist (was wissenschaftlich eigentlich gar nicht geht). - Aus dieser subjektiven Gewissheit, die Ihr system-intern objektiv bestätigt, ist für Euch alles andere "weniger" - eben weil Euch das System-Interne nicht als solches bewusst ist. - Mit anderen Worten: In EUREM Sandkasten habt Ihr recht - aber es gibt halt noch andere Sandkästen, die ebenfalls authentisch zu dem, was WIRKLICH ist, sein könnten.

Euch gegenüber stehen Leute, die "Sandkasten" und "Sein" kategorial trennen und deshalb aus eigener Sicht weit aufgeklärter und intellektuell niveauvoller denken als Ihr - und schon haben wir den Salat. :)

JackSparrow
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#742 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von JackSparrow » Di 9. Apr 2019, 17:42

closs hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 17:21
Objektiv scheint mir das Problem darin zu liegen, dass Thaddäus und Du ein System vertretet, von dem Ihr glaubt, dass es nicht nur System, sondern auch ontische Größe ist
Ich halte mein System weder für ontisch noch für nicht ontisch. Genauer betrachtet kenne ich zwar die Bedeutung des Wortes "Ontogenese", kann ansonsten aber nicht ganz nachvollziehen, welchen Sachverhalt du mit dem Adjektiv "ontisch" auszudrücken gewillt sein könntest.

In EUREM Sandkasten habt Ihr recht
Danke.

Euch gegenüber stehen Leute, die "Sandkasten" und "Sein" kategorial trennen
In ihrem Sandkasten haben die sicher recht. In meinem tun sie bloß so.

closs
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#743 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von closs » Di 9. Apr 2019, 19:22

JackSparrow hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 17:42
Ich halte mein System weder für ontisch noch für nicht ontisch. Genauer betrachtet kenne ich zwar die Bedeutung des Wortes "Ontogenese", kann ansonsten aber nicht ganz nachvollziehen, welchen Sachverhalt du mit dem Adjektiv "ontisch" auszudrücken gewillt sein könntest.
Übersetze es über den Daumen mit "wirklich" und Du hast es verstanden - also
a) "System-Welt" (nach Statistik x sind 38% aller inländischen Moslems extremistisch) vs.
b) "Wirklichkeits-Welt" ("Wieviele sind WIRKLICH extremistisch?")

a) Systemisch a la HKE: "Jesus hatte eine Naherwartung (im Sinne des AT)".
b) "Wirklichkeits-Welt: "Wie war es WIRKLICH?"

Zwischen a) und b) gibt es IMMER einen Unterschied - geht gar nicht anders. - Den KArdinalfehler, den Thaddäus sehr expressis verbis und Du per Eindruck machen, ist: "b) kann nur über EUER a) ermittelt werden". - Mit Verlaub: Das ist intellektuell provinziell. - Vielleicht hast Du PeBs Zitate von Zeilinger dazu gelesen.

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Andreas
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#744 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Andreas » Di 9. Apr 2019, 19:51

PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:59
Andreas hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:08
PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 13:17
Das kann aber nur eine rhetorische Frage sein, denn so wie ich Andreas verstanden habe, ist die Theologie klar definiert und das muss auch in alle Ewigkeit so bestehen bleiben.
Wie kommst du denn darauf? Ich versuche doch ständig in Bezug auf den Begriff "Theologie" zu differenzieren, und stelle nur immer wieder fest, dass es nachweislich viele Unterschiedliche Theologien gibt und dass immer wieder neue hinzu kommen und sich weiterentwickeln - während du im Gegensatz dazu immer von "der Theologie" sprichst.
Vielleicht gerade aufgrund der Tatsache, dass das Bild der Theologie sich so differenziert darstellt, dass es eigentlich unklar ist, was sie vertritt. Ich habe da wesentlich weniger Probleme mit Physik oder Geschichte.
Die meisten Christen kennen halt nur die Theologie, die in ihrer Gemeinde gelehrt wird, und schauen kaum über ihren Tellerrand heraus, weil alles andere ja eh Irrlehren sind. Ich merke ja immer wieder, dass ich einer der Wenigen bin, die sich da alles auf dem theologischen Markt ohne Berührungsängste ansehen - und da gab und gibt es eine ganze Menge interessanter Dinge zu entdecken - aber halt nicht "die biblische Wahrheit", die jeweils nur in der jeweiligen christlichen theologischen Filterblase existiert, die vom Heiligen Geist in "die Wahrheit" geführt wird - und alle anderen nicht. Momentan beginne ich mich für den Open Theism und die Prozesstheologie zu interessieren, bin da aber noch nicht tiefer in die Materie eingedrungen.

PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:59
Die Frage lautet ja nicht nur: was will die Theologie?, sondern auch: was soll sie?
Tja, was wollen die Zeugen Jehovas, die ja nichts als "die Theologie" auf Grundlage "der Bibel" vertreten? Kannst du wirklich nur in diesen Schlagworten denken?

PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:59
Andreas hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:08
*trommelwirbel*
DIE BIBEL
Ich verstehe deine Entrüstung darüber wirklich nicht. Besonders aus dem Glauben heraus ist das doch richtig.
Ich warte immer noch auf deine Antwort zu meiner Frage, was für dich die Grundlage deines Glaubens ist - falls es die Bibel nicht ist.
Ach komm, muss ich jetzt in jedem Post meine Liebe zur Bibel wiederholen? Was denkst du denn, was meine christliche Glaubensgrundlage sein könnte - das Tao te King oder die Bhagavad Gita? Kenn' ich auch recht gut. Ist das schon eine Sünde, ein Fall von Gottabgewandtheit in deinen Augen? So schätze ich dich eigentlich nicht ein. Lass mich halt einfach ein freier Christenmensch mit seiner Bibel sein.

PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:59
Völlig ungeachtet der offenen Frage, wie zuverlässig oder unzuverlässig die Bibel in Bezug auf Erkenntnisfragen auch sei - sie ist aber die Quellengrundlage für das jüdisch-christliche Gottesverständnis. Wenn du sie in Frage stellst und trotzdem an Gott glaubst, musst du mir doch erklären können, um was für einen Gott auf welcher Quellengrundlage es sich dabei handeln soll. Das ist mir nicht klar.
Immer feste Pauschalisieren! Es geht doch überhaupt nicht darum "die Bibel" (die jüdische oder christliche?) als ganzes in Frage zu stellen, sondern deren unterschiedlichste Inhalte differenziert auf ihren Wahrheitsgehalt zu hinterfragen. Das tut meines Wissens nach jede Theologie und die Bibelwissenschaften auch. Uns ging es doch anfangs darum, inwiefern die Bibel als Schriftquelle für unser modernes Geschichtsverständnis, d.h. im Vergleich mit anderen außerbiblischen Schriftquellen und im Vergleich mit den Erkenntnissen der Archäologie plausibel sein kann. Finkelstein ist doch hier schon eine ganze Weile Thema. Du liest ja "Keine Posaunen vor Jericho" gerade, und da geht es schließlich nicht nur um Jericho, sondern um das Geschichtsbild der Archäologie dieses Gebietes im Vergleich zur biblischen Geschichte. Wenn du damit durch bist können wir uns ja mal damit auseinandersetzen. Würde mich interessieren was ein christlicher Archäologe zu den Thesen dieses jüdischen Archäologen zu sagen hat.

PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:59
Ein Gott ohne Quellengrundlage oder auf "falscher" Quellengrundlage muss doch eigentlich gemäß deiner eigenen Prämissen noch mehr "wischiwaschi" sein.
Kann mich nicht erinnern, die Bibel je als "falsche" Quellengrundlage für meinen Gott bezeichnet zu haben. Für Zeus und Vishnu ist die Bibel allerdings die falsche Quellengrundlage. Möglicherweise ist aber Zeus oder Vishnu oder beide wahrer Gott. Glaube ich nicht, aber was weiß ich schon?

PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:59
Andreas hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:08
Der Theos (Gott) ist als Schöpfer der Urheber der Geschichte der Menschheit und die Bibel beschreibt diese Geschichte, in der sich Gott dem Volk Israel offenbart und diesem die jüdisch, monotheistische Theologie in der Tora gibt. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben usw. Die Bibel als theologische Glaubensgrundlage ist in der Geschichte entstanden und handelt von der Geschichte Gottes mit dem Menschen. Im NT ist es nicht anders, was ist denn die Apostelgeschichte anderes als theologische Glaubensgrundlage in Form einer Erzählung der Geschichte?
Ja, und weiter?
Das wissen wir doch.
Ja nix weiter: Bei der Abfassung der Bibel wurde Geschichte zur Theologie und Theologie zur Geschichte gemacht. Das sollte ja deiner Aussage nach, was ganz schlechtes sein, trifft aber gerade auf die Bibel, wie die Faust aufs Auge zu. Ich finde ja nicht schlecht, dass die Autoren der Bibel das so gemacht haben, sondern deine Behauptung, dass das schlecht sei.
Ich hab da kein Problem damit, weil ich eben den Unterschied des biblischen mit dem modernen Geschichts- und Religionsverständnisses gelassen in Beziehung setzen und jeweils differenziert betrachten kann. Dieses Problem hatten die damals einfach nicht - nicht weil ich sie als dümmer oder unintelligenter ansehe. Wie könnte ich, da ich die Bibel für eines der genialsten Bücher halte? Das liegt einfach nur daran, dass mittlerweile über 2000 Jahre Menschheitsentwicklung stattgefunden haben.
PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:59
Andreas hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:08
Was ist denn deiner Meinung nach an der Aussage falsch, dass die Bibel das beste Beispiel dafür sei, wie Theologie zur Geschichte und Geschichte zur Theologie gemacht wird?
Weil wir hier zwei Ebenen miteinander vermischen:
- wir reden einerseits von der wissenschaftlichen Geschichtsforschung, um die es die ganze Zeit ging und andererseits jetzt
- von der erlebten Menschheitsgeschichte
Das erste ist die Forschungsdisziplin, das zweite der Forschungsgegenstand.
Die Geschichtswissenschaft ist darum bemüht, die Menschheitsgeschichte zu rekonstruieren.
Seit wann gibt es denn eine nicht erlebte Menscheitsgeschichte? Meinst du die zukünftigen Anteile der Heilsgeschichte?

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Andreas
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#745 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von Andreas » Di 9. Apr 2019, 20:14

PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:59
Die Theologie hat meines Erachtens die Aufgabe, theologische Fragen zu beantworten und nicht historische.
Umso verwunderlicher wäre dann dein theologisches Wahrheitsdogma die Bibel betreffend, nämlich, dass sie von Gottes Eingreifen in der Geschichte, Wundern, Prophetie und übernatürlichen Phänomenen als tatsächlichen historischen Ereignissen "berichtet". Nicht ich sondern Du bist doch mit diesem Dogma auf historische Fragen fixiert - statt auf theologische. Der Vorwurf an Bultmanns dialektische Theologie ist doch gerade, dass er nicht alles in der Bibel als historische Ereignisse, sondern beispielsweise Wundergeschichten als mythologische Erzählungen betrachtet und die theologischen Fragen im Fokus hat. Dies übrigens nicht in der Historischen Theologie sondern in der Systematischen Theologie.

PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:59
Du redest immer von der historischen Theologie (die es ebenso gibt, wie die Naturgeschichte) und ordnest sie methodisch der Theologie zu. Sie ist zwar dem Fach Theologie zugeordnet, methodisch ist sie aber eine historische Disziplin.
Die Theologien die dir nicht passen, sind keine Produkte der Historischen Theologie, sondern der Systematischen Theologie. Du verschubladest sie einfach nur falsch. Liberale Theologie (Ritschl, Harnack, Troeltsch ...) und dialektische Theologien (Bultmann, Barth, Gogarten ...) sind allesamt Systematische Theologien und keine Historischen Theologien. Die Historische Theologie entwickelt keine Theologien, sondern beschäftigt sich mit den Bibelwissenschaften, Altes und Neues Testament, Einleitungswissenschaft, Dogmengeschichte, Kirchengeschichte, Geschichte der Ökumene, Religionsgeschichte usw. Wie oft denn noch? Schau halt mal in ein Lexikon oder theologisches Fachbuch.

PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:59
Daraus folgt: es bleibt dabei, dass die Geschichtswissenschaft die historischen Abläufe untersucht - ob sie das nun unter der Ägide einer Geschichtsfakultät oder einer theologischen Fakultät tu ist unerheblich. Methodisch ist es Geschichtswissenschaft. Sie gibt aber keine Antworten auf theologische Fragen.
Im Prinzip - Ja. Insofern aber Jain, da sie manche Auswüchse kirchlich gesteuerter Theologie und Dogmatik relativiert, einschränkt oder gar unmöglich macht. Das betrifft zum Beispiel auch dein Wahrheitsdogma über die Bibel, die pauschal alle biblischen Erzählungen zu historischen Wahrheiten "erklärt": Angefangen bei der Schöpfung der Welt durch Gott, über "Adam" (Mensch) und Eva im "Paradies" (Garten Eden), über die Sintflut, die Verheißungen an Abraham, Isaak und Jakob, den Auszug aus Ägypten, die Landnahme usw. und so fort. Soweit Archäologie und Geschichtswissenschaften die biblischen Erzählungen bestätigen, klasse wissenschaftliche Beweise! Die Bibel hat doch recht. Aber falls sie zu Zweifeln Anlass gibt, ist viel Spekulation im Spiel, nix genaues weiß man nicht, Fehlertoleranzen, nur noch nicht ausgebuddelt, alles nur Hypothesen ...
PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:59
Nach der Zerstörung Jerichos gefragt lauten also die (vermeintlichen und verkürzten) Antworten
- der Geschichtswissenschaft (auf entsprechender Quellenbasis): wir können keine Mauern feststellen, die angeblich zerstört werden konnten,
- der Theologie (auf entsprechender Quellenbasis): die Mauern Jerichos wurden durch das Eingreifen Gottes zerstört.
Ich weiß wirklich nicht, wie ich das noch deutlicher machen soll...
Was die historische Wahrheit ist, bestimmt doch deiner Meinung nach das Wahrheitsdogma bezüglich der Bibel. Basta. Also tatsächliche Mauern und tatsächlicher Trompetenschall und ein tatsächliches historisches Eingreifen Gottes, was zum Wunder dieses Mauerfalls und der Vernichtung Jerichos mit Mann und Maus führte. Lies mal den Finkelstein fertig, und mach es nicht einzig an den Mauern von Jericho fest. Sein Buch beruht auf tausenden von Daten aus vielen Ausgrabungen und Surveys und Ergebnissen aus den interdisziplinär involvierten Wissenschaften und aus der Historischen Theologie, die teilweise unabhängig voneinander zu ähnlichen Ergebnissen gekommen sind. Finkelstein fasst all das lediglich zusammen, und formuliert eine ihm plausible Deutung der Geschichte Israels. Das ist nicht der Weisheit letzter Schluss.

PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:59
Andreas hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:08
Wie willst du denn Geschichte und Theologie in der Bibel auseinander dividieren. Glaubst du wirklich, dass das ginge - und falls ja - wie?
Methodisch.
So wie Bultmann das beispielsweise macht ... Eben. Oder wie sähe dein konkreter Vorschlag aus? Gib mal ein Beispiel. Dies eine Wort lässt mich so dumm wie vorher.

PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:59
Andreas hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:08
Zeilinger stellt eine ganz andere Frage. Weil es zur Zeit der Abfassung noch gar keine Wissenschaft und Geschichtsforschung im heutigen Sinne gab, ist das für die Bibel im Selbstverständnis ihrer Autoren irrelevant. Besonders wenn man von Gott als Autor ausgeht!
Die Tatsache, dass es zur Zeit der Abfassung der Bibel noch keine (systematisierte) Wissenschaft gab, bedeutet aber nicht, dass die Menschen kein Hirn im Schädel hatten. Denken konnten sie trotzdem. Sie hatten einen anderen Zugang zur Welt und eine flexiblere Deutungsvarianz.
Möglicherweise einen mythologischen Zugang der in der Theologie ja bereits ausgiebig diskutiert wurde.
PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:59
Die unsrige ist eingeschränkter durch die Regeln der systematisierten Wissenschaften, was wissenschaftlich eine Notwendigkeit darstellt, aber gesellschaftlich folkloristisch als Erkenntnisexklusivität der Wissenschaften missverstanden wird.
Von mir jedenfalls nicht. Wie kommst du darauf?

PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:59
Meine Auffassung lautet: die Interpretation der Bibel ist zwischen den Geschichtswissenschaften und den Glaubensauffassungen (um mal die Theologie außen vor zu lassen) strittig, aber unentschieden, da weder die Geschichtswissenschaft noch der Glaube eine etwaige "Wahrheit" beweisbar vorbringen kann. Beide Erkenntiswege stellen Modelle gemäß ihrer Betrachtungsperspektive vor.
Kenn ich aus dem Schach: Remi durch ewiges Nachdenken. Ich kann mir einen Standpunkt leisten, denn ich erhebe nicht den Anspruch, die Wahrheit zu verkündigen - oder sie mit der Bibel in der Hand zu halten.

PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:59
Andreas hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:08
Der Punkt ist ein vollkommen unterschiedliches Geschichtsverständnis von damals und heute und von den Geschichtswissenschaften (Geschichte = ausschließlich Vergangenheit) und christlichen Theologien (Heilsgeschichte = Vergangenheit und Zukunft).
Das ist klar. Das ist die genannte Folklore. Ich könnte auch sagen: der gesellschaftliche Mainstream.
Weil ja der Mainstream meinen würde, die Geschichtswissenschaften untersuchen das heilsgeschichtliche Ende von Gottes Schöpfungswerk? Sei nicht albern. Der war gut!

PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:59
So wenig auch sicher ist - in wissenschaftlicher wie in theologischer Hinsicht - eines kann ich dir aber SICHER für die Zukunft versprechen: das Geschichtsverständnis wird sich in 10, 100, 1000 Jahren auch wieder so weit geändert haben, dass du es deutlich vom heutigen unterscheiden kannst.
Und die Menschen in 10, 100, 1000 Jahren werden sich dann vielleicht auch arrogant über uns erheben und sagen: was für einen Bullshit haben die damals doch geglaubt.
Kann schon sein. Ja und?

PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:59
Bitte, bitte: nicht diese überhebliche Haltung gegenüber Andersdenkenden aus anderen Zeitperioden.
Du trägst Eulen nach Athen. Ich habe mich hier im Forum schon des öfteren in diesem Sinne geäußert.

PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:59
Die Andersartigkeit des damaligen Denkens ist nicht die Folge eines damals unzureichenden Erkenntnisstandes, sondern Folge eines anderen Erkenntniszugangs und anderer Erkenntnisbereiche.
Das kann man zur Differenzierung wahrnehmen, aber man sollte es nicht im Sinne eines heutigen Wahrhaftigkeitsanspruchs gegenüber früher ausdeuten.
Den Wahrheitsanspruch erhobst du mit deinem Wahrheitsdogma und nicht ich. Ich habe nie behauptet die Wahrheit zu kennen. Das überlasse ich den Fundamentalisten und Biblizisten.

JackSparrow
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#746 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von JackSparrow » Di 9. Apr 2019, 22:06

closs hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 19:22
Übersetze es über den Daumen mit "wirklich" und Du hast es verstanden
Wirklich aus deiner oder wirklich aus meiner Perspektive?

a) "System-Welt" (nach Statistik x sind 38% aller inländischen Moslems extremistisch) vs.
b) "Wirklichkeits-Welt" ("Wieviele sind WIRKLICH extremistisch?")
Du hast b in deiner Fantasie erschaffen, weil du a nicht als WIRKLICH akzeptieren kannst.

Den KArdinalfehler, den Thaddäus sehr expressis verbis und Du per Eindruck machen, ist: "b) kann nur über EUER a) ermittelt werden".
b existiert nur in deiner Fantasie und kann deshalb unmöglich ermittelt werden.

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#747 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von closs » Di 9. Apr 2019, 23:28

JackSparrow hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 22:06
Wirklich aus deiner oder wirklich aus meiner Perspektive?
Das wissen wir beide nicht. - Entscheidend ist, dass man überhaupt den Unterschied zwischen "systemisch/methodisch" und "wirklich/ontisch" versteht. - Dieses Verständnis ist heute NICHT üblich - im Gegenteil setzt man gelegentlich beide gleich: "Wissenschaftlich = wirklich". - Allerdings ist das pragmatisch in NATUR-Wissenschaften sogar (zumindestens bei positiven Befunden) möglich (es gibt dort unabhängige experimentelle Überprüfung) - wir sprechen hier aber mehr von GEISTES-Wissenschaften - da gibt es sowas in der Regel nicht.

JackSparrow hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 22:06
Du hast b in deiner Fantasie erschaffen, weil du a nicht als WIRKLICH akzeptieren kannst.
Falsch - das wäre eine typische System-Reaktion ("Der mag mich nicht" :lol: ). ---- In diesem konkreten Fall wird übrigens das Problem offenkundig: Man muss nur das System wechseln und schon sagt das andere System "unter 1%" (in diesem Fall war es das BKA). - Auch da wissen wir nicht, ob "unter 1%" mit der Wirklichkeit korreliert.

JackSparrow hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 22:06
b existiert nur in deiner Fantasie und kann deshalb unmöglich ermittelt werden.
Damit sagst Du wortwörtlich:
1) Wirklichkeit ist Phantasie
2) Wirklichkeit kann nicht ermittelt werden.
Bei 2) stimme ich Dir aus obigen Gründen zu, bei 1) nicht.

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#748 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von PeB » Mi 10. Apr 2019, 09:02

Andreas hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 19:51
Es geht doch überhaupt nicht darum "die Bibel" (die jüdische oder christliche?) als ganzes in Frage zu stellen, sondern deren unterschiedlichste Inhalte differenziert auf ihren Wahrheitsgehalt zu hinterfragen.

Also zum Beispiel so:
Andreas hat geschrieben:
Mi 27. Feb 2019, 18:49
Natürlich ziehe ich die Bibel in Zweifel - wie übrigens jeder andere auch - ich habe nur kein Problem damit, weil ich weiß, dass das keine Glaubensschwäche, sondern ganz normal ist und einfach dazu gehört.
[...]
Jesus als den Christus in Frage stellen? Logo, was denn sonst?

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#749 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von PeB » Mi 10. Apr 2019, 09:08

JackSparrow hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 16:34
Beziehugsweise würdest du keine der Erklärungen akzeptieren, die eventuell in Frage kämen, weil du Erklärbares für kalte Fakten hältst und du verhaltensbiologisch darauf konditioniert bist, auf solcherlei kalte Fakten mit einem Vermeidungsverhalten zu reagieren.

Tausche nur "konditioniert" durch "programmiert" aus, dann kannst du daraus eine passende Naturreligion entwickeln. ;)

Denn letztlich ist der reine Naturalismus nichts Anderes als eine Naturreligion, der mit Begrifflichkeiten experimentiert: Natur für Gott etc.

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#750 Re: Historisch-kritische Exegese und ihre Folgen

Beitrag von PeB » Mi 10. Apr 2019, 09:27

Andreas hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 20:14
PeB hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 14:59
Die Theologie hat meines Erachtens die Aufgabe, theologische Fragen zu beantworten und nicht historische.
Umso verwunderlicher wäre dann dein theologisches Wahrheitsdogma die Bibel betreffend, nämlich, dass sie von Gottes Eingreifen in der Geschichte, Wundern, Prophetie und übernatürlichen Phänomenen als tatsächlichen historischen Ereignissen "berichtet".
1) Was ist die Aufgabe der theologischen Quellenkritik?
2) Was ist die Aufgabe der historischen Quellenkritik?
Siehst du eine Unterscheidung?

Andreas hat geschrieben:
Di 9. Apr 2019, 20:14
Was die historische Wahrheit ist, bestimmt doch deiner Meinung nach das Wahrheitsdogma bezüglich der Bibel. Basta.
Falsch!
Dagegen renne ich doch die ganze Zeit über an!
Was die historische Wahrheit ist, bestimmt Niemend, weil die Wahrheit auch durch historische Forschung nicht endgültig zu bestimmen ist.
Aber:
1) die Geschichtswissenschaften haben die Aufgabe, der historischen Wirklichkeit möglichst nahe zu kommen und Geschichte zu rekonstruieren.
2) die Theologie macht theologische Aussagen auf der Basis ihrer Quellen.
Dazwischen gibt es eine Diskrepanz.
Mit "Wahrheit" hat das Ganze überhaupt nichts zu tun. Eher schon mit "Wirklichkeit" oder mit "Realität".

Realität: lat. res - die dinglich-objektiv vorausgesetzte Welt.
Wirklichkeit: von "wirken" - die durch unsere Sinnes- und Verstandesfilter von uns subjektiv vorgestellte ("auf uns wirjende") Welt.
Wahrheit: die durch unsere Sinnes- und Verstandesfilter nicht zugängliche, "wahre" Welt.

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